«Kill the bill», hat Elon Musk auf seiner Plattform X gepostet und das getreu seinem pubertären Humor mit einem Meme aus «Kill Bill», einem Film des Kult-Regisseurs Quentin Tarantino, untermalt. Der reichste Mann der Welt gibt vor, sich Sorgen um die Zukunft der USA zu machen, da Trumps «Big and Beautiful Bill» (BBB) das Land in den Staatsschulden-Abgrund reissen werde. Natürlich ist das geheuchelt, doch ganz Unrecht hat Musk nicht. Das rasante Anwachsen der Staatsschulden wird zu einem Problem für die USA.
Dazu zunächst ein paar Zahlen (Sorry, geht leider nicht anders):
Aktuell beträgt die Höhe des amerikanischen Schuldenbergs rund 37 Billionen Dollar. Das ist mehr als das, was die gesamte Wirtschaft der USA jährlich produziert, das Bruttoinlandprodukt (BIP) liegt aktuell leicht über 30 Billionen Dollar. Zu den bereits bestehenden Schulden kommen aktuell jährlich rund 2 Billionen Dollar dazu.
Setzen wir diese Zahlen in ein Verhältnis. Die Maastricht-Verträge legen die Grenze für die jährliche Verschuldung bei 3 BIP-Prozent, die Gesamtschuld darf derweil 60 BIP-Prozent nicht überschreiten. Dass diese Vorgaben auch in Euroland weit überschritten werden, ist eine andere Geschichte. Es zeigt jedoch, wie weit die USA auf dem schlüpfrigen Schuldenpfad in den Abgrund schon gerutscht sind: Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg lagen die Staatsschulden auf diesem Niveau.
Schlimmer noch: Gemäss den Berechnungen des Congressional Budget Office – einem überparteilichen Thinktank, der die Auswirkungen der Fiskalpolitik analysiert – wird Trumps BBB das Defizit nicht etwa verringern oder gar abschaffen, wie der Präsident das im Wahlkampf versprochen hat. Sie wird es vielmehr noch erhöhen, und zwar um 2,4 Billionen Dollar. Jährlich, wohlgemerkt.
Wenn Musk die BBB als «hässliche Scheusslichkeit» bezeichnet, hat er einen Punkt. Doch um einem Missverständnis vorzubeugen, sei auch klargestellt: Die USA werden nicht pleitegehen. Sie verschulden sich in Dollar und ihre Notenbank kann die eigene Währung unbegrenzt drucken.
Warum es trotzdem langsam ungemütlich wird, erklärt der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze in einem Gastkommentar in der «New York Times».
Insgesamt sind derzeit langlaufende US-Staatsanleihen, T-Bonds genannt, im Wert von 29 Billionen Dollar im Umlauf. Im Markt für Staatsanleihen treffen Makroökonomie und Politik aufeinander. Geht dabei etwas schief, dann hat dies weitreichende Folgen. Dabei scheint gerade der Anleihenmarkt auf den ersten Blick simpel zu sein. Es gibt nur einen Vermögenswert, wenn auch mit unterschiedlichen Laufzeiten. Wer T-Bonds kauft, macht sich daher primär um zwei Dinge Sorgen, um die Inflation und darum, ob das Staatsbudget ausgewogen ist.
Wie erwähnt, eine amerikanische Staatspleite wird es nicht geben. «Aber wenn die Fed (die US-Notenbank) Geld drucken muss, um das zu verhindern, dann verändert sich der Wert der sich bereits im Umlauf befindenden T-Bonds dramatisch», so Tooze. Weil viele Banken T-Bonds als Sicherheit halten, kann dies weitreichende Folgen haben.
Dabei ist derzeit nicht einmal die Inflation schuld daran. Sie ist mittlerweile unter drei Prozent gerutscht und nähert sich der Zwei-Prozent-Grenze, welche die Notenbanker anstreben. «Das eigentliche Thema ist politischer Natur», so Tooze. «Die Finanzmärkte realisieren allmählich das wahre Ausmass der Staatsdefizite (…) und der Weigerung der Republikaner, ernsthaft Massnahmen ins Auge zu fassen, die Einnahmen zu erhöhen.»
Die Republikaner, die sich jeweils heiser schreien, wenn eine demokratische Regierung Schulden macht, nehmen jetzt die steigende Staatsverschuldung auf die leichte Schulter. Präsident Trump eingeschlossen, der sich bekanntlich als Geschäftsmann einst als «Schuldenkönig» bezeichnete.
Es gibt gute Gründe, weshalb sich Staaten verschulden, Krieg beispielsweise. Werden diese Schulden in den Friedenszeiten nicht abgetragen, dann bilden sie die Basis für weiteres Unheil, wie die Oktoberrevolution in Russland oder das Chaos der Weimarer Republik in Deutschland gezeigt haben.
Es gibt auch gute Gründe, wenn Staaten sich in Friedenszeiten verschulden. So wurde eine Covid-Depression mit zusätzlichen Schulden verhindert. Oder Deutschland muss, um seine marode Infrastruktur wieder in Schuss zu bringen und die Armee wieder kriegstauglich zu machen, die Schuldenbremse aushebeln. Trotzdem liegen die deutschen Staatsschulden noch deutlicher unter denjenigen der USA.
Und was ist mit Japan? Dort liegt die Staatsverschuldung bekanntlich bei weit über 200 BIP-Prozent, für westliche Augen auf einer unvorstellbaren Höhe. Nicht so für die Japaner, und dies aus zwei Gründen: Erstens befinden sich mehr als die Hälfte der japanischen Staatsanleihen in der Hand der Bank of Japan, und diese wiederum gehört dem Staat. Der Staat ist somit Schuldner und Gläubiger gleichzeitig.
Zweitens befindet sich der grösste Teil der übrigen Staatsanleihen in japanischen Händen. Das ist bei den T-Bonds nicht der Fall, rund 30 Prozent von ihnen werden von Ausländern gehalten. Den grössten Anteil besitzen übrigens ausgerechnet die Japaner.
Die Krux bei der wachsenden US-Staatsverschuldung ist an anderer Stelle zu suchen. «Die amerikanischen Defizite sind nicht Investitionen in die Zukunft geschuldet», stellt Tooze fest. «Sie sind getrieben von der Tatsache, dass die reichsten Amerikaner nicht gewillt sind, ihren Anteil zu leisten, um auch nur das Nötigste zu finanzieren, das für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Sektors – der alles andere als generös ist – ausreicht.»
Tatsächlich besteht der Kern der BBB in einer Steuerkürzung in der Höhe von 5,3 Billionen Dollar. Der Grossteil davon fliesst in die Taschen der Reichen und Superreichen, der untere Mittelstand wird abgespeist mit Krümeln wie: Steuerbefreiung auf Trinkgeldern und Renten. Gleichzeitig geht die unzureichende Gegenfinanzierung auf Kosten der Ärmsten, auf Kürzungen bei Sozialleistungen wie Medicaid und Food Stamps.
Tooze stellt daher die berechtigte Frage: «Werden die Vereinigten Staaten auch künftig Käufer finden für rund zwei Billionen T-Bonds jährlich?» Wahrscheinlich schon, aber nur, wenn die Renditen der Staatsanleihen noch weiter steigen. Das wiederum bewirkt, dass auch die Kosten für die Bedienung dieser Schulden steigen. Bereits jetzt geben die USA mehr dafür aus als für die Verteidigung.
Steigende Renditen auf den T-Bonds haben auch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Es kommt zu einem sogenannten «Crowding Out», will heissen, private Unternehmer können nicht mehr mit den Renditen auf Staatspapieren mithalten und werden aus dem Kreditmarkt gedrängt.
Musk hat recht. Trumps BBB ist tatsächlich eine «hässliche Scheusslichkeit». Es gibt jedoch gute Gründe, die daran zweifeln lassen, ob der reichste Mann seinen Angriff auf Trumps Gesetz aus Sorge um die Zukunft der USA lanciert hat. Wahrscheinlich geht es ihm hauptsächlich um Rache.
Wie schon viele vor ihm ist auch Musk von Trump missbraucht worden. Der Präsident hat ihn dazu benützt, die dreckige Arbeit im Staat zu verrichten, das Staatsbudget um ursprünglich zwei, später reduziert auf eine Billion Dollar zu kürzen. Diese Kürzungen sind unpopulär und Musk ist auch spektakulär gescheitert. Er hat mit seinen jugendlichen DOGE-Mitstreitern im besten Fall 100 Milliarden Dollar aus dem Budget gestrichen, und selbst das ist umstritten.
Musks vollmundig angekündigtes Streichkonzert war nicht nur ein Mega-Flop, es wurde zunehmend auch zu einer politischen Hypothek für Trump. Deshalb hat der Präsident Musk den gewünschten Kandidaten für die Spitze der NASA verweigert. Die BBB enthält auch eine Klausel, welche künftig die Subventionen für Elektroautos streicht; ein weiterer Schlag für die eh schon rückläufigen Tesla-Verkäufe.
Hinzu kommt: Die übrigen Mitarbeiter im Weissen Haus können Musk nicht ausstehen und gerüchteweise hat auch der Präsident mittlerweile die Nase voll von ihm. Deshalb hat er ihn kalt abserviert.
So endet eine Bromance, und das, obwohl Musk noch vor Kurzem treuherzig versichert hat: «Ich liebe Trump in dem Ausmass, das sich ein nicht homosexueller Mann erlauben kann.»
Das Schlimme daran ist, dass dies voraus zusehen war.
Und wie bei jedem Hochstapler ohne einen Funken Moral und Gewissen ist es ihm völlig egal, wer oder was dafür draufgeht, und wenn es die USA und mit ihr die ganze Welt ist.
Menschen wie er, ohne Ideale, ohne Ethik, ohne Loyalität anderen gegenüber, die nur darauf aus sind, ihre eigene, nie endende Gier zu befriedigen, slnd leicht zu manipulieren und auszunutzen.
Siehe Project 2025.