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In Frankreich wächst die Wut: Proteste und Reformen angekündigt

Students demonstrate Friday, April 14, 2023 in Paris. France's top constitutional body was expected to rule Friday on whether President Emmanuel Macron's contested plan to raise the retireme ...
Nach wie vor gehen die Menschen in Frankreich auf die Strasse.Bild: keystone

In Frankreich wächst die Wut wegen höheren Rentenalters: Proteste und Reformen angekündigt

16.04.2023, 21:4517.04.2023, 12:11
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Der Zorn wächst: Frankreichs Regierung hat im Eilschritt die umstrittene Rentenreform in Kraft gesetzt und damit erneut die Wut der Gegner des Vorhabens angeheizt. Für den 1. Mai haben die Gewerkschaften zu einem grossen Protesttag aufgerufen. Aktionen sind auch am 20. April geplant. Präsident Emmanuel Macron will am Montag in einer Fernsehrede versuchen, die Gemüter zu beruhigen. Ministerpräsidentin Elisabeth Borne kündigte derweil weitere Reformen an.

Das Gesetz für die Anhebung des Renteneinstiegsalters von 62 auf 64 Jahre wurde am frühen Samstagmorgen im Amtsblatt veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt – nur wenige Stunden nach seiner Billigung durch den Verfassungsrat. In Paris, Nizza, Nantes und Rennes sowie weiteren Städten kam es nach der Entscheidung des Verfassungsrats erneut zu Protesten. Allein in der Hauptstadt Paris wurden am Freitagabend über 100 Demonstranten festgenommen.

epa10361654 French President Emmanuel Macron (R) delivers a speech next to French Prime Minister Elisabeth Borne (L), during the second plenary session of the Conseil National de la Refondation (CNR - ...
In Zentrum der Kritik: Präsident Emmanuel Macron und Ministerpräsidentin Elisabeth Borne.Bild: keystone

In den vergangenen Monaten waren mehrfach Hunderttausende gegen die Rentenreform auf die Strasse gegangen. Mit dieser soll ein drohendes Loch in der Rentenkasse verhindert werden. Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber auch heute schon später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - das behält die Regierung bei.

Macron hätte vierzehn Tage Zeit gehabt, um das Gesetz zu unterschreiben. Gewerkschaften hatten ihn am Freitagabend erneut aufgefordert, es nicht zu erlassen. Ab September soll es nun wirksam werden.

«Wie Diebe haben Emmanuel Macron und seine Bande mitten in der Nacht ihr Rentengesetz erlassen», twitterte der linke Abgeordnete François Ruffin. Marine Le Pen von der rechtsnationalen Partei Rassemblement National (RN) schrieb auf Twitter, ein Präsident müsse das französische Volk zusammenbringen. Macron sei aber ein «Brandstifter», der die Demokratie beschädige. Le Pen, die durch den Renteneintrittsalter-Streit im Aufwind ist, rief dazu auf, die Regierung und Macron bei den nächsten Wahlen abzustrafen. Sie will die Reform zurückzunehmen, sollte sie an die Macht kommen.

epa10451233 Marine Le Pen of the National Rally listens as the National Assembly begins a debate on the draft law rectifying financing of social security as part of the reform of pensions for 2023, in ...
Marine Le Pen versucht die Gunst der Stunde zu nutzen.Bild: keystone

In einem am Sonntag in der Zeitung «Le Parisien» veröffentlichten Interview sagte der gemässigte Gewerkschaftschef Laurent Berger, mit der nächtlichen Gesetzesverankerung habe Macron vollends seine Verachtung der Arbeitswelt zum Ausdruck gebracht sowie seine Loslösung von der Realität. Für den 1. Mai haben die Gewerkschaften nun zu einem «aussergewöhnlichen und populären Mobilisierungstag» aufgerufen. Am 20. April soll es bei der französischen Bahn SNCF einen «Tag des Ausdrucks des Eisenbahnerzorns» geben - einen Tag vor Beginn der Schulferien in den Regionen Paris und Okzitanien.

«Der Kampf geht weiter, und wir müssen unsere Kräfte bündeln», sagte der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon. Die Sozialisten kündigten einen Antrag zur Aufhebung des Gesetzes an. «Ich appelliere an den Präsidenten: Er muss die überwältigende Mehrheit hören, die sich überall in Frankreich gegen diese Reform ausspricht, die das Land spaltet», sagte die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo.

In einer Fernsehrede am Montag will Macron versuchen, die Gemüter zu beruhigen. Er werde in einer «Logik der Beschwichtigung» sprechen, um eine Bilanz der dreimonatigen Krise zu ziehen, wie Regierungssprecher Olivier Véran am Samstag dem Fernsehsender «TF1» sagte.

Ungeachtet der Proteste gegen die Anhebung des Renteneintrittsalters will Ministerpräsidentin Borne weitere Reformen durchsetzen. Man wolle ein Frankreich der Vollbeschäftigung aufbauen, Chancengleichheit garantieren, für Gesundheit und Bildung handeln, sagte Borne am Samstag während eines Treffens der Präsidentenpartei Renaissance in Paris. (sda/dpa)

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17 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mondblüemli
16.04.2023 22:55registriert Oktober 2021
Für die meisten ändert sich nichts, aber hei, lasst uns das Land in Schutt und Asche legen… 🤦🏼‍♀️
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HeidiW
17.04.2023 06:12registriert Juni 2018
Die gleichen die jetzt herumschreien und zerstören, werden auch die gleichen sein die herumschreien und zerstören, falls die Rentenkasse kein Geld mehr hat.
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3klang
16.04.2023 23:16registriert Juli 2017
Leidiges Machtspiel der Gewerkschaften...
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