Es ist passiert: Joe Biden zieht sich aus dem US-Wahlkampf zurück. Auf X erklärt er: «Ich glaube, es ist das Beste für meine Partei und für die USA, wenn ich von meiner Kandidatur zurücktrete und mich für die verbleibende Amtszeit auf meine Verantwortung als US-Präsident konzentriere.»
Nach einer schlechten Performance beim ersten TV-Duell und Fragen rund um den gesundheitlichen Zustand des US-Präsidenten wurden bereits vor Monaten Rufe nach seinem Rücktritt laut.
Nun liegt es an der Parteiführung, eine Alternative zu Biden zu präsentieren und am Parteitag im August zu bestätigen. Diese möglichen Sprengkandidaten gibt es.
Gavin Newsom (56) ist demokratischer Gouverneur von Kalifornien. Dem auffallenden Medienstar wurde schon seit Monaten nachgesagt, einen Schattenwahlkampf zu führen. Unter anderem schaltete er landesweit eine Wahlkampfkampagne, sammelte Spenden, traf sich mit amtierenden Regierungschefs und führte Wahlkampfduelle, ohne selbst offiziell als Kandidat zur Verfügung gestanden zu haben.
Newsom gilt für viele als Vertreter einer neuen Generation. Er weiss, wie ein richtiger Auftritt funktioniert: Er ist erprobt vor der Kamera, drückt sich eloquent aus und war früher ein erfolgreicher Baseball-Spieler. Auch hat er politische Strahlkraft. Er war sieben Jahre lang Bürgermeister von San Francisco. Zudem provoziert er immer gerne mit seiner links-grünen Agenda, die nur leicht gemässigter ist als jene von Bernie Sanders. Im Vergleich zu Biden steht er aber deutlich mehr links. Newsom klagte bereits gegen Ölfirmen wegen ihrer angeblichen Mitschuld an der Erderwärmung, er steht ein für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, für eine Krankenversicherung für alle, für die gleichgeschlechtliche Ehe und strengere Waffengesetze.
Doch Newsoms Privatleben könnte ihm zum Verhängnis werden. Oft stand er deswegen in den Schlagzeilen. So hatte er 2007 öffentlich erklärt, ein Problem mit Alkohol gehabt zu haben. Zudem leidet er an Dyslexie, er hat also eine ausgeprägte Leseschwäche. Einen Roman habe er noch nie fertig gelesen. Und Newsom stand auch wegen einer Affäre bereits im Fokus: So hatte er einmal eine Liaison mit der Frau seines Wahlkampfmanagers. Doch trotz seiner Erfolgsaussichten denken Politexperten, dass Newsom erst 2028 antreten würde und die nächsten vier Jahre Kamala Harris den Vortritt lassen würde.
Kamala Harris (59) ist die amtierende Vizepräsidentin und wäre somit die natürliche Nachfolge von Joe Biden. Tatsächlich steht für Biden nach dem Rücktritt fest, dass sie in seine Fussstapfen treten soll. Doch Harris fällt immer wieder mit schlechten Umfragewerten auf. Es gab vermutlich wenige Vizepräsidenten, die so unbeliebt waren wie sie. In einem Interview mit dem «Wall Street Journal» liess Harris aber bereits einmal durchblicken, dass sie sich im Falle der Fälle für das Amt befähigt sehe. «Daran gibt es keinen Zweifel», sagte sie.
Die Tochter eines Stanford-Ökonomen und einer indischstämmigen Brustkrebsforscherin galt bei der Einsetzung als Vizepräsidentin als Aushängeschild für eine Politik für Frauen, für Minderheiten und für Schwarze. Doch ihr Leistungsausweis vier Jahre später ist relativ dünn. Aufgefallen ist sie in den letzten Monaten lediglich durch ihren Protest gegen die Amtsenthebung von zwei schwarzen Demokraten in Tennessee und durch ihren Einsatz gegen das Verbot von Abtreibungen.
Harris' Ruf leidet aber bereits seit ihrer Amtseinführung. Schon ein halbes Jahr später kündigten wichtige Mitarbeiterinnen der Vizepräsidentin. Früh machten Berichte die Runde, die ihren Führungsstil als «schlecht organisiert, ohne Fokus und wütend» bezeichneten. Auch bei Joe Biden hat sie einen schweren Stand: Eigentlich hat er sie beauftragt, eine Reform durchzubringen, die Minderheiten in konservativen Staaten den Zugang zu Wahlen garantieren sollte. Harris jedoch beschwerte sich über diese Aufgabe und zeigte nur mässig Begeisterung.
Gretchen Whitmer (52) ist seit 2018 Gouverneurin von Michigan und ein aufstrebender Stern am Himmel der Demokratischen Partei. Sie stand 2020 auch im Rennen um die Vizepräsidentschaft bei Joe Biden. In Michigan erzielte sie einige Erfolge, so konnte sie nach ihrer ersten Legislatur den Wähleranteil der Demokraten so stark ausbauen, dass die Partei zum ersten Mal seit 40 Jahren die Kontrolle sowohl über das Repräsentantenhaus als auch über den Senat gewann.
Whitmer hat in ihrer Amtszeit in ihrem Bundesstaat einige Gesetze und Reformen durchgebracht – wie eine neue Waffenkontrolle und der Ausbau der erneuerbaren Energien –, und sie setzt sich auch für ein kostenloses Community College ein. National bekannt wurde sie während der Corona-Pandemie, als sie von rechten Kreisen oft angegriffen wurde wegen ihrer strikten Lockdown-Massnahmen.
Sie gab damals Trumps Rhetorik die Schuld daran, dass sie so angefeindet wurde. Der Hass auf sie eskalierte in einer geplanten Entführung und der Ermordung von zwei Anführern einer Extremistenmiliz. Diese planten Whitmer 2020 in einem Ferienhaus zu entführen, doch das FBI vereitelte den Anschlag.
Jay Robert Pritzker (59) ist Gouverneur von Illinois. Das Vermögen des Sohns einer Unternehmerfamilie wird auf 3,5 Milliarden Dollar geschätzt. Er gilt als die reichste Person in den USA, die ein öffentliches Amt ausübt. Mit so viel Geld ist es wenig erstaunlich, dass er innerhalb seiner Partei als einflussreich gilt. Landesweit ist der studierte Politologe aber eher wenig bekannt.
Für Aufsehen sorgte ein 2017 vom FBI veröffentlichtes Telefonat. So soll Pritzker dem damaligen Gouverneur von Illinois, der einen Interims-Nachfolger zu bestimmen hatte, eine Wahlkampfspende im Tausch gegen die Ernennung angeboten haben. Doch daraus wurde nichts. Trotzdem gewann Pritzker 2018 die Wahl als Gouverneur deutlich.
Pritzker setzt vor allem auf eine Ausweitung der Krankenkasse, eine stärkere Waffenkontrolle, eine Reform des Strafrechts, weil zu viele Menschen im Gefängnis sitzen und eine Anhebung des Mindestlohnes auf 15 US-Dollar pro Stunde.
(leo/kma)
Aussenminister gemacht. Hoffentlich meldet er sich!