Vor genau vier Jahren erwartete Barack Obama hohen Besuch im Weissen Haus: Donald Trump, der frischgewählte US-Präsident, schaute vorbei, um mit seinem Vorgänger die Amtsübergabe zu regeln. Das «exzellente Gespräch» (Zitat Obama) war der Auftakt in die traditionellen «Übergabegespräche», die immer dann nötig werden, wenn ein neuer Präsident und mit ihm rund 4000 neue Beamte nach Washington ziehen. Mehrere hundert Personen arbeiten wochenlang an einer möglichst reibungslosen Übergabe. Und natürlich spielt die abtretende Truppe den Neuankömmlingen einen Abschluss-Streich. Als etwa George W. Bush’s Leute ihre Computer von der Clinton-Administration übernahmen, fehlte auf allen Tastaturen das «W».
Im November 2020 aber ist alles anders. Trump hat Joe Bidens Sieg nicht anerkannt. Deshalb hat Biden auf eigene Faust losgelegt und gestern eine neue Corona-Taskforce auf die Beine gestellt. Was Biden sonst alles anpacken können wird, hängt davon ab, ob die Republikaner ihre Mehrheit im Senat halten und Biden so das Regieren erschweren können. Entscheiden wird sich das am 5. Januar.
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Klar ist, dass Biden das aussenpolitische Ruder rasch herumreissen will. Er hat angekündigt, an seinem allerersten Amtstag wieder dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation beizutreten. Solche Versprechen wecken weltweit Hoffnungen – und Ängste. Die Erwartungen an Biden sind ganz unterschiedlich:
Das Klima zwischen Amerika und der «Alten Welt» hat sich unter Trump abgekühlt. Der Luxemburger Jean Asselborn, dienstältester Aussenminister Europas, sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: «Es wurde in den letzten Jahren nichts Gemeinsames geschaffen, sondern bloss gespalten. Jetzt kommt wieder jemand ins Weisse Haus, mit dem man vernünftig reden kann.»
In Trumps Aussenpolitik habe Europa nur eine Nebenrolle gespielt. Aus der UNO oder der Welthandelsorganisation habe sich die USA praktisch zurückgezogen. «Am dringendsten wäre jetzt, dass sich die USA und Russland auf ein neues nukleares Abrüstungsabkommen einigen», sagt Asselborn.
Vorerst aber heisst es abwarten: Die russische Regierung hat Bidens Wahlsieg noch nicht anerkannt. Und der britische Premier Boris Johnson ist sichtlich enttäuscht. Das schnelle Freihandelsabkommen, das der Trump-Vertraute mit den USA nach dem definitiven Austritt aus der EU abschliessen wollte, dürfte unter Bidens Präsidentschaft in weite ferne rücken.
Biden hat China bereits etliche Male besucht, von Xi Jinping wurde der damalige US-Vizepräsident 2013 gar als «alter Freund» bezeichnet. Bidens Siegesrede wurde in Chinas Sozialen Medien über eine Milliarde Mal angeklickt.
Trotzdem zeigt sich das Reich der Mitte nach Bidens Wahlsieg zurückhaltend. In der chinesischen Staatspresse schimmert aber vorsichtiger Optimismus durch: Mit Trumps «rücksichtsloser Zocker-Mentalität» sei nun Schluss, schreibt die regierungstreue Zeitung «Global Times». Die grösste Hoffnung der Chinesen liegt darin, dass Peking den sogenannten «Phase Eins Deal» mit den USA neu auszuhandeln könnte. Er sieht vor, dass China jährlich zusätzlich US-Güter im Wert von 200 Milliarden Dollar aufkaufen soll, um die Handelsbilanz auszugleichen.
Bislang jedoch hinkt die chinesische Regierung dem Zeitplan deutlich hinterher. Peking sagt, die Importlast sei unrealistisch. Washington könnte im Gegenzug für eine Auflockerung des Handelsabkommens Zugeständnisse auf dem Gebiet der Menschenrechte oder des geistiges Eigentum verlangen.
Biden strebt in der Nahost-Politik einen Kurswechsel an. Zwar lobte er seinen Widersacher Trump dafür, dass er die Friedensabkommen zwischen Israel, den Emiraten, Bahrain und Sudan eingefädelt hat. Von Trumps Iran-Politik des «maximalen Drucks» hält Biden aber wenig. Er ist zu einer Rückkehr zum Atomvertrag bereit, den Obama 2015 ausgehandelt und den Trump 2018 verlassen hatte.
Zudem will Biden die Unterstützung für den saudischen Krieg im Jemen beenden und die Menschenrechte wieder stärker betonen. Für Kronprinz Mohammed bin Salman sind das schlechte Vorzeichen. Trump schützte ihn bislang vor Strafverfolgung wegen der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi.
Im Nachbarland Mexiko reagierten viele euphorisch auf Bidens Sieg. Der Grund dafür: Der Demokrat will die Einwanderungspolitik seines Vorgängers entschärfen. Biden hat im Wahlkampf versprochen, den Kindern von illegal in den USA lebenden Menschen einen Weg zum US-Pass zu eröffnen.
Schweigsam zeigt sich Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. Der Staatschef, der – wie sein amerikanischer Amtskollege – das Coronavirus stets kleingeredet hat, machte nie ein Geheimnis aus seiner Nähe zu Trump.
2018 bezeichnete Donald Trump mehrere afrikanische Staaten als «Dreckslochländer». Und auch sonst hat der Republikaner wenig Verständnis für den komplexen Kontinent gezeigt. Als etwa zwischen Äthiopien, Ägypten und Sudan ein Streit wegen des äthiopischen Mega-Staudamms «Grand Ethiopian Renaissance Dam» ausgebrochen war, schlug Trump seinem äthiopischen Amtskollegen vor, er solle das Jahrhundertprojekt doch einfach «in die Luft sprengen».
Freunde gefunden hatte Trump hingegen innerhalb der wachsenden evangelikalen Kreise in Afrika. In mehreren Ländern wurden Massengebete für seine Wiederwahl veranstaltet. Die Vorstellung, dass Joe Biden die Beziehungen zu Afrika auf komplett neue Beine stellen wird, ist aber falsch.
Zwar drohte er etwa der ägyptischen Führung an, dass die amerikanische Direkthilfe eingestellt werde, wenn das Land seine politischen Gefangenen nicht freilasse. Biden wird aber vorerst mit innenpolitischen Themen (Coronapandemie und Polizeigewalt) ausgelastet sein. Afrika kommt auf der Prioritätenliste – wie so häufig – wohl ganz zuletzt.
Hoffen wir, dass es ihnen in ihren Ländern bald genauso ergeht wie Trump!
Kommt mir vor wie das Coronavirus.
Auf, ab, Auf, ab…