Die Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai hat ein wundersames Ende genommen. Erstmals an einer Klimakonferenz haben sich die Länder – nach heftiger Proteste auf den ersten Entwurf – darauf geeinigt, künftig auf fossile Energie zu verzichten. Statt auf Kohle, Öl und Gas soll auf erneuerbare Energien gesetzt werden, aber auch auf Atomkraft, Wasserstoff und die Versenkung von CO₂. Der Beschluss, um den lange gerungen wurde, wird weltweit als historisch bezeichnet. Reto Knutti von der ETH Zürich schätzt das Endresultat der COP 28 ein.
Ist die nun erzielte Vereinbarung wirklich ein Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter?
RETO KNUTTI: Ein klarer Ausstieg ist es nicht. Man will sich davon «abwenden», aber was das genau bedeutet, ist unklar. Die Länder werden dazu aufgefordert, aber es ist keine Verpflichtung. Zudem gibt es bei dieser Aufforderung mehrere Lücken. Man spricht von «unabated coal», also «Kohle ohne unverhinderte Emissionen», was bedeutet, dass Kohle im Prinzip eine Option bleibt, solange das CO₂ oder sogar nur ein Teil davon abgeschieden wird.
Ist dies das Maximum, das erreicht werden konnte?
Vermutlich ja. Die ursprünglich von vielen geforderte Formulierung «phase-out», des kompletten Ausstiegs, hätte den direkten Interessen der fossilen Industrie und des Gastgeberlandes widersprochen. Es wäre auch ein Gesichtsverlust des Vorsitzenden gewesen. Der komplette Ausstieg ist zudem nicht ganz unproblematisch. Natürlich sind die fossilen Brennstoffe für den mit Abstand grössten Teil der CO₂-Emissionen verantwortlich. Ein völliges Eliminieren der Fossilen wird jedoch extrem schwierig und teuer. Für gewisse Restemissionen in der Industrie, Verpackung, Landwirtschaft, Luftfahrt oder beim Zement wird es günstiger sein, sie durch CO₂-Entnahme oder Abscheidung auszugleichen. Diese technischen Lösungen müssen gefördert werden, das steht auch im akzeptierten Text.
Lohnt es sich, so lange um eine Formulierung zu ringen, wenn die Massnahmen am Schluss doch freiwillig bleiben?
Die UNO kennt keine Mehrheitsabstimmung. Alle müssen einverstanden sein. Angesichts der ungleichen Interessen und Voraussetzungen der Länder ist es nicht erstaunlich, dass man sich nur auf sehr wenig einigen kann. Die Beschlüsse haben primär Signalwirkung. Mit der Einigkeit kann sich zudem auch eine andere Dynamik entwickeln: Länder realisieren, dass sie Vorteile haben, wenn sie diesen Umbau aktiv mitgestalten, statt abzuwarten, bis andere technologisch die Oberhand haben.
Russland zum Beispiel wird wohl wenig Interesse an einem Ausstieg haben. Bewegt sich so ein Land dann doch in Richtung Klimaschutz?
Kurzfristig haben solche Länder natürlich kein Interesse, aus den Fossilen auszusteigen. Aber wenn niemand mehr fossile Energie will, weil die Alternativen günstiger und besser sind, dann wird es trotzdem passieren. Wir sehen Anzeichen dafür, zum Beispiel in den USA mit dem Inflation Reduction Act. Dies ist ein gigantisches Infrastrukturpaket mit viel Klimaschutz, nicht primär um die Welt zu retten, sondern um Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Wir sehen das auch bei Technologien, insbesondere bei erneuerbarer Energie, batterieelektrischen Fahrzeugen und Wärmepumpen. Wir müssen also primär daran arbeiten, dass alternative Lösungen besser und günstiger sind. Dann muss man niemanden mehr zwingen.
Was ist der grösste Erfolg bei der COP 28?
Zum ersten Mal macht ein Text von einer COP-Klimakonferenz eine explizite Aussage zu den Fossilen. Selbst diejenigen, die davon leben, anerkennen, dass die Zukunft nicht fossil sein kann. Das wird von einigen in der Politik als sehr wichtiges politisches Signal gewertet. Zudem gibt es Fortschritte im Bereich der Finanzierung von Auswirkungen und Schäden.
Die Schweiz ist, was das Klimaziel 2030 betrifft, nicht auf Kurs, ändert die COP 28 etwas am Schweizer Vorgehen?
Die Schweiz ist leider aus der «Paris High Ambition Coalition» ausgetreten, der Gruppe der Länder, die ambitionierten Klimaschutz will. Und wir sind nicht schnell genug auf Kurs, um das im Juni vom Volk angenommene Netto-Null-Ziel zu erreichen. Klimapolitik ist nationale Politik, jedes Land muss sein Energiesystem umbauen. Die Schweiz ist in einigen Rankings zum Klimaschutz sogar hinter der EU. Aber es gibt immer mehr Möglichkeiten, die auch finanziell attraktiv sind. Und auch viele Firmen gehen voran. (aargauerzeitung.ch)