Es vergeht derzeit kaum eine Nacht, ohne dass Donald Trump die Welt mit einer neuen spektakulären oder kontroversen Aussage aufrüttelt. Auch die Nacht auf Mittwoch (Schweizer Zeit) macht da keine Ausnahme – im Gegenteil.
Der US-Präsident hat nämlich in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu angekündigt, dass die USA die Kontrolle über den Gazastreifen übernehmen werden.
Was genau Trump gesagt hat, wie die Reaktionen aus aller Welt – insbesondere der arabischen – ausfallen und was er womöglich wirklich mit Gaza vorhat:
Seit Tagen ist Israels Premierminister Netanjahu in den USA unterwegs, zum Abschluss seiner Reise hat er nun die mit Spannung erwartete Medienkonferenz mit US-Präsident Donald Trump gegeben. Dabei hat Trump über seine Pläne für den Gazastreifen gesprochen:
«Wir werden ihn besitzen», betonte Donald Trump und meinte mit «ihn» den Gazastreifen. Er schloss nicht aus, zur Absicherung dieser Pläne im Zweifel auch US-Truppen dorthin zu schicken.
Die zwei Millionen Palästinenser, die im arg gebeutelten Kriegsgebiet leben, sollen laut Trump – wie er vergangene Woche schon angeschnitten hat – künftig in anderen arabischen Staaten in der Region leben.
Denn Trump hat für Gaza andere Pläne, als den Wiederaufbau und die Wiederherstellung des durch den Krieg der Hamas mit Israel grossteils zerstörten Gebiets – eigene Pläne. Laut dem US-Präsidenten hat Gaza grosses Potenzial für Immobilieninvestitionen. Trump:
Unter Verwendung seines üblichen überschwänglichen Vokabulars ergänzte er, dass das Ganze «einfach phänomenal» und «grossartig» werden könne – und auch «für die Palästinenser wunderbar».
Man werde sich darum kümmern, «alle gefährlichen, nicht explodierten Bomben und andere Waffen auf dem Gelände zu beseitigen» und es «einebnen», um es dann wieder aufzubauen, führte Trump aus. Auf diese Weise sollten «eine unbegrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen und Wohnraum für die Menschen in diesem Gebiet» geschaffen werden.
Auf eine Reporter-Frage antwortete Trump, dass er für die Palästinenser ein «schönes, frisches Stück Land» finden wolle. Sie hätten schliesslich in Gaza nur Schlechtes, Zerstörung und Tod, erlebt. Weshalb sie überhaupt zurückgehen wollten, fragte Trump rhetorisch. Eine Reporterin rief dazwischen:
Trump ignorierte den Einwurf.
DOOCY: Would Palestinians have the right to return to Gaza if they left during the rebuilding?
— Aaron Rupar (@atrupar) February 4, 2025
TRUMP: It would be my hope that we could do something really nice, really good, where they wouldn't want to return
(A reporter can be heard yelling, "It's their home, sir!") pic.twitter.com/NkYVY14Qe3
Trump bemühte sich, es so darzustellen, als sorge er sich allein um das Wohlbefinden der Palästinenser. Er beschreibt das Küstengebiet als schlicht unbewohnbar. Alles dort sei zerstört. «Es ist unsicher, es ist unhygienisch. Es ist kein Ort, an dem Menschen leben wollen.» Alles gleiche einem «Abrissgebiet», sagte er.
Der Gazastreifen sei nach gut 15 Monaten Krieg ein «elendes Loch». Trump bezeichnet die Pläne als Umsiedlung, aus anderer – palästinensischer – Perspektive dürfte aber die Bezeichnung «Vertreibung» wesentlich passender sein.
Trumps Pläne waren offensichtlich mit Benjamin Netanjahu abgesprochen. Der israelische Premier begrüsst die US-Vision, wie er an der Medienkonferenz bekräftigte.
«Er sieht eine andere Zukunft für dieses Stück Land, das der Ursprung von so viel Terrorismus war», sagte Netanjahu bei dem gemeinsamen Auftritt mit Trump.
Netanjahu schwärmte generell über Trumps Abkehr von «konventionellen Denkweisen» und dessen «frische Ideen».
Mit Trumps Plänen und der Aussage, dass Menschen aus aller Welt in Gaza leben könnten, spielt der US-Präsident der in Teilen rechtsextremen Regierung Israels in die Karten. Diese unterstützen die radikalen israelischen Siedler und wollen das gesamte Gebiet im Nahen Osten Israel einverleiben.
Für Netanjahu, der wegen der Kriegsführung im Gazastreifen international stark in die Kritik geriet, ist Trumps Rückkehr ein Segen. Der Republikaner empfing ihn als ersten ausländischen Gast seit seinem Amtsantritt. Eine solche Einladung direkt zu Beginn der Amtszeit ist eine starke Geste der Unterstützung für den rechten Ministerpräsidenten, der auf nationaler und internationaler Ebene in den vergangenen Monaten sehr in Bedrängnis geraten ist.
Während Trump Reporter-Fragen beantwortete und seine Perspektive rechtfertigte, sass oder stand Netanjahu jeweils neben dem US-Präsidenten. Stellenweise konnte er seine offensichtliche Begeisterung für die US-Pläne nicht verbergen und verfiel ob Trumps Aussagen in ein breites Grinsen.
Weniger Begeisterung – und das ist eine krasse Untertreibung – riefen die US-Pläne in Gaza selber hervor.
Viele Menschen im Gazastreifen reagierten wütend auf Trumps Ansinnen, sie von dort zu vertreiben. Abdel Aziz Hana, ein Palästinenser aus Gaza, sagte: «15 Monate lang habe ich die Bombardierungen und Zerstörungen in Gaza-Stadt ertragen.» Er habe Dutzende Verwandte und geliebte Menschen verloren, weil sie den Gazastreifen nicht hätten verlassen dürfen, erzählte der 49-jährige Vater von sieben Kindern, der in einem Zelt neben den Trümmern seines Hauses lebt.
Ein anderer Einwohner namens Abu Mahmoud sagte, wenn Trump glaube, dass die Palästinenser ihr Land verliessen, dann habe er Wahnvorstellungen. «Sie müssen uns erst umbringen», sagte er, «weder unsere Füsse noch unsere Herzen werden Gaza verlassen, selbst wenn wir darin getötet werden». Die Wut dieser Männer war schon gross, bevor Trump seine Idee weitertrieb und Gaza öffentlich quasi als Badeort der Zukunft anpries. Nun dürfte sie noch wachsen.
Die islamistische Hamas, die 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen übernommen hatte, warf Trump «Rassismus» vor und einen unverhohlenen Versuch, den Palästinensern ihre unveräusserlichen nationalen Rechte zu verweigern.
Die Idee einer Zwangsumsiedlung der Palästinenser sorgte auch bereits vor der denkwürdigen Pressekonferenz für viel Empörung. Jordanien und Ägypten lehnten den Vorstoss ab, weil sie ihn als Ende der langen Bemühungen um einen Palästinenserstaat betrachten.
Zudem befürchten die Nachbarländer, dass die Palästinenser, wie nun von Trump konkret beabsichtigt, nie mehr nach Gaza zurückkehren würden und sie sich auf einen Schlag um Hunderttausende Menschen kümmern müssten. Auch befürchten die beiden Ländern im Falle einer solchen Blitz-Migration eine Destabilisierung im eigenen Land.
Auch Saudi-Arabien reagierte kritisch auf die Aussagen Trumps und Netanjahus. Das Land macht die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates weiterhin zur Voraussetzung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel. Ob es zur Gründung eines palästinensischen Staates kommen kann, wenn Gazas Einwohner ihre Heimat verlassen sollen, scheint fraglich.
Das saudische Königshaus strebe die Schaffung eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt und das Ende der israelischen Besatzung an, hiess es in einer Stellungnahme des Aussenministeriums in Riad.
Damit wies die saudi-arabische Regierung die jüngste Darstellung von US-Präsident Donald Trump zurück, der beim Treffen mit Netanjahu in Washington eine Journalisten-Frage mit den Worten beantwortet hatte, Saudi-Arabien verlange keinen palästinensischen Staat.
Trump und Netanjahu arbeiten nach eigener Darstellung an einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien. Eine solche Annäherung hatte sich schon im Sommer 2023 angebahnt. Beendet wurden die Bemühungen kurz darauf durch den Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023, der den Gaza-Krieg mit Zehntausenden Toten und Verletzten auslöste.
Netanjahu und Trump bekräftigten an der Medienkonferenz nun erneut, dass sie einen Frieden Israels mit Saudi-Arabien für möglich halten – die jüngsten Pläne Trumps für Gaza dürften diesen nicht unbedingt vereinfachen.
Dass es Trump mit seiner Gaza-Vision nicht nur um das Wohlbefinden der Einwohner geht, ist für viele Beobachter offensichtlich.
CNN berichtete unter anderem über eine Äusserung von Trumps Schwiegersohne Jared Kushner, der das Küstengebiet des Gazastreifens vor einem Jahr als «sehr wertvoll» bezeichnete. Der Ehemann Ivanka Trumps schlug vor, palästinensische Zivilisten vorübergehend umzusiedeln, um dort «aufzuräumen».
Kushner war während Trumps erster Amtszeit dessen Nahost-Berater und knüpfte enge Bünde zu wichtigen Akteuren in der Region. Kritiker weisen darauf hin, dass Kushner, der in der Immobilienbranche tätig ist, wirtschaftliche Ambitionen im Nahen Osten hat – und zugleich weiter eine einflussreiche Stimme in Trumps Umfeld ist.
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.
Annexion war von Anfang an das Ziel, so wie es in allen anderen Gebieten rundherum mit den Siedlern auch ist.