Die News aus dem Reich der Mitte sind derzeit auf der schlechten Seite. Chinas Bevölkerung ist um zwei Millionen Menschen geschrumpft, die Wirtschaft serbelt, an den Finanzmärkten herrscht Tristesse und die Wahlen in Taiwan waren eine Ohrfeige an die Adresse von Peking. Ist das Wirtschaftswunder vorbei? Versinkt China in einer gewaltigen «Falle der mittleren Einkommen», wie es in der Ökonomie heisst?
Nicht ganz. Es gibt einen Bereich, in dem China meilenweit vorauseilt und den Rest der Welt immer deutlicher abhängt: der Bereich der nachhaltigen Energie und des ökologischen Umbaus der Gesellschaft. So hält die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem jüngsten Bericht fest:
Den Chinesen kann man nun nicht wirklich nachsagen, sie würden beabsichtigen, als verwöhnte Wohlstandskinder den Menschen einen ungewollten grünen Lebensstil aufs Auge zu drücken. Sie forcieren ihren gewaltigen Green New Deal, weil sie gar nicht anders können. So lange ist es nicht her, als die Bilder vom Smog in Peking um die Welt gingen, als die Eltern die Kinder nicht mehr ins Freie lassen durften, weil die Feinstaub-Konzentration lebensgefährlich geworden war.
Diese Bilder sehen wir heute aus Neu-Delhi. In China ist die Luft merklich sauberer geworden, denn mittlerweile stammt bereits rund die Hälfte der Energie aus nachhaltigen Quellen, und die Verkehrsmittel werden rasend schnell elektrifiziert.
Aber was ist mit den Kohlekraftwerken, werden Kritiker nun einwenden. China baut auch diese Dreckschleudern. Dazu zwei Dinge: Viele davon werden primär als Reserve-Kapazitäten verwendet und gehen gar nicht ans Netz. Zudem stellt Martin Sandbu in der «Financial Times» fest, dass wegen der rasanten Entwicklung von Batterien und Solar- und Windparks diese Kohlekraftwerke «bald obsolet werden».
Elektroautos sind ein zentraler Bestandteil des ökologischen Umbaus. Beinahe über Nacht sind die Chinesen der grösste Exporteur von Autos geworden. 2023 haben sie die Japaner überholt und BYD (Build Your Dream) hat Tesla als führenden Hersteller von Elektroautos abgelöst, ein Umstand, der dazu geführt hat, dass sämtliche führenden Wirtschaftsmagazine prominent über dieses chinesische Elektroauto-Wunder berichtet haben.
Dieses Wunder hat verschiedene Gründe:
Zum einen sind die Chinesen seit längerer Zeit führend auf dem Gebiet der Batterieherstellung, dem Herzstück der neuen Mobilität. Rund 70 Prozent aller Lithium-Batterien, die in den Elektroautos verwendet werden, stammen aus dem Reich der Mitte. Auch BYD fing einst als Batteriehersteller an.
Gleichzeitig werden die Elektro-Autobauer massiv vom Staat subventioniert. Das ermöglicht es, dass sie weit billiger sind als ihre Konkurrenz. Das heisst jedoch nicht, dass sie sich deswegen bequem zurücklehnen können. Es herrscht im Gegenteil ein geradezu mörderischer Wettbewerb unter ihnen. Derzeit gibt es in China rund 150 Autohersteller. Experten rechnen damit, dass sich langfristig etwa ein Dutzend davon behaupten wird.
Die Chinesen können sich auf einen riesigen Heimmarkt verlassen. Während bei den Verbrennermotoren einst VW, GM & Co. das chinesische Feld beherrschten, ist es bei den Elektroautos umgekehrt. Vier von fünf Elektroautos stammen von einheimischen Herstellern und jeder zweite verkaufte Neuwagen ist inzwischen ein Elektroauto. Die Konkurrenz aus dem Westen ist derweil im Begriff, irrelevant zu werden. Ja, es gibt bereits Analysten, die beispielsweise VW raten, ihre Produktionsstätten in China abzustossen, solange sie können.
Einst haben die westlichen Hersteller über ihre chinesischen Kollegen gespottet. Das tun sie heute höchstens noch auf eigene Gefahr. Was ihre Leistung betrifft, sind selbst kostengünstige chinesische Elektroautos in der Lage, mit deutschen Edelkutschen mitzuhalten. So beschleunigt ein chinesischer Nio gleich rasant wie ein Porsche Carrera, der ein Vielfaches mehr kostet.
Zudem haben die Chinesen erkannt, dass Pferdestärken als Währung weitgehend ausgedient haben. Moderne Autos sind rollende iPhones, entscheidend ist, was sie an Software und Unterhaltungselektronik zu bieten haben. Auf diesem Gebiet sind die Chinesen führend, und sie können auch neue Modelle viel schneller auf den Markt werfen als ihre Konkurrenten. Ein neues Modell eines Verbrennerautos zu entwickeln, dauert Jahre und kostet Milliarden. Chinesische Hersteller ersetzen ein Modell, das im Markt floppt, innerhalb von Monaten.
Bisher sind Europa und die USA von der chinesischen Konkurrenz noch weitgehend verschont geblieben. Doch bei VW, GM, Toyota & Co. haben Pläne, wie man ihr begegnen kann, höchste Priorität. Auch in Regierungskreisen wird debattiert, ob man sie sich mit Strafzöllen vom Leibe halten kann. Wie weit dies gelingen kann, wird sich weisen müssen. Die Chinesen machen sich diesbezüglich ebenfalls Gedanken. Sie ahmen das Erfolgsrezept der Japaner in den Achtzigerjahren nach und beginnen, Fabriken in den betroffenen Ländern zu errichten. BYD hat bereits angekündigt, in Ungarn eine Produktionsstätte hochzuziehen. Allfällige Strafzölle der USA will BYD mit Fabriken in Mexiko umdribbeln.
Die zu erwartende Elektroauto-Flut aus China hat auch positive Seiten. Ob Tesla oder VW, alle haben bereits ihre Preise gesenkt und werden sie wohl noch weiter senken. Vor allem wird jedoch das Klima davon profitieren. China, das sich bisher an den Klimakonferenzen noch sehr zurückhaltend gezeigt hat, könnte schon bald vom Bremser zum Antreiber werden.
Oder wie es Sanbu in der «Financial Times» formuliert:
Westliche Sprüche wie "Chinesen können in Masse produzieren, aber die Qualität..." oder westliche Konzepte wie "Management in Europa, Design in USA, Produktion in China" entspringen westl. Arroganz und Kurzsichtigkeit. Als ob Chinesen Management, Design, Qualität... nicht lernen könnten... welch Arroganz!
Wenn China nun in Punkto Klimatechnologien auf die Überholspur geht dann ist das gut für das Weltklima und der Westen sollte endlich heraus aus der eigenen Arroganz und Schlafmützigkeit.
google "Kohlenkraftwerke als Stromspeicher"
Ein höchst interessanter Ansatz.