Da war er wieder, der Name von Prinz Andrew. Am dritten Tag des New Yorker Prozesses gegen Ghislaine Maxwell, der langjährigen Vertraute des verstorbenen Sexualverbrechers Jeffrey Epstein, erwähnte eine Maxwell-Anwältin den Duke of York. Während der Einvernahme von «Jane,» einer heute 41 Jahre alten Schauspielerin, die sagt, Epstein und Maxwell hätten sie in den Neunzigerjahren sexuell missbraucht, fragte die Anwältin Laura Menninger: «Sie erinnern sich daran, dass Sie zusammen mit Prinz Andrew in einem Flugzeug waren?» Ja, antwortete «Jane». Auch bestätigte sie, dass Epstein sie einst dem damaligen Geschäftsmann und späteren Präsidenten Donald Trump vorgestellt hatte.
Die Antwort des mutmasslichen Epstein-Opfers ist aus zwei Gründen interessant. Erstens steht sie, zumindest auf den ersten Blick, in Widerspruch zu einer Aussage von Prinz Andrew. Dieser stellt sich seit einigen Jahren auf den Standpunkt, Epstein erst 1999 kennen gelernt zu haben - nachdem er von seiner Bekannten Ghislaine Maxwell dem mysteriösen amerikanischen Geschäftsmann vorgestellt worden sei.
Die Verbrechen, die New Yorks Staatsanwälte der Epstein-Weggefährtin Maxwell im Zusammenhang mit «Jane» vorwirft, betreffen aber bloss den Zeitpunkt 1994 bis 1997. Einer Datenbank der Publikation «Insider» ist zu entnehmen, dass Prinz Andrew von 1996 bis 2007 vier Mal das Privatflugzeug von Epstein benutze. Diese Datenbank beruht auf Flugmanifesten, die sich im Besitz der Aufsichtsbehörde FAA befinden.
Zweitens wirft die Aussage erneut ein Schlaglicht auf die Rolle, die Promis wie Prinz Andrew im Epstein-Skandal spielen. Der Financier, in den Augen einer Maxwell-Anwältin ein «James Bond des 21. Jahrhunderts», umgab sich in den rund 15 Jahren vor seiner ersten Verurteilung im Jahr 2008 mit den Reichen und Schönen dieser Welt.
Zeitgenössische Aufnahme dokumentieren, wie Epstein mit Trump herumwitzelte oder den Ex-Präsident Bill Clinton in seinem Privatjet nach Afrika fliegen liess. Der Microsoft-Gründer Bill Gates soll mit Epstein getafelt haben und der Multi-Millionär Leslie Wexner («Victoria's Secret») gehörte zu seinen Geschäftsfreunden.
Ein ehemaliger Pilot von Epstein, Lawrence Visoski, bestätigte am Dienstag im Zeugenstand, dass er prominente Menschen wie den Duke of York, Trump, Clinton, den Astronauten John Glenn, den Schauspieler Kevin Spacey oder den Musiker Itzhak Perlman um die Welt geflogen habe. Epstein besass von 1995 bis 2019 mehrere Privatjets und zog es vor, mit einer Boeing 727 oder einer Gulfstream G550 nach West Palm Beach (Florida) oder Santa Fe (New Mexico) zu jetten. Für Reisen über den Atlantik allerdings bevorzugte er die schnellere Concorde, sagte sein Pilot.
Visoski erinnerte sich im Zeugenstand auch an «Jane», und erwähnte ihre aussergewöhnlich blauen Augen. Der Pilot betonte allerdings während seiner Aussage, dass er nie Zeuge sexueller Akte geworden sei. Auch habe er in Epsteins Flugzeugen nie etwas gefunden, das auf auf sexuelle Aktivitäten, legalen oder illegalen, hingedeutet hätte.
Und obwohl auch die amerikanischen Strafbehörden bisher öffentlich keine Vorwürfe gegen Prinz Andrew erhoben haben, sind für die britischen Boulevardmedien sämtliche Enthüllungen über den Adeligen ein gefundenes Fressen. Die britische Presse ist am Bundesgericht in New York sehr gut vertreten; sämtliche wichtige Publikationen haben Reporterinnen oder Reporter nach Amerika entsendet.
Und natürlich wurde zum Beginn des Maxwell-Prozesses, während den langen Verhandlungspausen, häufig über Prinz Andrew getratscht. Der Adelige wird beschuldigt, im Jahr 2001 in London ein damals 17 Jahre altes Mädchen vergewaltigt zu haben, das zuvor auch von Epstein sexuell ausgebeutet worden war. (Weitere Missbräuche sollen sich in New York und in der Karibik ereignet haben.) Virginia Giuffre, so heisst die Frau heute, reichte deshalb im Sommer 2021 in New York eine zivilrechtliche Klage gegen Prinz Andrew ein. Dieser weist sämtliche Vorwürfe entschieden zurück.
Die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft der heute 59 Jahre alten Ghislaine Maxwell vor, Epstein jahrelang als Zuhälterin gedient zu haben. Sie bezeichnet sich als «nicht schuldig». Während des Prozesses, der bis nach Weihnachten dauern könnte, werden vier mutmassliche Opfer öffentlich aussagen. Giuffre wird aber, gemäss aktuellem Wissensstand, nicht zu dieser Gruppe gehören.
Bundesrichterin Alison Nathan erlaubt es den missbrauchten Frauen, unter einem Decknamen auszusagen. Als «Jane» am Dienstag gefragt wurde, warum sie anonym bleiben wolle, sagte sie: «Weil ich in Hollywood arbeite» und es im Zentrum der amerikanischen Unterhaltungsindustrie immer noch gängig sei, die Opfer von sexueller Gewalt für die vorgefallenen Taten zu beschuldigen. (saw/ch media)
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Die Strafen werden lächerlich sein für das Lebenslange Leiden, dass sie angerichtet haben.