Vordergründig will man ja keinen Verdacht aufkommen lassen: In Brüssel und den europäischen Hauptstädten ist man gottenfroh, mit US-Präsident Joe Biden wieder einen verlässlichen Partner im Weissen Haus zu haben. Vorbei die Tage unter Vorgänger Donald Trump, wo man sich an den Rande eines Handelskriegs manövrierte.
Hinter den Kulissen aber knarzt es auch unter Biden zunehmend im transatlantischen Verhältnis. Der Ärger hat sich mittlerweile so weit angestaut, dass es spätestens nach den Zwischenwahlen zur Kropfleerete kommen könnte.
Etwa bei den Gaspreisen: Zwar konnte sich Europa dank US-Flüssiggas (LNG) in Rekordtempo mehr oder weniger unabhängig von russischem Pipelinegas machen. Aber: Washington lässt sich diese Lieferungen einiges kosten. Tatsächlich sind die hohen Preise für US-Flüssiggas mit ein Faktor, weshalb in Europa die Energiekosten explodieren. Anstalten, bald einen «Freundschaftsrabatt» für die Verbündeten einzuführen, machen die Amerikaner keine. Dies notabene, während sie zu Hause ihr Gas zu einem tieferen Preis verkaufen. In Brüssel findet man, das sei unfair: Wettbewerb mit gleichlangen Spiessen sei unter diesen Voraussetzungen unterschiedlicher Energiepreise nicht mehr möglich.
Noch schwerer als der Gas-Streit wiegt aber der Ärger über das im August angekündigte Wirtschafts- und Subventionspaket im Umfang von 460 Milliarden Dollar. Dieses sieht Steuererleichterungen und Subventionen für Unternehmen vor, wenn sie sich in Amerika ansiedeln oder ihre Produktion dorthin zurückverlagern. Die EU bekundet Mühe mit dieser Art der Standortpolitik. Biden mache unter dem Slogan «Buy American» («Kaufe amerikanisch») nichts Anderes als die Fortsetzung der protektionistischen «America First»-Agenda von Vorgänger Donald Trump, heisst es.
Vor allem im Bereich der Elektroautos kommt es nun zu einem handfesten Zusammenprall: Biden hat veranlasst, dass sich jeder Amerikaner 7500 Dollar von den Steuern abziehen kann, sofern er ein Elektroauto «Made in USA» kauft. Das geht natürlich zu Lasten der europäischen Autoindustrie, für die die USA ein grosser Absatzmarkt ist.
Bereits gibt es Berichte, wonach der US-Autobauer Tesla den Bau einer Batteriefabrik in Deutschland zu Gunsten einer Verlagerung in die USA überdenken wolle. Am Montag sagte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, er kämpfe um die Investition einer Firma, die in die USA wechseln wolle. Allein in Frankreich seien durch das US-Förderprogramm rund zehn Milliarden Euro und 10’000 Arbeitsplätze in Gefahr. Der Franzose warnte vor einem«Subventionswettlauf» und forderte «eine koordinierte, vereinte und starke Antwort an die USA».
Etwas gemässigter im Ton, aber in der Stossrichtung gleich, äusserte sich der deutsche Finanzminister Christian Lindner: Er sei nicht sicher, ob man in den USA realisiert habe, wie gross die Sorgen in Europa über das Subventionsprogramm sei, so Lindner am Rande eines Ministertreffens in Brüssel. Ohne in eine «wie Du mir, so ich Dir»-Logik zu verfallen, sollte man in Washington aber wissen, dass man in der EU durchaus «handlungsfähig» sei, so der FDP-Minister.
Was mit «handlungsfähig» genau gemeint ist, sagte Lindner nicht. Aber klar ist: Die EU lässt die USA wissen, dass sie bereit ist Gegenmassnahmen zu ergreifen. Das könnte neben einer Klage vor der Welthandelsorganisation WTO auch die Begrenzung von Einfuhren von US-Elektroautos oder Autoteilen sein. Einige Länder sollen hinter verschlossenen Türen bereits gefordert haben, aktiv zu werden. Es wäre die Rückkehr zu einer Entwicklung, die Europa und die USA unter Präsident Donald Trump an den Rand eines Handelskriegs gebracht hat.
Aber noch ist es nicht so weit: Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai verteidigte das milliardenschwere Subventionspaket in einem Interview mit der «Financial Times» vergangene Woche. Gleichzeitig gab sie sich aber auch zuversichtlich, in Gesprächen zu einer gütlichen Lösung zu kommen.
Zudem unterstützen die USA die Ukraine in einem weit grösseren Mass als es Europa tut, obwohl es am Ende auch primär uns zugute kommt und Putin nicht in Versuchung kommt, sich noch mehr osteuropäische Staaten einzuverleiben.
Und auch bei den Autos sehe ich kein Problem. In den USA werden Autos subventioniert, hier die CH-Milch, weil sonst zuviel aus dem Ausland gekauft würde. So what?