Daniel Lemoi war in Amerika ein bekannter Mann. Bei einigen war er als Corona-Schwurbler und Verschwörungstheoretiker verschrien, während andere ihn als Helden und Wahrheitssager priesen. Seine Ideologien verbreitete er auf seinem Telegram-Kanal Dirty Road Discussions. Dort hatte er über 137'000 Follower.
Am 3. März starb der 50-Jährige «unerwartet», wie aus seiner Todesanzeige hervorgeht. Am Vormittag hetzte er auf Telegram noch gegen Homosexuelle und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Nebenbei warb er für das Entwurmungsmittel Ivermectin, das eigentlich für Tiere gedacht ist. Die «normale Tagesroutine» von Lemoi.
Lemoi nahm laut eigenen Angaben ab 2012 täglich eine Dosis Ivermectin ein. Ivermectin ist in den USA ein weitverbreitetes Entwurmungsmittel. Es gibt zwei Varianten davon: eine für Menschen und eine für Tiere. Das Präparat für Tiere enthält jedoch viel mehr Wirkstoff, da es für grosse Tiere wie Pferde und Kühe gedacht ist. Und Lemoi nahm das Veterinärpräparat. In der Schweiz ist das Medikament nicht zugelassen.
Die Familie nennt in der Traueranzeige keine Todesursache. Die Administratoren vom Telegram-Kanal schreiben jedoch am 5. März, dass die Todesursache sein Herz gewesen sei: «Er wusste nicht, dass sein Herz überlastet war und fast doppelt so gross, wie es sein sollte.» Laut den Administratoren sind Herzerkrankungen in der Familie bekannt gewesen. So auch bei Lemoi. Letztes Jahr ging er zum Arzt, um sein Herz kontrollieren zu lassen. Laut den Administratoren wurde aber nichts «Auffälliges entdeckt». Brisant dabei: Herzprobleme sind eine bekannte Nebenwirkung bei der Einnahme von Ivermectin.
Aber warum nahm Lemoi Ivermectin ein? Das Entwurmungsmittel spielte in Lemois Leben eine grosse Rolle. Er glaubte nämlich, dass das Medikament ihn von der Lyme-Borreliose geheilt und seinen Herzmuskel regeneriert habe. Er sagte damals, dass er fünf Monate nach der ersten Einnahme des Medikaments alle anderen Behandlungen abbrechen konnte.
Grosse mediale Aufmerksamkeit erhielt Ivermectin während der Coronapandemie. Denn rechtsorientierte Medien, Impfgegner und Verschwörungstheoretiker sahen das Medikament als Heilmittel gegen Covid. Quasi als eine Alternative zur Impfung.
Auch viele Politiker und bekannte Persönlichkeiten wie Joe Rogan behaupteten, dass Ivermectin ein Heilmittel gegen Corona sei. Rogan ist Moderator des wohl bekanntesten US-Podcasts «The Joe Rogan Experience». Es gebe wohl niemanden, der erfolgreicher für Ivermectin werbe als Rogan, schrieb das Magazin Rolling Stone.
Bisher gibt es aber keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Ivermectin gegen Corona hilft. Alle Studien, die den Nutzen belegen sollten, waren wissenschaftlich mangelhaft oder gleich ganz gefälscht.
Was man hingegen wissenschaftlich belegen kann: Eine Einnahme des Tierpräparates kann bei Menschen zu starken Nebenwirkungen führen – darunter Krampfanfälle, Lungen- und Herzprobleme. Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA warnte mehrmals davor, das Arzneimittel selbst einzunehmen. Die Behörde twitterte im August 2021 verzweifelt: «Sie sind kein Pferd. Sie sind keine Kuh. Ernsthaft, jetzt mal Schluss damit.» Auch die Swissmedic warnte 2021 «vor dem Kauf von Medikamenten gegen Covid-19».
You are not a horse. You are not a cow. Seriously, y'all. Stop it. https://t.co/TWb75xYEY4
— U.S. FDA (@US_FDA) August 21, 2021
Nach seinem Tod werben die anderen Administratoren weiterhin für Ivermectin auf dem Telegram-Kanal. Doch nun haben einige Follower begonnen sich zu den Nebenwirkungen zu äussern und dazu, dass sie Bedenken haben, ob Ivermectin wirklich etwas nütze.
Ein User schreibt auf Telegram: «Die Hölle ist ausgebrochen». Seit er Ivermectin nehme, leide er an Schmerzen von der Taille abwärts wie Ischias, Schienbeinschmerzen und am Restless Legs Syndrom.
🛑 This is child abuse!
— Christina_SC 🇺🇲🐳 (@cscnme) March 14, 2023
Do NOT feed your children pet meds!! pic.twitter.com/TCYYZptzaF
Einige von Lemois Followern führen seinen Tod auf Ivermectin zurück. Daraufhin wurden sie von anderen Usern kritisiert. Sie verbreiteten dadurch Fake News, hiess es von treuen Ivermectin-Anhängern. Sie sagen, die «gescheiterte westliche Medizin, die sich nur für den Profit und nicht für die Heilung interessiert», habe zu Lemois Tod geführt.