Die Lufthansa jubelt. Nachdem die USA angekündigt haben, ihre Grenzen ab November wieder für geimpfte Reisende aus Europa zu öffnen, erlebt sie einen «Nachfrageboom», wie sie in einer Mitteilung von letzter Woche schreibt. Am häufigsten gebucht würden bei den Lufthansa-Airlines, zu denen auch die Swiss und deren Schwester Edelweiss gehören, Flüge von Frankfurt und Zürich nach New York und Miami.
Das Angebot sei deshalb erhöht worden. Die Nachfrage sei sowohl bei Privat- als auch Geschäftsreisenden sehr hoch. Für den Dezember wurden in der vergangenen Woche so viele Flüge gebucht wie zur selben Zeit im Jahr 2019, als Corona noch weit weg war.
Nur eine Airline aus dem Konzern profitiert nicht vom Boom: Die Edelweiss. Wie das Portal «Travelnews» berichtet, fliegt sie im Winter erstmals seit den Jahren vor der Krise nicht in die USA. Der Flug nach Tampa Bay in Florida – der US-Bundesstaat, der von der Lufthansa als «Top-Seller» bezeichnet wird – findet nicht statt.
In Zeiten des Coronavirus und einer nach wie vor tieferer Nachfrage haben viele Airlines ihr Angebot ausgedünnt und fliegen Ziele nicht mehr an. Die Begründung, welche die Airline dem Portal gibt, erstaunt aber: «Da wir vor ein paar Wochen zwei Airbus A330 ausgeflottet haben, steht uns diesen Winter weniger Kapazität zur Verfügung. Aus diesen Gründen werden wir unsere Destinationen in den USA wieder ab Sommer 2022 bedienen». Kann Edelweiss also nicht in die USA fliegen, weil zwei Flugzeuge konzernintern verschoben wurden?
Die beiden Langstreckenflugzeuge des Typs A330 hat Edelweiss per Juni an die deutsche Lufthansa-Billigtochter Eurowings Discover vermietet. Der Transfer sorgte für heftige Kritik. Der Pilotenverband Aeropers und die Flight Attendants der Edelweiss wandten sich deswegen an die Schweizer Luftfahrtstiftung. Diese überwacht die Bedingungen, welche an die im Zug der Krise durch den Bund gesprochenen staatlich verbürgten Kredite von maximal 1.275 Milliarden Franken an die Swiss und die Edelweiss geknüpft wurden. Dazu gehört, dass die Lufthansa ihre Hubs in Deutschland nicht stärker wachsen lassen darf als jenen in Zürich.
Die Kabinenbesatzung von Edelweiss nannte die Arbeitsbedingungen bei Eurowings Discover «miserabel». Langstreckenflugzeuge sind Jobmaschinen: Alleine an einem Boeing-777-Flugzeug der Swiss hängen laut Angaben der Airline 155 Stellen. Bei Edelweiss dürfte sich diese Zahl in einem vergleichbaren Rahmen bewegen.
Edelweiss beschwichtigte nach dem Transfer: Bei der Abgabe der beiden Airbus A330 handle es sich um eine temporäre Massnahme, liess die Airline verschiedenen Medien ausrichten. Bei verbesserter Marktlage werde man ein erneutes Wachstum auf der Langstreckenflotte wieder prüfen. «Edelweiss behält sich vor, die beiden Flugzeuge bei entsprechender Marktlage wieder zurückzuholen», zitierte das Branchenportal «Travel Inside» die Airline.
Ein Missverständnis, sagt nun Airline-Sprecher Andreas Marti auf eine entsprechende Anfrage von CH Media. Die beiden Flugzeuge kommen nie wieder zurück. «Eine Rücknahme der beiden A330 war nie geplant.» Wäre die Nachfrage vorhanden für USA-Flüge im Winter, wenn die Flugzeuge noch in der Flotte wären? Eine Antwort darauf bleibt Marti schuldig. Mit Ausnahme von Tampa und Orlando seien die Destinationen in den USA Sommerziele, richtet er nur aus.
Dass die Langstreckenflotte von Edelweiss wieder aufgestockt wird, sei «noch nicht absehbar», sagt Marti. Wenn, dann würde die Airline wohl darauf achten, wie nun mit den verbleibenden vier A340 ein einheitliches Flottenmuster für die Langstrecke zu betreiben.
«Mit dem Abgang der A330 hat die Komplexität der Flottenstruktur stark abgenommen. Daran möchte Edelweiss mit Sicherheit festhalten», sagt Roman Kälin vom Pilotenverband Aeropers. Ob Edelweiss mit der Vermietung von zwei Flugzeugen an Eurowings Discover die Kreditverträge mit dem Bund verletzt, könne Aeropers nicht beurteilen, weil der Verband «leider keine Einsicht» in die Verträge habe. «Wir vertrauen darauf, dass die Luftfahrtstiftung die Bedingungen überwacht», betont Kälin.
Trotzdem bleibt die Frage: Wurde die Airline mit der Abgabe zweier Jets auf dem falschen Fuss erwischt? Daraufhin deutet zumindest die Antwort eines Edelweiss-Sprechers auf eine Frage des Portals «Travelnews»: «Wir sind nicht davon ausgegangen, dass die USA ihre Grenzen für touristische Reisen so rasch öffnen.»
Interessant ist auch das neueste Reiseziel, das die Abnehmerin der beiden Edelweiss-Flugzeuge, die Eurowings Discover, letzte Woche bekannt gegeben hat. Ab Mitte Dezember geht es wegen der hohen Nachfrage viermal wöchentlich nach Tampa Bay – von Frankfurt, nicht von Zürich.