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Bernie Sanders: Das linke Schreckgespenst

Bernie Sanders: Das linke Schreckgespenst

Kurz vor dem Beginn der Vorwahlen bei den US-Demokraten wird Bernie Sanders immer stärker. Das hat viel mit der Aussenpolitik zu tun.
14.01.2020, 04:2614.01.2020, 04:45
Renzo Ruf aus Washington / aargauer zeitung
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Drei Wochen vor Beginn der demokratischen Vorwahlen geht Bernie Sanders auf Konfrontationskurs: Der linke Senator aus dem kleinen Bundesstaat Vermont grenzt sich vor dem Hintergrund der Iran-Krise scharf vom aussenpolitischen Programm seiner Kontrahenten ab.

Democratic presidential candidate U.S. Sen. Bernie Sanders, I-Vt., speaks during his Bernie's Big New Year's Bash, Tuesday, Dec. 31, 2019, in Des Moines, Iowa. (AP Photo/Charlie Neibergall)
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Bernie Sanders ist auf Erfolgskurs.Bild: AP

So attackierte der Sanders-Chefstratege Jeff Weaver am Wochenende den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden in einer schriftlichen Stellungnahme. Weaver beschuldigte Biden, der in den nationalen Meinungsumfragen immer noch an der Spitze des Feldes der Präsidentschaftskandidaten der Demokraten steht, die Unwahrheit über seine Unterstützung des Irak-Krieges im Jahr 2003 zu sagen. Im Gegensatz zu Biden, sagte Weaver, habe sich Bernie Sanders von Beginn weg energisch gegen die Invasion des Iraks ausgesprochen.

Biden, der zum Zeitpunkt des Feldzuges gegen den damaligen Diktator Saddam Hussein im Senat politisierte, hatte in den vergangenen Tagen ernsthaft behauptet, er habe die Invasion des Iraks «von Anfang an» kritisiert – obwohl klar dokumentiert ist, dass Biden den Sturz Husseins erst im Jahr 2005 «einen Fehler» nannte.

Sanders in Iowa an der Spitze

Der Zeitpunkt für diese Attacke von Sanders war nicht zufällig gewählt. Nach der Tötung des iranischen Generals Qassem Soleimani durch eine amerikanische Drohne und dem anschliessenden Vergeltungsschlag des Regimes in Teheran gegen amerikanische Stützpunkte im Irak, dominieren sicherheitspolitische Themen den Diskurs in Washington. Sanders kritisierte die Tötung Soleimanis in scharfen Worten und sprach – im Gegensatz zu seinen Kontrahenten – von einem «Mordanschlag».

Hinzu kommt: Die erste Vorwahl findet am 3. Februar im Bundesstaat Iowa statt, dessen demokratische Wählerinnen und Wähler als besonders friedliebend gelten und einer kraftstrotzenden Aussenpolitik, wie sie Biden jahrelang vertrat, skeptisch gegenüberstehen. Auch deshalb lieferte er sich vor vier Jahren in Iowa, als er sich mit einem prononciert linken Programm erstmals um die Nomination zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten bewarb, ein hartes Duell mit seiner damaligen Kontrahentin Hillary Clinton, das mit einem eigentlichen Patt endete.

«Ich bekenne mich schuldig, während meines gesamten Erwachsenenlebens alles getan zu haben, um Krieg und Zerstörung zu verhindern.»

Diese Liebe für Sanders ist nicht abgekühlt: Gemäss einer aktuellen Umfrage der renommierten «Iowa Poll» der Meinungsforscherin Ann Selzer steht er mit einer Zustimmung von 20 Prozent der Wähler an der Spitze des demokratischen Feldes.

Der 78-jährige Sanders – der sich der Demokratischen Partei nur deshalb anschloss, damit er an den Vorwahlen teilnehmen kann – vertritt buchstäblich seit Jahrzehnten aussenpolitische Positionen, die quer zum Konsens in Washington stehen. So lud er zu Beginn der 1980er-Jare, als frischgebackener Stadtpräsident von Burlington (Vermont), die französische First Lady Danielle Mitterrand zu einem Besuch nach Amerika ein. Mitterrands Gatte François war zwei Monate nach der Wahl Sanders im März 1981 zum Präsidenten Frankreichs gewählt worden. Auch reiste Sanders im Jahr 1985 nach Nicaragua, um sich dort mit dem umstrittenen Präsidenten Daniel Ortega zu treffen. Später fand er lobende Worte für sozialistische Politiker in Zentral- und Südamerika, die es mit den demokratischen Spielregeln nicht sehr genau nahmen: So weigerte sich Sanders lange, auf Distanz zu Nicolás Maduro, dem autokratischen Herrscher Venezuelas, zu gehen. Auch sagte er, dass die Bilanz des abgesetzten Präsidenten Boliviens, Evo Morales, «recht gut» gewesen sei.

«Krieg und Zerstörung verhindern»

Kritik an seinen aussenpolitischen Positionsbezügen findet Bernie Sanders nicht angebracht. Er verweist gemeinhin darauf, dass er sich von Beginn weg gegen die zwei grössten aussenpolitischen Fehltritte Amerikas ausgesprochen und sowohl den Vietnam-Krieg in den 1960er-Jahren als auch die Irak-Invasion im Jahr 2003 abgelehnt habe. «Ich bekenne mich schuldig, während meines gesamten Erwachsenenlebens alles getan zu haben, um Krieg und Zerstörung zu verhindern», sagte Sanders im vorigen Jahr im Gespräch mit der «New York Times».

Nach den Terrorattacken am 11. September 2001 unterstützte Sanders, damals Mitglied des Repräsentantenhauses, allerdings den Vergeltungsschlag der Regierung von Präsident George W. Bush in Afghanistan.

Angesichts der kantigen Thesen, die Sanders vertritt, geht allerdings manchmal auch vergessen, dass der Mann aus Vermont ein Berufspolitiker ist, der seit vier Jahrzehnten Koalitionen zimmert, um immer wiedergewählt zu werden. Aktuelles Beispiel dafür ist ein Gesetzesentwurf, gemäss dem es Präsident Donald Trump nicht erlaubt wäre, iranische Stellungen anzugreifen, ohne zuvor das Parlament in Washington um Zustimmung zu bitten. Mitverfasser dieses Vorstosses: Mike Lee, ein staatskritischer Senator aus dem stramm republikanischen Bundesstaat Utah.

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Bernie Sanders, Senator aus Vermont, Jahrgang 1941. Sanders ist zwar ein unabhängiger Senator, aber Mitglied der demokratischen Fraktion.
quelle: epa/epa / tannen maury
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So schimpft Bernie Sanders über Donald Trump
Video: srf
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26 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Cpt. Jeppesen
14.01.2020 06:53registriert Juni 2018
Die Frage die bleibt ist, wird Sanders diesmal vom DNC nominiert werden oder läuft es wieder ab wie in 2015, als die Super-Delegierten des DNC die Mehrheit übergangen haben und Hillary nominierten. Das als linksliberal bezeichnete MSNBC jedenfalls hat Mühe damit, dass Sanders in den Polls so gut abschneidet, sie hätten wohl lieber Biden oder Buttigieg. Wurde Sanders in den letzten Monaten noch belächelt oder ignoriert, wird nun die Sozialisten-Keule ausgepackt und Angst geschürt. Als ob freie medizinische Versorgung, freie Bildung und gerechte Besteuerung der Untergang der Welt wären.
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Birdie
14.01.2020 05:22registriert November 2016
Bernie for President! Langsam wird mein Watson Profilbild wieder aktuell :D

Bin die nächsten Monate in Kalifornien und hoffe er kommt mal zu uns an die Uni um eine Rede zu geben :)
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winglet55
14.01.2020 05:25registriert März 2016
Opportunisten, allesamt.
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