Fünf Jahre nach der Veröffentlichung der «Panama Papers» belastet ein neues Steueroasen-Leak mehr als 330 Politiker, darunter 35 Staats- und Regierungschefs. Die «Pandora Papers», die ein Team von mehr als 600 Journalisten aus 117 Ländern (darunter auch Vertreter des «Tages-Anzeigers») am Sonntag veröffentlicht hat, beschuldigt etwa den ehemaligen britischen Premier Tony Blair und den amtierenden tschechischen Regierungschef Andrej Babis, über Briefkastenfirmen Geld an den Steuerbehörden vorbeigeschmuggelt zu haben.
Die 11.9 Millionen Dokumente von 14 verschiedenen Finanzdienstleistern würden zeigen, dass das internationale Geschäft mit schmutzigem Geld noch immer blühe, schreiben die Reporter. Für ihre Publikation haben sie mehr als sechs Millionen PDFs, fast drei Millionen Fotos, 1.2 Millionen Emails und rund 500'000 Excel-Tabellen ausgewertet. Wer ihm diese Dokumente zugespielt hat, verschweigt das Journalisten-Konsortium aus Quellenschutz-Gründen. Prominente Schweizer kommen in den «Pandora Papers» bislang nicht vor.
Hier die 5 Erkenntnisse aus den bisher veröffentlichten Inhalten der «Pandora Papers»:
Unter den mehr als 330 Personen, die in den «Pandora Papers» beschuldigt werden, mutmasslich illegale oder mindestens moralisch verwerfliche Finanzgeschäfte getätigt zu haben, befinden sich nicht weniger als 35 amtierende oder ehemalige Staats- und Regierungschefs. Besonders unangenehm werden dürfte das Datenleck für den umstrittenen tschechischen Premierminister Andrej Babis, der über Briefkastenfirmen für mehr als 15 Millionen Euro ein Landschloss in Südfrankreich gekauft hat. Am Freitag und Samstag stehen in Tschechien Parlamentswahlen an. Babis' Gegner dürften sich freuen.
Unter den Beschuldigten sind auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, der russische Machthaber Wladimir Putin und der libanesische Premierminister Nadschib Mikati, die alle krumme Geschäfte über Briefkastenfirmen abgewickelt haben sollen.
Ärgern wird sich auch der ehemalige britische Premierminster Tony Blair. Er hat dank dem Umweg über Briefkastenfirmen offenbar mehr als 300'000 Pfund an Steuern einsparen können.
Die arabische Golf-Metropole, die sich derzeit mit der Expo-Weltausstellung als städtebaulicher und zukunftsgewandter Musterschüler präsentieren will, kommt in den «Pandora Papers» besonders schlecht weg. Das deutsche Bundeskriminalamt schätzt die Stadt mittlerweile als «Zentrum für Geldwäsche» ein. Über die Drehscheibe Dubai sollen sowohl die Gelder afghanischer Heroin-Bauern als auch indischer Menschenhändler und russischer Mafiosi umgeschichtet und versteckt werden.
In den «Pandora Papers» taucht Dubai nicht weniger als 328'132 Mal auf, weit häufiger als andere Steueroasen wie etwa Malta oder die Kaiman-Inseln. Mehr Nennungen haben nur Panama und die britischen Jungferninseln. In Dubai sollen mexikanische Drogenkartelle, kanadische Betrüger, nigerianische Eliten und belgische Juweliere ihr Geld verstecken. «In Dubai schaut man weg, solange das Geld fliesst», schreiben die Journalisten.
Erstaunen mag es kaum, aber ärgern tut es viele: Die Vereinigten Staaten von Amerika, die seit Jahren Druck machen auf vermeintliche Steuerparadiese und die auch die Schweiz zu einer strikten Weissgeld-Strategie gezwungen haben, sind selber zu einem beliebten Versteck für die geheimen Millionen der Reichen und Mächtigen geworden. Beispielhaft ist dafür der Fall des ecuadorianischen Präsidenten Guillermo Lasso. Der Ex-Banker, der das Land seit Mai 2021 regiert, hat 2017 seine Konten im Steuerparadies aufgelöst und das Geld nach Amerika verfrachtet.
Laut den «Pandora Papers» ist Lasso bei weitem kein Einzelfall. Der Druck, den die USA auf internationale Steueroasen ausgeübt hatten, hat laut den jüngsten Enthüllungen dazu geführt, dass Hunderte Millionen Franken aus karibischen und europäischen Banken abgezogen worden und in Finanzinstituten im amerikanischen Bundesstaat South Dakota gelandet sind. Der vordergründige Schwarzgeld-Jäger wurde also selbst zum Schwarzgeld-Wächter.
Der «Tages-Anzeiger» schreibt in seiner Berichterstattung über die «Pandora Papers» zwar davon, dass «hiesige Anwälte, Beraterinnen und Treuhänder für zahlreiche Personen arbeiteten, die das Image des Schweizer Finanzplatzes» beschädigen könnten - darunter etwa für den jordanischen König Abdullah II, der in den «Pandora Papers» auftaucht.
Prominente Schweizer finden sich in den bislang veröffentlichten Daten der jüngsten Enthüllungsaktion allerdings keine. Der «Tagi» schreibt allerdings über den Fall der Schwyzer Atemtherapeutin Susanne R., die u.a. im Auftrag der Familie des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev mehrere schummrige Offshore-Firmen betreute hatte. Insgesamt hätten Schweizer Anwälte und Treuhänderinnen rund 7000 solche Offshore-Firmen im Auftrag verschiedener Kunden betreut.
Schon 2016 machte das International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) mächtig Krach mit der Veröffentlichung der sogenannten «Panama Papers». Auch damals ging es um Briefkastenfirmen, mutmassliche Steuerhinterziehung und dreckige Finanzgeschäfte der Reichen und Mächtigen. Doch die Ausbeute des publizistischen Projekts blieb relativ mager. Einige Länder - etwa Deutschland und die USA - führten Register ein, die für alle registrierten Firmen den offiziellen Besitzer aufführen. In Island trat Ministerpräsident Sigmundur Davio Gunnlaugsson zurück, weil bekannt geworden war, dass er jahrelang an einer Briefkastenfirma beteiligt war.
Und auch in Pakistan musste Premier Nawaz Sharif sein Amt abgeben, als bekannt wurde, dass drei seiner Kinder Offshore-Firmen über die Kanzlei Mossack Fonseca gegründet hatten. Ironie des Schicksals: Pakistans neuer Premier Imran Khan, der die «Panama Papers» 2016 noch als «Geschenk Gottes» bezeichnet hatte, hat durch die neuen Enthüllungen nun selber plötzlich einiges zu erklären. Die Familie seines Finanzministers und einer seiner wichtigsten Geldgeber sind in den «Pandora Papers» aufgetaucht. Dennoch zeigt sich: Die 2016 gemachten politischen Versprechen, mit dem dreckigen Briefkastenfirmen-Geschäft aufzuhören, wurden nicht wirklich in die Tat umgesetzt. (aargauerzeitung.ch)
Diejenigen die nun sagen es bringt eh nichts, sollten sich überlegen was passieren würde, wenn nicht von Zeit zu Zeit solche Informationen veröffentlicht würden.