Eine neue Studie der Universität Stanford zeigt: Die weltweite Energiewende ist bereits mit heutiger Technologie möglich – und sie kostet 62 Billionen Dollar. Diese scheinbar hohen Kosten amortisieren sich aber bereits innerhalb von sechs Jahren. Und damit sind die guten Nachrichten noch nicht beendet.
Die Studie untersuchte den Energiebedarf von 145 Ländern (verantwortlich für 99,7 % der CO2-Produktion) mit einem Raster von 30 Sekunden. Das enge Intervall ist neu für eine solche Studie. Somit können Tag- und Nachtrhythmus sowie jahreszeitenabhängige Bedürfnisse berücksichtigt werden. Ziel war es, eine Infrastruktur zu modellieren, welche diesen Bedürfnissen mit rein erneuerbaren Energien nachkommen kann, ohne dass es zu Stromlücken kommt.
Als legitime Erneuerbare werten die Autoren Wasser-, Wind- und Sonnenkraft, thermische Energie sowie Wellen- und Gezeitenkraft. Atomkraft gehört nicht dazu.
Für die Speicherung der Energie setzen die Autoren vor allem auf Batterien, aber auch auf Wärme- und Kälte-, Wasser- und Wasserstoffspeicher. Sämtliche Technologien existieren bereits. Wichtig zu erwähnen ist: Es handelt sich um eine Gesamtenergiestudie, nicht um eine Stromstudie. Dementsprechend umfasst sie auch den Verbrauch des gesamten Transportwesens, der Agrikultur, des Bauwesens, der Industrie und sogar des Militärs.
Laut den Studienautoren kann in jedem der 145 Länder mit heute existierenden Technologien die Energiewende geschafft werden. Es sind dafür weltweit Investitionen im Wert von 62 Billionen nötig. Was auf den ersten Blick nach einem enormen Betrag aussieht, stellt sich bei genauerer Betrachtung als erstaunlich kostengünstig heraus.
Elektrifizierung bedeutet in der Regel eine Effizienzsteigerung. In vielen zentralen Bereichen ist die elektrische Variante ungleich effizienter als ihr Pendant, das mit fossilen Brennstoffen angetrieben wird: bei Motoren, der Heizung (mit Wärmepumpen) und der Industrie zum Beispiel. Ausserdem fallen bei einem rein elektrischen System die Kosten für die Beschaffung und den Transport fossiler Energieträger weg. Alles in allem erwarten die Autoren von einem vollelektrischen System – sie nennen es «WWS» – eine Kostenreduktion von 63 Prozent. Weiter entlastend wirken bei WWS Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen aufgrund sauberer Luft und geringere Folgeschäden aufgrund eines gebremsten Klimawandels.
Die Autoren kommen so zum Schluss, dass ein vollelektrisches System mit rein erneuerbaren Energien weltweit jährlich Einsparungen von 11 Billionen generiert. Die Investition von 62 Billionen wäre demnach in sechs Jahren amortisiert.
Die Autoren haben für alle untersuchten Länder einen Report produziert. Mit WWS könnte die Schweiz ab 2050 jedes Jahr 52 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die Energiekosten würden um 60,6 Prozent zurückgehen (von 28,1 Milliarden auf 11,1 Dollar pro Jahr).
Investieren müsste die Schweiz dafür rund 75 Milliarden Dollar. Einen grossen Teil davon würde der massive Ausbau der bisher kaum vorhandenen Windkraft verschlingen. Hier sehen die Autoren in der Schweiz das grösste Potenzial. Die Windkraft müsste bis auf einen Leistungsnominalwert von 16,5 GW ausgebaut werden, was ca. 5500 neuen Windrädern (Typ Enercon E-82 E4 mit 84 Metern Höhe und 3,02 MW) entspricht. Zum Vergleich: Die Kapazität deutscher Windkraftwerke betrug 2020 gut 62,7 GW. Die Schweiz müsste also rund einen Viertel davon installieren.
Damit sind die Erkenntnisse der Stanford-Studie mit den Modellrechnungen einer 2021 erschienenen EPFL–Studie vergleichbar. Der Testfall der EPFL-Studie umfasst 4438 neue Windkraftwerke – bei einer maximalen technischen Obergrenze von 50’398 Anlagen in der Schweiz.
Das grösste Potenzial für Windkraft in der Schweiz befindet sich (in dieser Reihenfolge) im Jura, den Alpen und den Voralpen. 40 Prozent der Anlagen würden im Jura stehen.
Neben der Windkraft müsste auch der Ausbau von PV-Anlagen vorangetrieben werden. Die nominale Gesamtleistung müsste sich rund verzehnfachen, was angesichts der grossen Menge ungenutzter Dachflächen nicht unrealistisch erscheint. Doch auch hier befindet sich das grösste Potenzial im Alpenraum. Die Wasserkraft müsste nicht weiter ausgebaut werden.
In Sachen Energiespeicher müssten vorwiegend Batterien (4,8 TWh) und unterirdische Wärmespeicher (74 TWh) gebaut werden.
Sowohl bei der Stanford- als auch der EPFL-Studie handelt es sich um rein technische Analysen. Rein technisch wären die Möglichkeiten gegeben, die Energiewende in der Schweiz wie auch auf der gesamten Welt umzusetzen. Die Bereitschaft dazu – und dass wohl jedes einzelne der 5500 Windkraftwerke mit Rekursen torpediert würde – berücksichtigen beide Studien nicht.