Donald Trump übertrieb nicht einmal. «Ihr werdet gleich Zeuge eines historischen Ereignisses», sagte er am späten Montagabend auf dem Rasen vor dem Weissen Haus. Wenige Minuten später schaute der US-Präsident stolz zu, wie die von ihm nominierte Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett den Amtseid ablegte.
In Rekordzeit haben Trump und seine verbündeten Republikaner die folgenreiche Personalie durch den Senat geschleust, acht Tage vor der Präsidentschaftswahl meldeten sie Vollzug.
Trump hat damit drei Richter an den Supreme Court gebracht. Das gab es in der jüngeren US-Geschichte noch nicht. Es sind drei äusserste junge Richter, die auf Lebenszeit ernannt wurden. Coney Barrett ist 48 Jahre jung.
Künftig sitzen sechs konservative Verfassungsrichter drei liberalen gegenüber. Mit anderen Worten: Trump hat wohl auf Jahrzehnte eine klare konservative Mehrheit am so mächtigen Verfassungsgericht verankert. Das ist schon jetzt das bleibende Erbe seiner turbulenten Präsidentschaft.
Auf allen Bundesebenen hat Trump konservative Richter an den Gerichten platziert. Besonders folgenreich ist die neue klare Schlagseite am Supreme Court: Die Mehrheit dort könnte Grundsatzentscheidungen über die Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung und Waffenbesitz für die amerikanische Gesellschaft prägen – Trumps religiöse Stammwähler träumen genau davon, das liberale Amerika fürchtet nichts mehr als das.
Die Katholikin Barrett, siebenfache Mutter und strikte Abtreibungsgegnerin, ersetzt die Ikone der linken Amerikaner, Richterin Ruth Bader Ginsburg , die im September im Alter von 87 Jahren verstorben war. Ginsburgs letzter überlieferte Wunsch erfüllte sich nicht. Sie hoffte, «dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident gewählt wird.»
Eine Woche vor der Präsidentschaftswahl haben Trump und die Republikaner nun Fakten geschaffen. 2016 noch sprachen sie Barack Obama das Recht ab, im letzten Jahr seiner Amtszeit einen Richterposten nachzubesetzen. Bei Parteifreund Trump galten andere Massstäbe.
Schon in den kommenden Wochen kann sich die neue Mehrheit in Urteilen manifestieren. Es steht ein Urteil über die Krankenversicherung Obamacare an, die Trump auf gerichtlichem Wege abschaffen will, nachdem er es im Parlament nicht geschafft hat. Millionen Amerikaner könnten ihre Absicherung verlieren.
Auch über die anstehende Präsidentschaftswahl könnte der Supreme Court mit Barrett Entscheidungen mit erheblichen Folgen treffen. Trump und seine Verbündeten klagen gegen Aspekte der Briefwahl, die so umfangreich wie noch nie genutzt wird - vor allem noch Demokraten. Der parteipolitische Streitfälle landen schon jetzt vor dem Supreme Court.
Und sollte es am Wahlabend kein klares Ergebnis geben, während in mehreren Staaten noch tagelang Briefwahlstimmen ausgezählt werden, könnte der Supreme Court womöglich gar direkt über den Ausgang der Wahl entscheiden. Drei der neun darüber befassenden Richter sind von Trump selbst ernannt.
Die Entscheidung für Barrett fiel zwei Stunden vor dem abendlichen Auftritt am Weissen Haus mit einfacher Mehrheit im Senat – nur eine Republikanerin stimmte gegen Barrett. Diese Stimmenmehrheit der «Grand Old Party» steht bei der Wahl im November auf der Kippe. Die Demokraten haben gute Chancen, ihrerseits eine knappe Mehrheit in der Parlamentskammer zu erzielen.
Holen die Demokraten tatsächlich den Senat, während ihr Kandidat Joe Biden die Präsidentschaftswahl gewinnt, wird der Druck auf den 77-Jährigen steigen, die Zahl der Richter am Obersten Gericht aufzustocken – und so das Übergewicht der Rechten zu kippen. Bislang wich Biden dem Thema aus. Es wäre eine Verletzung der Normen, zu der er nicht neigt.
Laut den Umfragen ist ein solcher Doppelsieg wahrscheinlich. In der politischen Stimmung liegt Biden eine Woche vor der Wahl weiter klar vor Trump. Der Präsident feierte am Montagabend auf dem Südrasen des Weissen Hauses zwar einen Triumph, es könnte allerdings sein letzter sein.
Und die Leute welche an meisten darunter leiden, sind ausgerechnet deren grösste Wähler Gruppe.