Selbst seine New Yorker Freunde finden: Eric Adams ist schwer fassbar, ein unberechenbarer Mann. «Das wird ein äusserst interessantes Experiment für uns werden, wenn wir ihn als Stadtpräsident haben», sagte kürzlich ein ehemaliger New Yorker Gouverneur über den Demokraten, der ab dem 1. Januar die grösste Stadt Amerikas regieren wird.
Eric Adams will sich nicht in eine Schablone pressen lassen. Er ist ein langjähriger Polizist, der bereits während seiner Dienstzeit den Arbeitgeber NYPD (New York Police Department) hart anging und sich öffentlich über Rassismus und übermässige Gewalt in den Reihen der Stadtpolizei beschwerte. Er ist ein Lokalpolitiker, der gerne um die Welt jettet. Seine Sommerferien beispielsweise verbrachte der 61-Jährige an der Côte d’Azur – nicht gerade ein typisches Reiseziel für einen Demokraten aus Brooklyn.
Und Adams ist ein Populist der alten Schule, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, der sich für Normalsterbliche stark macht, aber auch mit Milliardären zu Abend isst und schicken Nachtklubs einen Besuch abstattet. Dabei achtet er strikt auf seine Diät, ist der Afroamerikaner doch seit einigen Jahren ein Veganer. Dabei schlägt Adams bisweilen einen esoterischen Ton an. So sagte er 2019:
Kurz: Adams ist eine politische Persönlichkeit, wie es sie wohl nur in New York City geben kann, der lautesten und chaotischsten amerikanischen Metropole. Er verkörpert einen Neuanfang nach der Regierungszeit von Stadtpräsident Bill de Blasio, der vor acht Jahren als linker Hoffnungsträger angetreten war, spätestens aber in der Corona-Krise komplett aus dem Tritt geriet.
Dass auch Verbündete nicht so recht wissen, wo sich Adams eigentlich politisch verortet, spielt keine allzu grosse Rolle. Vorwürfe perlen vom künftigen Stadtpräsidenten ab. So verlief vor einigen Monaten eine Debatte über die Frage im Sand, ob Adams denn überhaupt in New York City wohne. Adams hatte die Krise entschärft, indem er Journalistinnen und Journalisten in seine angebliche Wohnung im Quartier Bedford-Stuyvesant im Stadtteil Brooklyn einlud.
Here’s @ericadamsfornyc subterranean bedroom at his Bed-Stuy home. He invited the press to tour the unit after an article suggested he lives in NJ pic.twitter.com/FkU63pdGhN
— Julia Marsh (@juliakmarsh) June 9, 2021
Er teile sein Appartement mit seinem Sohn Jordan, sagte Adams im Juni, als Erklärung für die gewöhnungsbedürftige Inneneinrichtung und den muffigen Geruch im Keller-Schlafzimmer. Und eigentlich übernachte er ja viel lieber im Büro an seinem aktuellen Arbeitsort, in der Brooklyn Borough Hall. (Adams ist seit 2014 «Borough President» von Brooklyn, ein weitgehend zeremonielles Amt, für das er mit einem Salär von etwa 180'000 Dollar entschädigt wird.)
Diese seltsame Sitte will Adams beibehalten, wenn er zu Jahresbeginn sein neues Amt antritt. «Werde wohl ein kleines Feldbett dort haben», sagte er kürzlich im Gespräch mit der Tageszeitung «New York Times», damit er am Morgen in seinem Büro in der City Hall «direkt zur Arbeit springen» könne. Denn Adams, der sich gemäss Auskunft von Freunden seit 30 Jahren auf den Bürgermeister-Posten vorbereitet hat, ist sich bewusst, dass er nicht viel Zeit haben wird, die Probleme zu lösen, mit denen sich die Stadt konfrontiert sieht.
Die Top-Sorge der mehr als 8 Millionen Menschen, die in New York City wohnen, ist die zunehmende Kriminalität, die sich negativ auf die Lebensqualität auswirkt. So ist die Zahl der Vergewaltigungen (plus 3 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode), Überfälle (plus 1 Prozent) und Tätlichkeiten (plus 8 Prozent) im laufenden Jahr stark angestiegen. Hingegen verzeichnete die Stadtpolizei in den ersten zehn Monaten des Jahres 2021 weniger Mordfälle als im Jahr zuvor.
Adams hat ein gespaltenes Verhältnis zum NYPD. Zum einen erzählt er gerne die Anekdote, wie er und sein Bruder als Teenager von Stadtpolizisten verhaftet und verprügelt worden seien. Zum andern streicht er gerne die guten Beziehungen mit Ordnungshütern heraus, die er auch 15 Jahre, nachdem er seine blaue Uniform an den Nagel hängte, immer noch pflegt.
Auf diese guten Beziehungen wird er angewiesen sein, will er Ruhe in ein stark verunsichertes und aufgewühltes Korps bringen, das gegen 36'000 Polizistinnen und Polizisten beschäftigt. So drohen Hunderte von Ordnungshüter, Feuerwehrleute, Sanitäter und andere städtische Angestellte mit einem Jobwechsel, aus Protest über den Impfzwang, den Stadtpräsident de Blasio verhängt hat. Adams verteidigte diese Entscheidung zwar. Er sagte während einer TV-Debatte über die Covid-Impfung aber auch: «Ich hätte es anders angepackt.» (aargauerzeitung.ch)
Da hat er recht. Heute spricht man von Quanten und Einstein 🤣