Bei den Ermittlungen zur Veröffentlichung brisanter US-Geheimdienstinformationen im Internet hat die Bundespolizei FBI einen Verdächtigen festgenommen. Der Mann sei in Verbindung mit der «unbefugten Entfernung, Aufbewahrung und Übermittlung von Verschlusssachen» in Gewahrsam genommen worden, sagte US-Justizminister Merrick Garland am Donnerstag in Washington. Er sei Angehöriger der Nationalgarde und heisse Jack T.
Eine Übersicht.
Die Festnahme des 21-Jährigen durch das FBI erfolgte am Donnerstag gegen 14.30 Uhr (Ortszeit) vor einem Wohnhaus in North Dighton, einem Ort zwischen Boston und Providence im Osten der USA. Der TV-Sender CNN zeigte Videoaufnahmen von der Festnahme. Dort war zu sehen, wie schwerbewaffnete Einsatzkräfte einen jungen, schlanken Mann in T-Shirt und kurzer Hose abführten. Die Festnahme sei ohne Zwischenfälle erfolgt und die Polizei führe weiter Ermittlungen in dem Haus durch, teilte das FBI mit. Seit Ende vergangener Woche seien die Ermittlungen intensiv vorangetrieben worden.
Der 21-Jährige, den manche «OG» nannten, hatte Abschriften und Fotos geheimer Dokumente eine Chatgruppe auf der bei Videospielern beliebten Plattform Discord gepostet. Wie die «Washington Post» berichtet, hätten sich in dieser Chat-Gruppe rund zwei Dutzend junge Leute mit Vorliebe für Waffen und Militärausrüstung zusammengeschlossen. Die Runde habe sich 2020 während der Corona-Pandemie gegründet. «OG» wurde dort beschrieben als charismatischer Waffennarr mit düsteren Ansichten über die US-Regierung, die Geheimdienste und die Strafverfolgungsbehörden.
Mitte März habe «OG» aufgehört, Dokumente mit der Chat-Gruppe zu teilen, schrieb die «Washington Post» weiter. Grund war demnach, dass jemand aus dem Kreis – dem auch Nutzer aus Russland und der Ukraine angehört haben sollen -, Ende Februar Unterlagen in einer anderen Gruppe gepostet und somit die abgesprochene Geheimhaltung gebrochen hatte. Anfang April, kurz bevor die «New York Times» über das Leck berichtete, habe «OG» verzweifelt gewirkt. «Er sagte, es sei etwas passiert und er bete zu Gott, dass dieses Ereignis nicht eintrete», zitierte die Zeitung ein minderjähriges Mitglied der Gruppe.
«OG» habe der Gruppe erzählt, dass er auf einem Militärstützpunkt, wo er arbeitete, an die Dokumente gelangt sei. Dort habe er laut eigener Darstellung Teile des Tages in einer abgesicherten Einrichtung verbracht, in der Mobiltelefone und andere elektronische Geräte verboten gewesen seien, mit denen Fotos oder Videos gemacht werden können. Daher habe er die Dokumente zunächst abgeschrieben. Über den gesamten Winter habe er so in der Gruppe seine Posts abgesetzt.
Als sich das Abschreiben als zu mühsam erwies, begann er laut der Zeitung, Bilder zuvor ausgedruckter Papiere zu posten – und ging dabei offensichtlich auch ein grosses Risiko ein, ertappt zu werden, weil solche Bilder Fahndern Hinweise gaben. Die «New York Times» schrieb, Details der Inneneinrichtung aus dem Elternhaus des 21-Jährigen, die auf Familienfotos in sozialen Medien veröffentlicht worden seien, stimmten mit Details am Rand einiger Fotos der veröffentlichten Geheimdokumente überein.
Justizminister Garland sagte, der Festgenommene müsse nun vor einem Gericht in Massachusetts erscheinen. Verstösse gegen das US-Spionagegesetz können je mit bis zu zehn Jahren Haft geahndet werden.
Über die Motivation gibt es noch kein klares Bild, auch der Justizminister nannte keine Details. Feindselig gegenüber der US-Regierung sei «OG» trotz seiner düsteren Ansichten nicht gewesen, schrieb die «Washington Post» unter Berufung auf Menschen aus seinem Umfeld. Er sei nach Überzeugung der Chat-Nutzer auch kein russischer oder ukrainischer Agent gewesen. Ihm sei es wohl darum gegangen, «vor seinen Freunden zu prahlen», aber auch darum, sie zu informieren, sagte ein Mitglied der Gruppe.
Ex-Geheimdienstkoordinator James Clapper sagte dem Sender CNN, für ihn klinge es so, als habe dieser «OG» ein gewisses «Mass an Narzissmus» gemeinsam mit anderen Whistleblowern vor ihm. «Es gibt ein Ego-Element, sich selbst wichtig zu fühlen, dadurch dass man Zugang zu solchem Material hat und es offenlegt.»
Schon seit Wochen kursieren im Internet geheime Dokumente von US-Stellen – angeblich vom Nachrichtendienst CIA und vom Pentagon – zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Informationen zu Waffenlieferungen, Einschätzungen zum Kriegsgeschehen. Aber auch Details zu angeblichen Spähaktionen der USA gegen Partner. Unklar ist, was davon authentisch ist und was möglicherweise bearbeitet worden sein könnte. Für die US-Regierung ist die Sache allerdings so oder so grösstmöglich unangenehm. Es stellen sich Fragen dazu, wie verlässlich die Amerikaner sind, wie gut sie ihre Geheimnisse und die ihrer Partner schützen und wie loyal sie Verbündeten gegenüber sind.
US-Medien berichteten kurz vor Ostern erstmals über das Leck, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin erfuhr nach eigenen Angaben erst zu dem Zeitpunkt, etwa vor einer Woche von dem Datenleck – obwohl das Material da schon wochenlang im Netz umherging. Danach rotierte die Regierung, um Partner zu besänftigen und vor allem, um die undichte Stelle zu finden. Das Justizministerium leitete Ermittlungen ein. Und die führten nun zu der Festnahme.
(sda/dpa)
Gut, dass ihn die US-amerik. Justiz mit grösster Härte behandeln wird: Wenn er jahrelang in seiner Gefängniszelle schmort, kann er nur froh sein, dass er sich nicht woanders befindet, wo man mit Verrätern ganz anders verfahren würde als in einem Rechtsstaat.
Und NEIN, alle die jetzt mit Assange, Snowden und Mannings kommen, der Fall von «OG» lässt sich damit eben absolut NICHT vergleichen. Aber bei USA-Hassern existiert sowieso kein Differenzierungsvermögen.