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US-Datenleak: FBI nimmt 21-Jährigen fest

Video: twitter/BrennpunktUA

Pentagon-Leak: FBI schnappt Nationalgardisten (21) – was wir wissen in 7 Punkten

14.04.2023, 07:1114.04.2023, 07:24
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Bei den Ermittlungen zur Veröffentlichung brisanter US-Geheimdienstinformationen im Internet hat die Bundespolizei FBI einen Verdächtigen festgenommen. Der Mann sei in Verbindung mit der «unbefugten Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen» in Gewahrsam genommen worden, sagte US-Justizminister Merrick Garland am Donnerstag in Washington. Er sei Angehöriger der Nationalgarde und heisse Jack T.

Eine Übersicht.

Wie wurde er verhaftet?

Die Festnahme des 21-Jährigen durch das FBI erfolgte am Donnerstag gegen 14.30 Uhr (Ortszeit) vor einem Wohnhaus in North Dighton, einem Ort zwischen Boston und Providence im Osten der USA. Der TV-Sender CNN zeigte Videoaufnahmen von der Festnahme. Dort war zu sehen, wie schwerbewaffnete Einsatzkräfte einen jungen, schlanken Mann in T-Shirt und kurzer Hose abführten. Die Festnahme sei ohne Zwischenfälle erfolgt und die Polizei führe weiter Ermittlungen in dem Haus durch, teilte das FBI mit. Seit Ende vergangener Woche seien die Ermittlungen intensiv vorangetrieben worden.

Die Festnahme im Video:

Video: twitter/BrennpunktUA

Was hat er getan?

Der 21-Jährige, den manche «OG» nannten, hatte Abschriften und Fotos geheimer Dokumente eine Chatgruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord gepostet. Wie die «Washington Post» berichtet, hätten sich in dieser Chat-Gruppe rund zwei Dutzend junge Leute mit Vorliebe für Waffen und Militärausrüstung zusammengeschlossen. Die Runde habe sich 2020 während der Corona-Pandemie gegründet. «OG» wurde dort beschrieben als charismatischer Waffennarr mit düsteren Ansichten über die US-Regierung, die Geheimdienste und die Strafverfolgungsbehörden.

Mitte März habe «OG» aufgehört, Dokumente mit der Chat-Gruppe zu teilen, schrieb die «Washington Post» weiter. Grund war demnach, dass jemand aus dem Kreis – dem auch Nutzer aus Russland und der Ukraine angehört haben sollen -, Ende Februar Unterlagen in einer anderen Gruppe gepostet und somit die abgesprochene Geheimhaltung gebrochen hatte. Anfang April, kurz bevor die «New York Times» über das Leck berichtete, habe «OG» verzweifelt gewirkt. «Er sagte, es sei etwas passiert und er bete zu Gott, dass dieses Ereignis nicht eintrete», zitierte die Zeitung ein minderjähriges Mitglied der Gruppe.

Wie konnte er das tun?

«OG» habe der Gruppe erzählt, dass er auf einem Militärstützpunkt, wo er arbeitete, an die Dokumente gelangt sei. Dort habe er laut eigener Darstellung Teile des Tages in einer abgesicherten Einrichtung verbracht, in der Mobiltelefone und andere elektronische Geräte verboten gewesen seien, mit denen Fotos oder Videos gemacht werden können. Daher habe er die Dokumente zunächst abgeschrieben. Über den gesamten Winter habe er so in der Gruppe seine Posts abgesetzt.

Wie kam ihm die Polizei auf die Schliche?

Als sich das Abschreiben als zu mühsam erwies, begann er laut der Zeitung, Bilder zuvor ausgedruckter Papiere zu posten – und ging dabei offensichtlich auch ein grosses Risiko ein, ertappt zu werden, weil solche Bilder Fahndern Hinweise gaben. Die «New York Times» schrieb, Details der Inneneinrichtung aus dem Elternhaus des 21-Jährigen, die auf Familienfotos in sozialen Medien veröffentlicht worden seien, stimmten mit Details am Rand einiger Fotos der veröffentlichten Geheimdokumente überein.

Was droht dem Mann?

Attorney General Merrick Garland speaks at the Department of Justice in Washington, Thursday, April 13, 2023. Garland announced that a Massachusetts Air National Guard member who has emerged as a main ...
Merrick Garland gab Auskunft.Bild: keystone

Justizminister Garland sagte, der Festgenommene müsse nun vor einem Gericht in Massachusetts erscheinen. Verstösse gegen das US-Spionagegesetz können je mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden.

Weshalb hat er die Dokumente veröffentlicht?

Über die Motivation gibt es noch kein klares Bild, auch der Justizminister nannte keine Details. Feindselig gegenüber der US-Regierung sei «OG» trotz seiner düsteren Ansichten nicht gewesen, schrieb die «Washington Post» unter Berufung auf Menschen aus seinem Umfeld. Er sei nach Überzeugung der Chat-Nutzer auch kein russischer oder ukrainischer Agent gewesen. Ihm sei es wohl darum gegangen, «vor seinen Freunden zu prahlen», aber auch darum, sie zu informieren, sagte ein Mitglied der Gruppe.

Ex-Geheimdienstkoordinator James Clapper sagte dem Sender CNN, für ihn klinge es so, als habe dieser «OG» ein gewisses «Mass an Narzissmus» gemeinsam mit anderen Whistleblowern vor ihm. «Es gibt ein Ego-Element, sich selbst wichtig zu fühlen, dadurch dass man Zugang zu solchem Material hat und es offenlegt.»

Was ist der Hintergrund?

Schon seit Wochen kursieren im Internet geheime Dokumente von US-Stellen – angeblich vom Nachrichtendienst CIA und vom Pentagon – zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen. Aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner. Unklar ist, was davon authentisch ist und was möglicherweise bearbeitet worden sein könnte. Für die US-Regierung ist die Sache allerdings so oder so grösstmöglich unangenehm. Es stellen sich Fragen dazu, wie verlässlich die Amerikaner sind, wie gut sie ihre Geheimnisse und die ihrer Partner schützen und wie loyal sie Verbündeten gegenüber sind.

US-Medien berichteten kurz vor Ostern erstmals über das Leck, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erfuhr nach eigenen Angaben erst zu dem Zeitpunkt, etwa vor einer Woche von dem Datenleck – obwohl das Material da schon wochenlang im Netz umherging. Danach rotierte die Regierung, um Partner zu besänftigen und vor allem, um die undichte Stelle zu finden. Das Justizministerium leitete Ermittlungen ein. Und die führten nun zu der Festnahme.

USA bespitzelte auch UN-Chef Guterres
Neu aufgetauchte Dokumente im Rahmen des massiven Datenlecks von US-Geheimdokumenten bestätigen einem Bericht zufolge auch das Ausspähen von UN-Generalsekretär António Guterres. Wie die BBC am Donnerstag berichtete, legten die Dokumente eine enge Überwachung des 73-Jährigen Portugiesen nahe, bei der auch Gespräche mit seiner Stellvertreterin Amina Mohammed belauscht worden seien. Aus den Papieren gehe zudem hervor, dass die Vereinigten Staaten Guterres' Verhalten gegenüber Russland angesichts des Ukraine-Krieges für zu weich halten.

«Die Notwendigkeit, die Unverletzlichkeit der UN-Kommunikation zu respektieren, gilt für alle Mitgliedsstaaten», reagierte Guterres' Sprecher Stephane Dujarric in New York. Er bedauerte, dass private Gespräche «verzerrt und öffentlich» gemacht wurden. Doch der Generalsekretär sei schon seit geraumer Zeit eine Person des öffentlichen Lebens. «Daher ist er nicht überrascht von der Tatsache, dass Leute ihn ausspionieren und seine privaten Gespräche abhören.»

Dass die Vereinten Nationen vor allem im Hauptquartier in New York oder auch beim Sitz in Genf dauerhaften Spionageversuchen einiger Mitgliedsstaaten ausgesetzt sind, gilt als offenes Geheimnis. Gerade der Sitz in den USA dürfte es für amerikanische Behörden einfacher machen, an geheime Informationen zu kommen. Doch auch Russland und China werden immer wieder Spionagevorwürfe gemacht. (sda/dpa)

(sda/dpa)

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91 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Frankygoes
13.04.2023 22:05registriert März 2019
Vielleicht sollte die US Regierung ihr Geheimhaltungssystem mal überdenken. Dass ein Präsident oder Ex-Präsident mal ein Geheimdokument mitgehen lässt, nicht gut, aber wenn sogar so ein Weekend Warrior an geheime Daten kommt, dann ist es erstaunlich, wie sie überhaupt was geheim halten können...
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MartinZH
13.04.2023 22:30registriert Mai 2019
Was für eine verachtenswerte Figur dieser «OG» doch ist: Waffennarr, Frömmler und unter einem unbefriedigten Geltungsbedürfnis leidend.

Gut, dass ihn die US-amerik. Justiz mit grösster Härte behandeln wird: Wenn er jahrelang in seiner Gefängniszelle schmort, kann er nur froh sein, dass er sich nicht woanders befindet, wo man mit Verrätern ganz anders verfahren würde als in einem Rechtsstaat.

Und NEIN, alle die jetzt mit Assange, Snowden und Mannings kommen, der Fall von «OG» lässt sich damit eben absolut NICHT vergleichen. Aber bei USA-Hassern existiert sowieso kein Differenzierungsvermögen.
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Weisch na?
14.04.2023 03:49registriert November 2022
Bitte verwendet den Begriff Whistleblower nicht in diesem Zusammenhang. Ein Whistleblower möchte auf Missstände hinweisen und wendet sich dazu an eine betriebsinterne Meldestelle. Das ist hier alles nicht gegeben.
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