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UN stimmt für Gedenktag für Völkermord von Srebrenica – trotz Widerstand

Members of the association Mothers of Srebrenica react after the United Nations General Assembly adopted a resolution declaring July 11 the International Day of Reflection and Commemoration of the 199 ...
Die «Mütter von Srebrenica» liegen sich nach dem UN-Beschluss in den Armen, aufgenommen in Potocari, Bosnien, 23. Mai 2024.Bild: keystone

UN stimmt für Gedenktag für Völkermord von Srebrenica – trotz Widerstand

23.05.2024, 18:53
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Am 11. Juli wird künftig weltweit dem Völkermord von Srebrenica 1995 gedacht. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen stimmte am Donnerstag in New York trotz einer Reihe von Gegenstimmen und Enthaltungen für einen entsprechenden Resolutionsentwurf zu einem «Tag der Reflexion und des Gedenkens».

Der massgeblich von Deutschland und Ruanda ausgearbeitete Text soll helfen, an den Genozid an über 8000 bosnischen Muslimen zu erinnern. «Bei unserer Initiative geht es darum, das Andenken der Opfer zu ehren und die Überlebenden zu unterstützen, die weiterhin mit den Narben dieser schicksalhaften Zeit leben müssen», sagte die deutsche UN-Botschafterin Antje Leendertse.

Die Resolution verurteilt «vorbehaltlos jede Leugnung des Völkermords von Srebrenica als historisches Ereignis» und Handlungen, die jene verherrlichen, «die von internationalen Gerichten wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord verurteilt wurden». Der Tag soll erstmals 2025 offiziell begangen werden. 84 UN-Mitglieder stimmten für den Text, darunter fast alle Balkan-Staaten.

Widerstand von Serbien, China, Russland und Ungarn

Das Ergebnis blieb dabei unter den Erwartungen. Bei dem Votum gab es – ungewöhnlicherweise für eigentlich einstimmige Beschlüsse von Gedenktagen – 19 Gegenstimmen. Neben Serbien, China und Russland stimmte auch Ungarn gegen den Text. 68 Länder enthielten sich. Sie serbische Regierung hatte sich unzufrieden über den Text gezeigt und argumentiert, die Resolution würde die Region spalten und eine Hierarchie unter den Opfern des Krieges herstellen.

epa11363536 President of the Republic of Serbia Aleksandar Vucic wears a Serbian flag after the General Assembly voted and passed a resolution to create an International Day of Remembrance for victims ...
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić trägt eine serbische Flagge, nachdem die Resolution am Donnerstag verabschiedet wurde, 23. Mai 2024.Bild: keystone

Präsident Aleksandar Vučić ergriff vor der Abstimmung das Mikrofon: «Es ist schwer, nach Deutschland zu sprechen, das für das mächtigste Land Europas steht und sich unmissverständlich dazu berechtigt fühlt, allen, die anderer Meinung sind, moralische Lehren zu erteilen.» Er warf Berlin vor, die Arbeit an der Resolution «geheim gehalten» zu haben. Der Beschluss reisse Wunden auf und werde für Chaos auf dem Balkan sorgen. «Warum haben diese Leute nicht angefangen, über den Völkermord zu sprechen, den ihr Land beging?», fragte Vučić mit Verweis auf den Holocaust.

Botschafterin Leendertse richtete sich in ihrer Rede dagegen gegen «falsche Behauptungen»: «Diese Resolution richtet sich gegen niemanden – nicht gegen Serbien, ein geschätztes Mitglied dieser Organisation. Wenn überhaupt, richtet es sich gegen Täter eines Völkermords.»

Leugnung im serbischen Landesteil Bosnien Herzegowinas

Dem Massaker von Srebrenica im Zuge des Bosnien-Kriegs fielen am 11. Juli und den darauffolgenden Tagen 8000 bosnische Muslime zum Opfer, in der Mehrzahl Männer und männliche Jugendliche. Frauen, Mädchen und Kinder wurden in Bussen an die Frontlinie zu dem von der bosnischen Armee kontrollierten Gebiet deportiert. Urteile des Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) sowie des Internationalen Gerichtshofs (IGH) haben den Genozid-Charakter des Massakers von Srebrenica juristisch festgestellt.

Bosnian woman Nura Begovic, from Srebrenica, reacts as she looks at a mass grave in the village of Kozluk, near eastern town Zvornik, 200 kms east of Sarajevo, Bosnia, on Tuesday, Dec. 15, 2015. The m ...
Eine Frau steht an einem Massengrab in Kozluk, das dank Satellitenbildern gefunden worden war, 15. Dezember 2015.Bild: AP

Der damalige politische Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, und der Kommandant der sogenannten Bosnisch-Serbischen Armee (BSA), Ratko Mladić, wurden vom ICTY zu lebenslangen Gefängnisstrafen verurteilt. Im Serbien unter Präsident Vučić und im serbischen Landesteil Bosniens, der Republika Srpska, unter dessen Präsidenten Milorad Dodik, ist die Leugnung des Genozids von Srebrenica und die Heroisierung der Täter gewissermassen Staatspolitik. Vučić argumentiert, die UN-Resolution würde das «serbische Volk» kollektiv verurteilen – diese erwähnt Serbien allerdings nicht einmal namentlich. (sda/dpa)

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6 Kommentare
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Martin Baumgartner
23.05.2024 19:36registriert Juni 2022
"In Serbien unter Präsident Vučić ist die Leugnung des Genozids von Srebrenica und die Heroisierung der Täter gewissermassen Staatspolitik."

Tatsachen lassen sich verdrehen, bemänteln und verleugnen.
Das alles verändert die Tatsachen nicht.
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