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Klimagipfel COP28: Der fossile Ausstieg fehlt plötzlich im Abschlusstext

Und plötzlich fehlt der fossile Ausstieg im Abschlusstext – Klimagipfel verlängert

Lange sah es gut aus für den Beschluss zum Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl. Doch plötzlich enthält der Abschlusstext der Klimakonferenz in Dubai diesen Teil nicht mehr. Was ist passiert?
12.12.2023, 05:1412.12.2023, 08:59
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Wie war die Ausgangslage?

Entgegen den Erwartungen vieler, sah es bei den Verhandlungen an der diesjährigen Klimakonferenz lange nach einem grossen Schritt aus. Strittigster Punkt war seit Konferenzbeginn Anfang des Monats, ob sich die Staatengemeinschaft einstimmig auf einen Ausstieg aus den klimaschädlichen Energieträgern Kohle, Öl und Gas einigen kann.

Eine grosse Mehrheit der UN-Staaten stand dabei überraschend geschlossen hinter dem Vorhaben: Über 100 Staaten forderten den Ausstieg aus fossilen Energien. Dazu gehörte nicht nur die EU, auch afrikanische und südamerikanische Staaten sowie besonders vulnerable Staaten forderten vehement einen Ausstieg. Und sogar die USA zeigten sich kompromissbereit. Auf der anderen Seite galt vor allem Saudi-Arabien als möglicher Spielverderber, aber auch China, der Irak und Russland leisteten Widerstand.

Trotzdem: Die Aussichten verleiteten sogar die Umweltorganisation Greenpeace noch vor zwei Tagen zu dem Satz: «Wir sind nah dran, hier Geschichte zu schreiben».

In der ersten Version des Verhandlungsdokuments, das am Ende der Klimakonferenz von den teilnehmenden Staaten unterschrieben werden soll, stand der Ausstieg – zumindest als eine von möglichen Optionen – bereits drin. Eigentlich schien es nur noch um die Formulierung zu gehen.

Was ist am Montag passiert?

Angesichts der Ausgangslage wurde der neue Entwurf deshalb mit Spannung erwartet. Am Montagabend erfuhr man jedoch: Die neue Version für den Abschlusstext der Weltklimakonferenz in Dubai sieht keinen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas mehr vor. In dem 21-Seiten-Papier, das am Montag von Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber veröffentlicht wurde, ist der Begriff «Ausstieg» («phase-out» oder «phase-down») gestrichen worden. Stattdessen hiess es, die Länder sollten «den Verbrauch und die Produktion fossiler Brennstoffe auf gerechte, geordnete und ausgewogene Weise reduzieren».

COP28 President Sultan al-Jaber speaks during a plenary stocktaking session at the COP28 U.N. Climate Summit, Monday, Dec. 11, 2023, in Dubai, United Arab Emirates. (AP Photo/Rafiq Maqbool)
Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber.Bild: keystone

Während viele Länder den Text stärken wollten, wurde zuvor befürchtet, dass andere wie Saudi-Arabien und seine ölproduzierenden Verbündeten in der Opec die letzten Stunden nutzen könnten, um den Entwurf weiter abzuschwächen. Die Saudis haben offenbar während des Treffens darauf bestanden, dass sich das Dokument auf den Umgang mit Emissionen und nicht auf fossile Brennstoffe beziehen sollte.

Ein Sprecher von Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber, der die Beibehaltung von 1,5-Grad als seinen «Nordstern» bezeichnet hat, sagte: «Die Präsidentschaft der COP28 hat von Anfang an ihre Ambitionen klar formuliert. Dieser Text spiegelt diese Ziele wider und ist ein grosser Schritt nach vorn. Jetzt liegt es in den Händen der Parteien, denen wir zutrauen, das Beste für die Menschheit und den Planeten zu tun.»

Von Anfang an hatte es viel Kritik daran gegeben, dass Konferenzpräsident Sultan al-Dschaber gleichzeitig Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc ist, und dass gut 1400 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas offiziell akkreditiert wurden.

Wie lauten die Reaktionen?

Die Reaktionen fielen teilweise äusserst scharf aus. Umweltorganisationen reagierten enttäuscht, ebenso die Staaten, die besonders von der Klimakrise bedroht sind. Viele Verhandler an der Konferenz gaben sich konsterniert – aber auch kämpferisch.

Der Chefverhandler der EU, Wopke Hoekstra, hat ein vernichtendes Urteil über den aktuellen Textentwurf für die Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz gefällt. Der Text sei «eindeutig unzureichend und nicht dazu geeignet, das Problem zu lösen, das wir hier angehen wollen».

«Wir sind nicht nach Dubai gekommen, um unser Todesurteil zu unterschreiben.»

Der Chef-Verhandler der vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Marshall-Inseln, John Silk, sagte, man sei nicht nach Dubai gekommen, «um unser Todesurteil zu unterschreiben». Man werde nicht «stillschweigend in unsere wässrigen Gräber» steigen.

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, sagte, er sei «wirklich fassungslos», dass der Entwurf die Wünsche und Interessen der Öl- und Gasindustrie bediene, aber nicht der Menschen, die jetzt schon unter den Überschwemmungen und Dürren am meisten litten. Gerade beim Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, die über 100 Staaten eingefordert haben, sei der Entwurf sehr unverbindlich.

«Er kann, wenn er so verabschiedet wird, diese Konferenz zum Scheitern bringen», warnte Kaiser. Jetzt liege es an den EU-Aussenministern, gemeinsam mit den Inselstaaten und den am meisten verwundeten Staaten dafür zu sorgen, «dass diese Unverbindlichkeit aus dem Dokument wegkommt» und es einen verbindlichen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas gebe.

Die zweiwöchigen Verhandlungen sollen am Dienstagvormittag enden, waren aber zuletzt ins Stocken geraten. Wie immer in den vergangenen Jahren könnte die Konferenz in die Verlängerung gehen.

Zuvor hatte mittags UN-Generalsekretär Antonio Guterres die knapp 200 Staaten noch aufgerufen, sich zusammenzuraufen und den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas im Abschlusstext festzuschreiben. «Jetzt ist es an der Zeit für maximalen Ehrgeiz und maximale Flexibilität», sagte er bei einem Auftritt vor der Weltpresse.

Der Oxfam-Experte Jan Kowalzig sagte, in dem Textentwurf fänden sich sogar die anderen angestrebten Ziele – eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienz – nicht als Ziel wieder, sondern nur als mögliche Massnahme. «So darf die COP28 nicht enden», warnte er. Das 2015 in Paris vereinbarte Ziel, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, werde mit diesem Entwurf «wohl aus dem Fenster geworfen». Auch Kowalzig forderte, die Europäische Union dürfe der Erklärung in keinem Fall zustimmen und müsse erhebliche Nachbesserungen einfordern.

Viviane Raddatz, Klima-Chefin des WWF Deutschland, sagte, der Textentwurf enttäusche sehr und lasse befürchten, dass diese COP zu einem gigantischen Misserfolg führen könnte.

Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock hatte zuvor auf Instagram geschrieben, die Mehrheit aller Staaten wolle aus den fossilen Energien aussteigen. Einige Länder hätten aber Sorge, weil ihnen Unterstützung bei der Umsetzung fehle. «Wir wissen, dass es unsere Verantwortung als Industriestaaten ist, auch ihnen den Ausstieg zu ermöglichen. Und das werden wir tun.» Sie gab sich kämpferisch: «Was wir nicht tun werden, ist, vor denen einzuknicken, die alle Mittel haben – insbesondere finanzielle.»

«Die Welt schaut zu. (...) Nirgendwo kann man sich verstecken.»
Simon Stiell, UN-Klimachef

Auch UN-Klimachef Simon Stiell pochte auf Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung. «Jeder Schritt weg von den höchsten Ambitionen kostet unzählige Millionen Menschenleben – und zwar nicht im nächsten politischen oder wirtschaftlichen Zyklus, mit dem künftige Staats- und Regierungschefs zu kämpfen haben, sondern bereits jetzt, in jedem Land.» Weiter sagte er: «Die Welt schaut zu, so wie die 4000 Medienvertreter und tausende Beobachter hier in Dubai. Nirgendwo kann man sich verstecken.»

Wie gehts es weiter?

Kurz vor dem geplanten Ende der Weltklimakonferenz in Dubai wollen Deutschland, die EU und Dutzende weitere Staaten noch weitreichende Nachbesserungen am geplanten Abschlusstext durchsetzen.

Die zweiwöchigen Verhandlungen der knapp 200 Regierungen sollten laut Plan um 11.00 Uhr vormittags Ortszeit enden. Doch das Ringen um den Abschlusstext geht weiter, weshalb die Klimakonferenz wie fast immer in den letzten 20 Jahren in die Verlängerung gegangen ist.

(lak/sda)

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245 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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maylander
12.12.2023 06:09registriert September 2018
Oh was für eine Überraschung.
Hat wirklich jemand gedacht, dass die Scheichs ihre einzige Einnahmequelle aufgeben. Ohne Petrodollars bricht in der Region die Gesellschaft zusammen
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Duke999
12.12.2023 05:54registriert Oktober 2023
Die welche ernsthaft daran gedacht haben dass an der Klimakonferenz etwas vernünftiges heraus kommt, sind schon sehr naiv.
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Walter Sahli
12.12.2023 06:22registriert März 2014
Die Saudiis und die Ölberts werden von den Protesten genauso beeindruckt sein, wie sie damals von den Protesten gegen die Ermordung Khashoggis beeindruckt waren.

Viel wirksamer als eine Absichtserklärung wäre übrigens eine Vervielfachunf des Ölpreises. Die Wirtschaft würde sich erstaunlich rasch in Richtung erneuerbare Energien bewegen.
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