Donald Trump meldete sich am Samstagabend per Videobotschaft aus dem Spital und sprach über seinen Gesundheitszustand. Es gehe ihm jetzt «viel besser», sagte der Präsident in der rund vier minütigen Ansprache. Als er ins Spital gekommen sei, habe er sich «nicht so gut gefühlt». Die «wahre Prüfung» stehe aber in den nächsten Tagen noch bevor.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) October 3, 2020
Der Risikopatient wirkt im Video ein wenig angeschlagen, zeigt aber keine grösseren Probleme mit der Atmung. Doch nach den ersten zwei Tagen von Trumps Spitalaufenthalt stellt sich die Frage: Wie krank ist der Präsident wirklich? Denn die Kommunikation des Weissen Hauses und des Walter-Reed-Spitals war derart chaotisch, dass man sich fragen muss, ob Trump womöglich stärker erkrankt war, als er dies zugibt.
Am Samstagmittag (Ortszeit) gab Trumps Leibarzt, Sean Conley, den Medien Auskunft. Klarheit über den Gesundheitszustand des 74-Jährigen gab es danach jedoch nicht. Im Gegenteil. Zwar sagte Conley, dem Präsidenten gehe es «sehr gut» und dass das Team zufrieden sei mit dessen Fortschritten. Aber der Arzt wich wichtigen Fragen aus. So wollten Medienschaffende wissen, ob Trump zusätzlichen Sauerstoff erhalten habe. Conley antwortete darauf nur, dass dies derzeit nicht der Fall sei.
Weiter sagte Conley, dass Trump seit 24 Stunden kein Fieber mehr habe. Wie hoch dieses aber zuvor gewesen ist, teilte er nicht mit.
Für Verwirrung sorgte ausserdem, dass der Arzt von einer 72 Stunden zurückliegenden Diagnose sprach. Trump trat am Donnerstag in New Jersey noch an einem Fundraising-Event auf. Am Mittwochabend hielt er eine Wahlkampfveranstaltung in Minnesota ab. Stimmt Conleys 72-Stunden-Aussage, so wusste Trump bereits am Mittwochmittag Bescheid über seine Infektion und nicht erst am Freitag.
Doch Conley widersprach sich selber: An anderer Stelle sagte er, das positive Testergebnis habe in der Nacht zu Freitag vorgelegen. Dann wurde auch die Öffentlichkeit informiert.
Presidential physician Dr. Conley: "Just 72 hours into the diagnosis" for the president, the medical team is "extremely happy with the progress the president has made." pic.twitter.com/f7kubmlwjS
— NBC News (@NBCNews) October 3, 2020
Hier stellt sich wiederum die Frage, wann Trump das letzte Mal negativ getestet wurde. Im Normalfall dauert es mehrere Tage, bis ein Corona-Patient Symptome wie Fieber zeigt. Gemäss des Weissen Hauses wird Trump jedoch mehrere Male am Tag getestet. Conley wollte die Frage nach dem letzten negativen Testergebnis ebenfalls nicht beantworten. Die Erklärungen des Weissen Hauses gingen einfach nicht auf, meinte in der Folge Gesundheitsexpertin Leana Wen gegenüber CNN.
Why do I & others keep asking when was @realDonaldTrump’s last negative test? Because the timeline isn’t adding up. If there were neg daily tests (presumably with too low viral load to be detected), it’s hard to develop such significant symptoms within a day of testing positive pic.twitter.com/LOl3Ixzwq7
— Leana Wen, M.D. (@DrLeanaWen) October 4, 2020
Als hätte die unbefriedigende Pressekonferenz von Conley nicht schon genug Misstrauen gestreut, machte wenig später eine weitere beunruhigende Meldung die Runde. Diverse US-Medien zitierten am Samstagmittag eine gut informierte Quelle, wonach die Werte des Präsidenten in den vergangenen 24 Stunden «sehr besorgniserregend» gewesen seien. Die nächsten 48 Stunden seien entscheidend.
Es stellte sich später heraus, dass die gut informierte Quelle Mark Meadows ist. Meadows ist Trumps Stabschef und verbrachte die Nacht von Freitag auf Samstag beim Präsidenten im Spital. Videos zeigen, wie Meadows Reportern kurz nach der Pressekonferenz des Leibarztes Auskunft gibt.
Appears WH Chief of Staff Mark Meadows spoke to reporters & contradicted President’s doctor by saying Trump vitals over last 24 hrs were very concerning. Doesn’t give confidence that Chief of Staff wants to be anonymous or that WH & med teams can’t keep story straight. https://t.co/UWnEq4jgih
— Paula Reid (@PaulaReidCBS) October 3, 2020
Am Samstagabend sprach Meadows zudem mit dem TV-Sender Fox News. Er sagte, dass Trump am Freitagmorgen Fieber hatte und der Sauerstoff im Blut «rapide gefallen» sei. Die Ärzte und er seien «sehr besorgt» gewesen. Dennoch sei der Präsident wach gewesen und herumgelaufen.
Mark Meadows on Fox News: "I can tell you the biggest thing that we see is with no fever now, and with him doing really well with his oxygen saturation level -- yesterday morning we were concerned with that. He had a fever, and his blood oxygen level had dropped rapidly." pic.twitter.com/HouYopda4a
— Aaron Rupar (@atrupar) October 4, 2020
Trump soll mit den Äusserungen seines Stabschefs überhaupt nicht zufrieden sein. Der Präsident sei sauer auf Meadows, berichtet die Washington Post unter Berufung auf einen hochrangigen Mitarbeiter.
Nach den Aussagen von Meadows weiss die US-Bevölkerung jetzt wenigstens, dass Trump ernsthaft krank ist, oder zumindest war. Doch über vieles lässt der Präsident seine Landsleute im Dunkeln tappen.
Ich glaube seine aktuelle Passivität senkt seine Gewinnchancen. Biden wird also neuer Präsident.
Dass der „most amazing president“ nicht wiedergewählt wurde, schreibt Trump und seine Anhänger dann einfach der Infektion zu.
Dadurch kann Trump ohne Gesichtsverlust verschwinden, es gibt keine Ausschreitungen oder Ähnliches und die USA haben wieder einen normalen Präsidenten. Alle werden also zufrieden sein.
Wie überraschend.. 😁