«Vor diesen Wahlen hatte ich mich noch nie richtig mit Politik auseinandergesetzt», sagt Caleb De La Torre. Vor vier Jahren habe er «aus Spass» für Sänger Kanye West gestimmt. «Ich war jung, und es interessierte mich wirklich nicht», so der 23-Jährige. Das war dieses Jahr anders. Er habe den Wahlkampf monatelang verfolgt. «Dass sie Trump ständig mit Hitler vergleichen, finde ich eine Beleidigung für all jene, die unter richtigem Faschismus gelitten haben», sagt er. Auch wegen solcher Aussagen «radikaler Linker» hätten er und einige seiner Freunde zum ersten Mal Donald Trump gewählt.
Laut Nachwahlbefragungen hat der nun designierte republikanische Präsident bei jungen Männern besonders gut abgeschnitten. Zwar haben 18- bis 24-Jährige insgesamt mehr für Kamala Harris gestimmt. Teilt man die Zahl nach Geschlecht auf, zeigt sich jedoch: Junge Männer bevorzugen Trump. Das gilt im Übrigen auch für Männer aller Altersgruppen. 55 Prozent der US-Männer stimmten für den Ex-Präsidenten und nur 42 Prozent für die amtierende Vizepräsidentin.
Harris' Team war das bewusst. Mit einer ausgefeilten Social-Media-Strategie, männlichen Stars wie Eminem oder Barack Obama und ihrem Vize-Kandidaten Tim Walz, ein ehemaliger Football-Coach, versuchten die Demokraten, Nähe zu dieser Wählergruppe zu schaffen – vergeblich.
Trump wählte einen anderen Weg. Er trat bei Podcasts auf, etwa bei dem von Joe Rogan, der bei jungen Männern sehr gut ankommt. Auch zeigte der Ex-Präsident immer wieder Begeisterung für Themen wie Kryptowährungen und Kampfsport. Hinzu kommt, dass sich die wirtschaftliche Situation vieler Männer während Trumps erster Amtszeit – die Pandemie ausgeklammert – verbessert hatte. Spätestens aber nach seinem Auftritt im Anschluss an das Attentat in Butler, Pennsylvania, sahen ihn viele junge Männer vor allem auch als tough.
Das alles beeindruckte vor allem Latino-Männer. Und die fallen ins Gewicht: Gut 30 Millionen leben in den USA – laut Nachwahlbefragungen sicherte sich Donald Trump dieses Jahr mit 47 Prozent fast die Hälfte von ihnen. Das sind 25 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2020, als Joe Biden der demokratische Kandidat war.
Caleb De La Torre traut Trump einiges zu. «Putin hat gleich nach der Wahl gesagt, er sei bereit für Gespräche, das ist verrückt», sagt er. Auch Trumps Plan, Robert Kennedy Junior mit der Gesundheitspolitik zu betrauen, findet der Texaner gut. «Wir Amerikaner wissen, dass unser Essen mit vielen Pestiziden und Zusatzstoffen vergiftet ist.» Kennedy, ein Anwalt für Umweltrecht, ist der Meinung, Pharmaunternehmen und ihre Regulierungsbehörden seien darauf aus, die USA weniger gesund zu machen. Ihnen hat «RFK», wie er genannt wird, den Kampf angesagt.
Ein richtiger Trump-Fan sei er aber nicht, sagt De La Torre. Vielmehr habe er sich überlegt, wer dem Land besser helfen könne. «Würde er zum Beispiel sagen, wir marschieren in den Iran ein, wäre ich dagegen.» Als erste Amtshandlung wünscht sich der junge Mann von seinem neuen Präsidenten, den Krieg in der Ukraine zu beenden.
Von Kamala Harris hält er nicht viel. «Ich glaube, sie ist eine Marionette», so der Kellner. Sein grösstes Problem mit ihr sieht er aber darin, dass die Demokratin nie zur Präsidentschaftskandidatin gewählt wurde. «Das halte ich für die wahre Gefahr für die Demokratie», so De La Torre. Diese Gefahr sprechen Demokraten regelmässig Donald Trump zu.
Leute, die für Harris gestimmt haben, hält er nicht für böse. «Ich respektiere die Wahl von allen.» Nur mit einem bestimmten Wahlverhalten habe er ein Problem: «Menschen, die nur wegen eines Themas für oder gegen einen Kandidaten gestimmt haben, halte ich für dumm.»
De La Torres Vater und seine Grosseltern sind in den 1980er-Jahren aus dem mexikanischen Monterrey über die Grenze in die USA gekommen – illegal. Sein Grossvater sei mittlerweile ein US-Staatsbürger. Sein Vater und seine Grossmutter nicht.
Angst davor, dass seine Familie abgeschoben werden könnte, habe er trotz des Wahlversprechens Trumps, die grösste Massenausschaffung der US-Geschichte durchzuführen, eigentlich nicht. «Die Leute haben darauf völlig überreagiert», sagt er. Er glaubt nicht, dass Trump das durchzieht. «Wenn er meinen Vater doch abschiebt, gebe ich gerne zu, dass ich falsch lag», so De La Torre. (aargauerzeitung.ch)
Ergebnis 2024:
Kamala Harris: 69'043'761 votes
Donald J. Trump: 73'361'410 votes
Ergebnis 2020:
Joe Biden: 81'284'666 votes
Donald J. Trump: 74'224'319 votes
Könnte es auch einen Einfluss gehabt haben, wer und warum nicht gewählt hat?