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Umstrittene Abschiebepraxis in den USA beendet - Andrang an Südgrenze

Umstrittene Abschiebepraxis in den USA beendet - Andrang an Südgrenze

12.05.2023, 07:1912.05.2023, 08:15
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epa10622140 Migrants are processed by Border Patrol officers after crossing from Mexico to the United States, in Yuma, Arizona, USA, 11 May 2023. A significant increase in the number of migrants cross ...
Flüchtende aus Mexiko an der amerikanischen Grenze.Bild: keystone

Mit grosser Ungewissheit bangen Zehntausende Migranten an der südlichen Grenze der USA um ihre Zukunft. Mit der Aufhebung des Corona-Notstandes in den Vereinigten Staaten endete in der Nacht zum Freitag auch eine umstrittene Abschiebepraxis, die in den vergangenen Jahren unter Verweis auf die Pandemie eine schnelle Zurückweisung von Migranten ermöglicht hatte. Viele der Migranten aus Mittel- und Südamerika hatten sich durch den Wegfall der sogenannten Titel-42-Regelung einst bessere Chancen für eine Aufnahme in den USA erhofft, sind aber zunehmend desillusioniert. Denn die US-Regierung hat zahlreiche Massnahmen erlassen, um dem Andrang an der Grenze entgegenzusteuern.

US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas versuchte in der Nacht zum Freitag erneut, falsche Erwartungen zu dämpfen. «Die Grenze ist nicht offen», teilte er mit dem Auslaufen der umstrittenen Abschiebepraxis um Mitternacht (Ortszeit) mit. Ab sofort würden Menschen, die an der Grenze ankommen, ohne einen legalen Weg zu nutzen, als nicht asylberechtigt gelten, sagte er weiter. Diejenigen, die die verfügbaren legalen Wege zur Einreise in die USA nicht nutzten, müssten von nun an zudem mit härteren Konsequenzen rechnen. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor gesagt, die Situation an der Grenze werde noch «für eine Weile chaotisch» bleiben.

Abschiebungen bislang unter Verweis auf Pandemie möglich

Die Titel-42-Regelung ermöglicht es, Menschen von der Einreise in die USA abzuhalten, wenn durch Einschleppung von Krankheiten eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit besteht. Im März 2020 - unter dem Eindruck der Corona-Pandemie - wurden die Grenzschutzbehörden unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump angewiesen, diese Regel anzuwenden. So wurde unter Verweis auf die Pandemie eine schnelle und unbürokratische Zurückweisung von Migranten möglich - noch bevor diese überhaupt einen Asylantrag stellen konnten.

2.8 Millionen Abschiebungen soll es binnen drei Jahren unter Anwendung der Titel-42-Regelung gegeben haben. Eigentlich sollte die Regelung bereits im vergangenen Jahr auslaufen, doch mehrere US-Bundesstaaten, darunter Arizona und Texas, erhoben Einspruch - und bekamen Recht. Erst mit dem Auslaufen des Corona-Notstands endete die umstrittene Abschiebepraxis.

Illegale Einreiseversuche werden nun geahndet

Die USA kehren nun zur Anwendung der sogenannten Titel-8-Regelung zurück. Der administrative Aufwand für die Grenzschützer ist damit höher, denn Migranten dürfen nicht mehr ohne reguläres Verfahren abgeschoben werden. Dass bedeutet aber nicht unbedingt, dass sich ihre Chancen für einen positiven Asylbescheid erhöhen. Gleichzeitig gibt es eine strengere Handhabe: So sieht die Titel-8-Regelung im Falle eines illegalen Einwanderungsversuchs ein fünfjähriges Wiedereinreiseverbot vor. Es können auch Geld- und Gefängnisstrafen verhängt werden. Viele Migranten befürchten zudem, dass sie künftig nicht wie bisher nach Mexiko, sondern in ihre Heimatländer abgeschoben werden.

App zur Anmeldung bei Grenzbehörde überlastet

Daneben hat die US-Regierung eine ganze Reihe an Massnahmen erlassen, um den Andrang an der Grenze zu verringern. Migranten, die in die USA wollen, müssen über eine App einen Termin bei der Grenzbehörde buchen. Doch es werden nur begrenzt Termine freigeschaltet und viele Menschen an der Grenze berichten, die Software sei überlastet. Die US-Regierung hat zudem zusätzliches Personal an die Grenze geschickt. Unter anderem sollen 1500 Soldaten den Behörden in der Grenzregion zunächst für 90 Tage bei administrativen Aufgaben wie Dateneingabe und Lagerunterstützung helfen.

Ende April kündigte die US-Regierung ferner an, unter anderem in Kolumbien und Guatemala Migrationszentren zu eröffnen und die Erstregistrierung von Asylsuchenden dorthin zu verlagern. Man wolle den Menschen auf diese Weise die oft gefährliche Reise zur Grenze der USA «ersparen», hiess es.

Unsicherheit zu den neuen Regeln

Die Zahl der Migranten im Norden Mexikos, die auf eine Einreise in die USA hoffen, beläuft sich US-Medienberichten zufolge derzeit auf 150 000. Weil viele die neuen Regeln schwer einschätzen können, versuchten einige bereits am Donnerstag und in den Tagen davor die Grenze zu überqueren.

«Es gibt Gerüchte, dass die Regelungen jetzt strenger werden und wir nicht so leicht durchkommen», sagte eine 24-jährige Mexikanerin der Deutschen Presse-Agentur. Mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern war sie im März in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana - gegenüber von San Diego im US-Bundesstaat Kalifornien - angekommen. In Tijuana kamen nach Behördenangaben zuletzt täglich rund 500 bis 700 Migranten an, mehr als doppelt so viele wie zuvor. Hunderte schafften es in den vergangenen Tagen, eine erste Mauer auf US-Boden zu überwinden und warten nun in einem Bereich vor der zweiten Mauer, um sich den Grenzschutzbeamten zu stellen, damit ihre Fälle geprüft werden.

Rückkehr für viele unmöglich

«Wir beten zu Gott, dass sie uns die Möglichkeit geben, mit einem Termin einzureisen. Wir wollen nicht illegal einreisen», sagte eine Frau aus Venezuela. Die 55-Jährige hat Angst, in ihr Land abgeschoben zu werden. «Bis jetzt haben wir noch keinen Plan B, aber wir wollen nicht zurück nach Venezuela.»

Die Migrantenunterkünfte in Tijuana sind voll. Ähnlich ist die Situation in Grenzstädten wie Ciudad Juárez, wo im März 40 Migranten bei einem Brand in einer Sammelstelle der Einwanderungsbehörde INM ums Leben kamen. Auch im Süden von Mexiko warten Tausende Menschen auf Einreisedokumente, um sich legal durch das Land in Richtung Norden zu begeben. Die lokalen Einrichtungen, die sich um die Betreuung von Migranten kümmern, bereiten sich auf harte Tage vor - und decken sich ein mit Wasser, Decken und Medikamenten. (sda/dpa)

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