Vor gut zehn Tagen löste Donald Trump mit der Ermordung Ghassem Soleimanis ein politisches Erdbeben aus. Lange war nicht klar, ob die USA und der Iran deswegen in einen offenen Krieg treten würden. Erst nach der eher zurückhaltenden Reaktion Teherans und einer gemässigten Erklärung Trumps konnte die Welt ein wenig aufatmen.
Ausgestanden ist die Krise deswegen noch lange nicht. Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran wird im Verdeckten und in Stellvertreterkriegen blutig weitergeführt. Eine neuerliche Eskalation ist nicht auszuschliessen, Teherans Rache für die Ermordung Soleimanis dürfte erst noch folgen.
Stellt sich die Frage: Warum riskierte Donald Trump zu Beginn des Wahljahres einen weiteren Krieg im Nahen Osten? Der US-Präsident wollte unter dem Motto «America First» eigentlich die Truppen aus der Region so weit es geht abziehen. Zudem stehen die Prognosen für Trumps Wiederwahl gar nicht so schlecht. Aus Angst vor einer Wahlniederlage dürfte er also nicht gehandelt haben.
Antworten auf die gestellte Frage gibt es verschiedene. So stellt sich die Trump-Regierung auf den Standpunkt, der Luftschlag sei Selbstverteidigung gewesen. Es sei eine «unmittelbare Bedrohung» von Soleimani ausgegangen. Nur diese Argumentation würde das Vorgehen völkerrechtlich rechtfertigen. Denn die Ermordung Soleimanis geschah ohne die Einwilligung des Iraks – die Tat ereignete sich in Bagdad – und verletzte somit die Souveränität des Landes.
Doch die US-Regierung hat bisher keine Beweise für eine unmittelbare Bedrohung liefern können. Im Gegenteil: Der Präsident, der Aussenminister und der Verteidigungsminister widersprachen sich fast stündlich. Trump selber behauptete am Freitag, er glaube, dass Soleimani Attacken auf vier US-Botschaften geplant habe.
Verteidigungsminister Mark Esper sagte jedoch am Sonntagabend in einem TV-Interview, er habe dafür keine Beweise gesehen. Auch die betroffenen US-Botschaften wurden nicht über eine Bedrohung informiert, wie CNN am Montag berichtet.
NEWS: @EsperDod tells @margbrennan he "didn't see" specific evidence showing Iran planned to strike 4 U.S. embassies, despite @realDonaldTrump saying an attack at multiple embassies was “imminent." Watch more of Esper's interview on @FacetheNation today. pic.twitter.com/1Nud8waok1
— Face The Nation (@FaceTheNation) January 12, 2020
Nach dem Kommunikations-Fiasko der Regierung wird immer klarer, dass der US-Präsident betreffend der vier Botschaften gelogen hat. Sowie er es in seiner Amtszeit gemäss Zählung der Washington Post bereits 13'435 Mal getan hat.
Also muss es einen anderen Grund wie die «unmittelbare Bedrohung» gegeben haben.
Diesen liefern die für gewöhnlich äusserst gut informierten Zeitungen The Wall Street Journal und die New York Times. Demnach liess sich Trump von republikanischen Senatoren unter Druck setzen, welche sich eine härtere Gangart gegen den Iran wünschten. Trump gab gemäss «Wall Street Journal» gegenüber seinen Mitarbeitern an, dass er die entsprechenden Senatoren als wichtige Unterstützer im Amtsenthebungsverfahren betrachte.
Quite the nugget in this WSJ story --->
— Dave Brown (@dave_brown24) January 10, 2020
"Mr. Trump, after the strike, told associates he was under pressure to deal with Gen. Soleimani from GOP senators he views as important supporters in his coming impeachment trial in the Senate, associates said" https://t.co/3xxLFJ6XTk
Wie die «New York Times» in ihrer genauen Aufarbeitung der Ereignisse schreibt, wollte sich der US-Präsident mit der Ermordung Soleimanis die Unterstützung der Senatoren Tom Cotton und Lindsey Graham sichern.
Die Angst vor dem Impeachment dürfte jedoch nicht alleine erklären, weshalb Trump den Drohnenangriff autorisierte. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass er wirklich des Amtes enthoben wird, ist verschwindend klein.
Trump wollte sich nach dem Sturm auf die US-Botschaft in Bagdad auch deutlich von Barack Obama abgrenzen. Dieser stand nach der Ermordung des US-Botschafters in Bengasi im Jahr 2012 in der Kritik, nicht hart genug durchgegriffen zu haben. Trump spricht deshalb bereits vom «Anti-Bengasi».
Die Enthüllungen der US-Medien haben viele Reaktionen hervorgerufen.
“Of course, using his foreign policy authority for domestic political gain is the offense Trump is being impeached for. It would be characteristically Trumpian to compound the offense as part of his efforts to avoid accountability for it.” https://t.co/Vk7O45EwKS
— George Conway (@gtconway3d) January 11, 2020
So vergleicht etwa der Anwalt George Conway, der Ehemann der Präsidenten-Beraterin Kellyanne Conway, Trumps Vorgehen im Irak mit jenem in der Ukraine. Der US-Präsident habe einen aussenpolitischen Entscheid aufgrund des Impeachments gefällt. Und er sei dabei «so zynisch, dass er nicht einmal anerkennt, dass er dies nicht laut aussprechen darf.»
"Trump wollte sich nach dem Sturm auf die US-Botschaft in Bagdad auch deutlich von Barack Obama abgrenzen."
"Der US-Präsident habe einen aussenpolitischen Entscheid aufgrund des Impeachments gefällt."
Egal, was der wahre Grund für die Ermordung war, jeder davon ist einfach nur pervers. Da wurde ein Mensch getötet!