Die Lage in New York City ist dramatisch. In der grössten Stadt des Landes nimmt die Zahl der offiziell registrierten Coronainfizierten weiterhin stark zu – auch weil in New York zwischenzeitlich mehr als 138'000 Tests durchgeführt wurden, oder gegen einen Fünftel aller Coronatests in Amerika. Offiziell sind im Bundesstaat New York bereits 519 Menschen an der Pandemie gestorben, die Mehrheit davon im Grossraum New York City.
In den Augen von Gouverneur Andrew Cuomo, einem Demokraten, ist sein Bundesstaat aber nicht ausserordentlich. New York stelle vielmehr eine «erste Warnung» für den Rest des Landes dar, darunter vor allem Ballungsräume. Das Beispiel New York City zeige, wie schnell sich das Coronavirus verbreite. Und dass der Höhepunkt der Krise noch lange nicht erreicht sei.
Besonders dramatisch scheint die Lage in New Orleans (Louisiana) zu sein. Vielleicht war es deshalb im Nachhinein keine gute Idee, den Höhepunkt der alljährlichen Fasnacht in der lebenslustigen Stadt am Mississippi nicht abzusagen. Also feierten am 25. Februar – im lokalen Sprachgebrauch wird der Tag vor dem Aschermittwoch «Mardi Gras» oder «Fat Tuesday», Fetter Dienstag, genannt – Hunderttausende von Menschen, auch weil die Feste in New Orleans seit Jahrhunderten stets rauschender ausfallen als im Rest des Landes. Einen Monat später ist die Metropole mit ihren 1,2 Millionen Bewohnern einer der «Hotspots» in Amerika, mit einer rasch steigenden Zahl von offiziellen Coronainfizierten und einem überlasteten Gesundheitssystem.
Nun sei man natürlich gescheiter, sagte Stadtpräsidentin LaToya Cantrell diese Woche im Gespräch mit dem Nachrichtensender CNN. Aber weil die nationalen Gesundheitsexperten darauf verzichtet hätten, Warnsignale an die lokalen Behörden auszusenden, und sie «keine klaren Anweisungen» bekommen habe, sei der «Mardi Gras» wie geplant über die Bühne gegangen, sagte Cantrell.
Andererseits fehlt nun die Zeit für politische Spielchen. Der Verwaltungsbezirk Orleans Parish weist derzeit landesweit die höchste Zahl von Corona-Todesopfern auf, gemessen an den Bevölkerungszahlen. Zwar sind die offiziellen Statistiken mit Vorsicht zu geniessen, auch weil immer noch nicht flächendeckend getestet wird und nicht alle Todesfälle richtig kategorisiert werden können.
Aber in den Augen lokaler Gesundheitsexperten ist die Lage im Grossraum New Orleans zweifelsohne düster – auch weil bereits vor dem Coronavirus viele Bewohner im Süden Louisianas krank waren, überdurchschnittlich an Diabetes oder hohem Blutdruck litten und deshalb nun besonders gefährdet sind.
Die hohe Todesrate verdeutliche, wie schlecht es um das Gesundheitssystem bestellt sei, sagte Susan Hassig, die an der School of Public Health & Tropical Medicine an der Tulane University in New Orleans forscht und unterrichtet. Hinzu komme die besondere soziale Dynamik in der Stadt, die eher einer französischen Provinzmetropole gleicht als einer anonymen amerikanischen Grossstadt. «Jeder spricht mit jedem», sagte Hassig, die derzeit eine gefragte Gesprächspartnerin ist, der «New York Times».
Immerhin: Der Gouverneur von Louisiana, der Demokrat John Bel Edwards, versucht mit eindringlichen Worten die Bevölkerung aufzurütteln: So zog er diese Woche einen Vergleich zu Italien und wies darauf hin, dass dort zu spät mit ausserordentlichen Massnahmen auf das Virus reagiert worden sei.
In Central, einer kleinen Stadt am Rande der Hauptstadt Baton Rouge, ignoriert der Pfarrer Tony Spell allerdings die Anordnung von John Bel Edwards, auf Grossveranstaltungen zu verzichten. Seine Gottesdienste in der Life Tabernacle Church vor bis zu 1000 Menschen finden immer noch statt.