Der republikanische Senator John Kennedy schäumt vor Wut: «Wir sehen aus wie …., nun, ich sage lieber nicht, wie wir aussehen», gab er Fox News zu Protokoll.
Ganz anders die Stimmungslage bei Eugene Robinson, dem renommierten Kolumnisten der «Washington Post»: «Für alle, die begriffen haben, dass wir verzweifelt einen Übergang zu einer Wirtschaft mit nachhaltiger Energie brauchen, ist die Ankündigung der beiden Senatoren Joe Manchin und Chuck Schumer, dem Mehrheitsführer im Senat, nichts weniger als ein Wunder.»
Zwei wahrlich entgegengesetzte Einschätzungen eines Ereignisses. Doch worum geht es?
Manchin und Schumer haben überraschenderweise angekündigt, dass sie sich auf eine neue Gesetzesvorlage geeinigt haben, auf eine Art Mini-Green-New-Deal. Dabei ist zwar die ursprüngliche Version der Biden-Regierung massiv abgespeckt worden. Trotzdem wird es ein historisches Gesetz sein, sollten die beiden Kammern des Kongresses es auch verabschieden. Darum geht es:
Das Gesetz sieht vor, dass jeder, der ein Elektroauto kauft, 7500 Dollar Einkommen von den Steuern abziehen kann. Gleichzeitig darf er mit einer Subvention von bis zu 4000 Dollar rechnen. Die bisher gültige Beschränkung für die Autokonzerne bezüglich subventionierter Elektroautos wird aufgehoben. Sie erhalten vielmehr rund zwei Milliarden Dollar Zuschüsse für die Produktion dieser Fahrzeuge. 20 Milliarden Dollar stehen für die Errichtung der Elektro-Tankstellen zur Verfügung.
Die Vorlage enthält auch Zuschüsse für Stromerzeuger, um den Übergang zu nachhaltiger Energie zu fördern (30 Milliarden Dollar). Chemie-, Stahl- und Zementwerke sollen mit 6 Milliarden Dollar unterstützt werden, um ihnen zu helfen, den CO₂-Ausstoss zu verringern. Mit 9 Milliarden Dollar sollen Familien ermutigt werden, Wärmepumpen und Isolationen in ihren Häusern zu installieren.
Der Mittelstand soll derweil davon profitieren, dass die in den USA horrend hohen Preise für Pharmaprodukte reduziert werden. Insgesamt wird das Paket rund 430 Milliarden Dollar kosten. Finanziert werden soll es durch eine Erhöhung der Unternehmenssteuern auf 15 Prozent.
Dass es zu einem solchen Deal kommen würde, schien noch vor Tagen aussichtslos. Im letzten Jahr haben sich die Demokraten monatelang intern ob dieser Frage zerfleischt. Letztlich waren es die beiden Senatoren Joe Manchin und Kyrsten Sinema, die Bidens ursprünglichen Build-Back-Better-Plan zu Fall gebracht haben.
Vor ein paar Wochen schliesslich schien der Green New Deal endgültig mausetot zu sein. Manchin hatte nämlich verkündet, er werde selbst eine abgespeckte Version ablehnen. Damit war die Vorlage im Senat blockiert, denn das Patt der beiden Parteien lässt sich nur durchbrechen, wenn sämtliche Demokraten mitziehen. Nur so und mithilfe des Reconciliation-Prozesses (fragt nicht) kann die republikanische Blockade geknackt werden.
Nun aber scheint es, dass für einmal die Demokraten die Republikaner mit deren eigenen Waffen geschlagen haben, sie haben sie klassisch ausgetrickst. Und das kam so:
Mit einem Gesetz zur Förderung der einheimischen Chip-Produktion will die Biden-Regierung die Abhängigkeit der USA von Asien, insbesondere von China reduzieren. Mitch McConnell, der republikanische Minderheitsführer im Senat, war bereit, dieses Gesetz zu unterstützen, aber nur unter der Bedingung, dass der Green New Deal endgültig beerdigt worden sei. Nachdem Manchin sein Veto gegen diesen Deal ausgesprochen hatte, schien dies der Fall zu sein. McConnell willigte ein, das Chip-Gesetz rauschte mit republikanischer Unterstützung durch den Senat.
Kaum waren die Stimmen ausgezählt, verkündete Manchin seinen Meinungsumschwung. Er habe inzwischen mit Lawrence Summers gesprochen und dieser habe ihm versichert, dass der neue Deal die Inflation nicht anheizen werde. Der ehemalige Finanzminister Summers war ein früher Warner vor der Inflation. Zudem sei es ihm gelungen, so Manchin weiter, ein paar entscheidende Details am Deal zu verändern.
McConnell ist damit klassisch ausgetrickst worden. Mit Mitleid kann er nicht rechnen. Jahrelang hat McConnell die Demokraten mit schmutzigen Tricks vorgeführt. Dass er nun eine kräftige Portion seiner eigenen Medizin schlucken muss, löst grosse Schadenfreude aus. «Die Senatoren der GOP sehen jetzt aus wie Touristen, die für eine Taxifahrt vom Flughafen LaGuardia nach Manhattan 300 Dollar bezahlt haben», spottet selbst das «Wall Street Journal».
Ebenso lächerlich ist die Reaktion der übrigen Senatoren der Grand Old Party. Diese haben als Trotzreaktion ein Gesetz blockiert, das geschädigten Kriegsveteranen helfen soll. Dieses Gesetz war bereits auch von ihnen verabschiedet worden, kam jedoch wegen ein paar technischen Änderungen nochmals zur Abstimmung. Das ist ein Schuss ins eigene Knie. Kriegsveteranen dringend benötigte Unterstützung zu verweigern, passt schlecht zum Hurra-Patriotismus, den die Republikaner normalerweise zelebrieren.
Der Deal, den Manchin und Schumer ausgehandelt haben, ist noch nicht in trockenen Tüchern. Doch das sollte schon in der kommenden Woche der Fall sein. Selbst Kyrsten Sinema, die sich in der Vergangenheit ebenfalls als demokratischer Hemmschuh erwiesen hat, wird es kaum wagen, diesmal auszuscheren.
Mit diesem Deal haben die Demokraten nicht nur die Republikaner ausgetrickst. Sie haben auch einer historischen Gesetzesvorlage zum Durchbruch verholfen. «Sollte das Gesetz in den kommenden Wochen von beiden Kammern genehmigt werden, würden die Demokraten endlich ihre Wahlversprechen erfüllen, nämlich die Gesundheitskosten senken, die Reichen höher besteuern und die grösste Investition zur Bekämpfung der Klimaerwärmung ermöglichen», kommentiert die «New York Times».
Das Timing ist perfekt. Während einer historischen Hitzewelle gegen ein solches Gesetz anzustinken, ist selbst für die Republikaner riskant. Die Demokraten ihrerseits haben endlich etwas in der Hand, mit dem sie in den kommenden Zwischenwahlen punkten können.