Bisherige US-Shutdowns: Wenn in Washington D.C. nichts mehr geht
Die Lichter in den Büros sind gedimmt, die Computerbildschirme bleiben dunkel und die Flure sind verlassen. So darf man sich wohl viele der Regierungsbüros in Washington D.C. vorstellen, die seit Mittwochmorgen leer stehen. Die US-Regierung befindet sich seit Mitternacht in einem sogenannten Shutdown – und der dürfte so schnell nicht zu Ende gehen.
Shutdown bedeutet, einfach gesagt, dass sich der Kongress nicht auf einen gemeinsamen Haushalt für das nächste Budgetjahr einigen konnte und so die Regierung ihren Mitarbeitenden kein Gehalt mehr zahlen kann. Ein von der Regierung und Abgeordneten abgesegnetes Budget ist die Voraussetzung dafür, dass die Bundesbehörden ihrer Arbeit nachgehen können. Bis null Uhr hatten die Abgeordneten dafür Zeit. Was im vergangenen Jahr noch gelang, funktionierte diesmal nicht.
Es ist zu einem Ritual geworden, dass der US-Kongress im September um den Haushalt ringt, der am 1. Oktober verabschiedet werden muss. Schon oft verhandelten Demokraten und Republikaner bis zur letzten Minute. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass dieses Kalkül aber nicht immer aufgeht. Der aktuelle Shutdown ist bereits das 21. Mal, dass die Arbeit der US-Regierung lahmgelegt wird.
Der längste Shutdown in der US-Geschichte dauerte 35 Tage
Der bisher längste Shutdown in der Geschichte der USA fiel in die erste Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. Es war zugleich die teuerste Haushaltssperre der Geschichte. Fünf Wochen zog sich der Stillstand, rund 800'000 Staatsangestellte mussten ihre Arbeit niederlegen. Dieser Shutdown kostete die US-Wirtschaft elf Milliarden Dollar, berechnete die Behörde Congressional Budget Office (CBO). Zwar floss ein grosser Teil (acht Milliarden Dollar) etwa in Form von Nachzahlungen an Angestellte oder nachgeholten Ausgaben später wieder zurück in die Wirtschaft. Drei Milliarden Dollar jedoch blieben verloren, weil verschobene Investitionen nicht nachgeholt oder einige Aufträge dauerhaft gestrichen wurden.
Grund für die lange Sperre war ein Streit darüber, wie die von Trump geforderte Mauer an der Grenze zu Mexiko bezahlt werden sollte. Nach 35 Tagen lenkte Trump im Januar 2019 ein. Zuvor hatten die Bundesangestellten zum zweiten Mal kein Gehalt bekommen.
Zum letzten längeren Shutdown kam es 2013 unter US-Präsident Barack Obama, er dauerte 17 Tage. Der Streit drehte sich um Obamas Gesundheitsreform Obamacare. Teile der Republikaner weigerten sich, einem neuen Haushalt zuzustimmen, um sie zu stoppen. Laut der US-Bundesbehörde Office of Management and Budget mussten in dieser Zeit rund 850'000 Bundesangestellte in den unbezahlten Zwangsurlaub. 6,6 Millionen verlorene Arbeitstage kamen so zusammen. Die US-Regierung bezifferte allein die unmittelbaren Kosten durch den Produktivitätsausfall auf rund zwei Milliarden US-Dollar. Das Congressional Budget Office kam zu einem noch gravierenden Befund: Insgesamt kostete der Stillstand die US-Wirtschaft etwa 24 Milliarden Dollar.
18 Jahre zuvor fand der bisher zweitlängste Shutdown der Geschichte statt: 21 Tage. Zum Jahreswechsel 1995/1996 schloss die Regierung, weil Republikaner den US-Präsidenten Bill Clinton dazu bringen wollten, Steuererhöhungen rückgängig zu machen. Genaue Zahlen zu diesem Shutdown schwanken. Schätzungen des Congressional Research Service gehen von mehr als einer Milliarde Dollar direkten Kosten aus.
Zu den ersten, meist nur wenige Tage dauernden, Shutdowns kam es in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Es handelt sich also nicht um ein neues Phänomen, doch die Bedeutung der Haushaltssperre habe sich verändert, sagt Sudha David-Wilp, Vizepräsidentin der US-Denkfabrik German Marshall Fund, der ZEIT: «Die Parteien nutzen die Shutdowns zunehmend dafür, ein politisches Signal zu setzen, anstatt eine Haushaltsentscheidung zu erzwingen.» Direkt betroffen seien natürlich die Staatsbediensteten, aber die wirtschaftlichen Folgen gingen viel tiefer, so David-Wilp. Die gesamte Wirtschaft leide durch die Unsicherheit und Arbeitsausfälle, die ein Shutdown mit sich bringe. Der ohnehin schon vorherrschende Politikverdruss in der Bevölkerung werde so noch grösser, meint David-Wilp: «Viele Menschen verlieren so weiter Vertrauen, dass die Regierung überhaupt etwas zustande bringt.»
Mit Agenturmaterial
Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.