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Verbrechen

AfD-Eklat im deutschen Parlament bei Debatte über Srebrenica

AfD-Eklat im deutschen Parlament bei Debatte über Srebrenica

11.07.2025, 12:5711.07.2025, 14:34
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In Deutschland ist es bei einer Debatte im Bundestag zum Gedenken an den Völkermord von Srebrenica zum Eklat gekommen. Reden von Politikern der rechtsextremen AfD lösten bei den anderen Fraktionen Protest und Kopfschütteln aus. Aussenminister Johann Wadephul trat ungeplant ans Rednerpult.

30 Jahre nach dem Kriegsverbrechen im Bosnien-Krieg hatte das deutsche Parlament die laufenden Haushaltsberatungen für eine Gedenkdebatte unterbrochen. «Srebrenica war das schlimmste Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg», sagte die christdemokratische Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zum Auftakt. Der Völkermord sei auch ein Scheitern der Vereinten Nationen gewesen, deren Friedenstruppen den Schutzsuchenden keinen Schutz geboten hätten.

epa12223942 German Parliament President Julia Kloeckner looks on during a session of the German parliament 'Bundestag' to present the draft budget for 2025, in Berlin, Germany, 08 July 2025. ...
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner.Bild: keystone

AfD-Redner stellt Einstufung als «Völkermord» in Frage

Der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf kritisierte anschliessend die Einstufung des Kriegsverbrechens als Genozid und sagte, «die Serben erschossen dort Männer, verschonten grundsätzlich Frauen und Kinder». Die Erinnerungskultur, die man dem ohnehin fragilen Staat Bosnien-Herzegowina von aussen aufzwinge, trage nicht zur Besänftigung der Spannungen im Staat bei.

Redner der anderen Fraktionen kritisierten die Aussagen scharf. Die Sozialdemokratin Siemtje Möller sagte, internationale Gerichte hätten in mehreren Urteilen festgestellt, dass es sich klar um einen Völkermord handele. Der christdemokratische Aussenpolitiker Jürgen Hardt warf Wolf vor, den Völkermord zu leugnen:

«Für ihn ist der Völkermord von Srebrenica möglicherweise ein Fliegengeschiss der Balkangeschichte, und er stellt sich an die Seite der Täter und nicht an die Seite der Opfer.»

AfD-Abgeordneter Sichert zieht Parallelen zu Deutschland

Lautstarken Protest gab es später, als der AfD-Abgeordnete Martin Sichert seine Rede vor allem für innenpolitische Themen nutzte, die der AfD – die die zweitstärkste Fraktion im Bundestag stellt – wichtig sind. «Was im Grossen im Jugoslawien-Krieg zu sehen ist, kann man im Kleinen heutzutage auf nahezu jedem Schulhof in Deutschland erleben», sagte er. «Srebrenica mahnt uns, Multikulti zu beenden, bevor es zu spät ist». Demonstrativ drehten Abgeordnete von SPD und Linken Sichert den Rücken zu. Klöckner ermahnte ihn, zum Thema zu sprechen.

Aussenminister äussert Bedauern gegenüber Opfern

Aussenminister Johann Wadephul, ebenfalls ein Christdemokrat, ergriff nach den AfD-Reden ungeplant das Wort. Der Bundestag diskutiere über den anerkannten Völkermord, sagte er auch an die Gäste auf der Tribüne gerichtet: «Und ich bedaure, dass wir den Opfern den Angehörigen, insbesondere hier Anwesenden und dem Herrn Botschafter derartige Debatten zumuten», fügte er hinzu. Für die Bundesregierung sagte er:

«Wir erkennen selbstverständlich diesen Völkermord an.»
An aerial view of the Srebrenica Genocide Memorial Center and the newly dug grave is seen prior to the mass burial ceremony in Potocari, Bosnia, Thursday, July 10, 2025. (AP Photo/Armin Durgut)
Bosnia ...
Gräber der Völkermord-Opfer in Bosnien.Bild: keystone

Am 11. Juli 1995 hatten bosnische Serben im Zuge des Bosnien-Kriegs die zur UN-Schutzzone erklärte Muslim-Enklave Srebrenica erobert. An dem Tag und in den darauffolgenden Tagen wurden rund 8000 Menschen ermordet, in der Mehrzahl Männer und männliche Jugendliche.

Frauen, Mädchen und Kinder wurden in Bussen an die Frontlinie zu dem von der bosnischen Armee kontrollierten Gebiet deportiert. Urteile des Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) sowie des Internationalen Gerichtshofs (IGH) haben den Genozid-Charakter des Massakers von Srebrenica juristisch festgestellt. (rbu/sda/dpa)

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86 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Biko
11.07.2025 13:37registriert Juli 2023
Wenn man meint, tieferes Niveau geht nicht, kommt die AfD daher und zeigt, dass es doch geht.
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Händlmair
11.07.2025 14:10registriert Oktober 2017
Wer in Deutschland noch nicht begriffen hat, das die AFD keine Bürgerlichen sondern Rechtsextreme Partei ist, dem ist nicht mehr zu helfen!
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Gerd Müller
11.07.2025 13:44registriert August 2022
Gute Vorsätze der AfD, wie etwa der letzte Woche, im Parlament gemässigter aufzutreten, halten offensichtlich weniger lang als die Vorsätze an Neujahr.
Aber immerhin können solche Entgleisungen noch für ein Parteiverbot nützlich sein.
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