Die Geilste finde ich so eine Schicki-Micki-Zürichberg-Tante. Sie trägt Louboutins (sauunbequem und sauhoch), logischerweise eine Birkin-Tasche und so einen beigen Trenchcoat von was weiss ich was für einer Luxusmarke.
Ihr Haar ist logischerweise lang, blond gesträhnt, ihre Lippen rot, ihre Haut faltig. Gut möglich, dass sie in jungen Jahren zu viel Zeit an der Sonne mit zu wenig Sonnenschutz verbracht hat.
Nennen wir sie Karen.
Karen ist mit ihrem Mann da. Wahrscheinlich ein Chefchirurg. Oder CEO von irgendwas, das ich nicht kenne. Oder CFO oder wie all die wichtigen Positionen halt so heissen. Karen und ihr Mann sind, logisch, mit ihrem Porsche Cayenne da.
Während sich Karens Mann ganz genau umschaut, lässt Karen die Wimpern klimpern. Sie tänzelt um den Mittfünfziger rum, der heute hier ist, um uns das Loft zu zeigen, in dem wir stehen. 140 Quadratmeter Luxus. Inklusive Terrasse, Dusche, Badewanne, Induktionsherd, Mikrowelle, Steamer, Pipapo halt.
Karen lobt den Mittfünziger für seine Frisur. Und seine Hände. Dann fällt ihr der Cayenne-Schlüssel aus der Tasche. Karen bückt sich so, dass der Mittfünfziger freie Sicht auf Karens Hintern hat, den sie in eine Lederleggings gepackt hat.
Vielleicht würde der Mittfünfziger ja sogar darauf anspringen, wäre er nicht so busy. Da ist eine andere Frau, die den Kerli verführen will. Sie hat ihm selber gemachte Cookies gebracht. Mit Fleur de Sel. Der Mann der Cookie-Dame derweil hat einen «super Tropfen aus der Toskana» dabei.
«Im nächsten Leben werde ich auch Immo-Heini», flüstert mir Sandro ins Ohr. Milf-Hunter, meinst du, sag ich. Wir lachen.
Während Sandro das Loft unter die Lupe nimmt, komme ich nicht vom Fleck. Zu gut ist das Szenario rund um den Mittfünfziger.
Jetzt ist noch so eine Partybraut eingefahren. Zum Lederjupe kombiniert sie halterlose Strümpfe. Die sie notabene immer wieder total zufällig hervorblitzen lässt, wenn der Mittfünfziger hinschaut. Die halterlosen Strümpfe sind mit einer hardcore tätowierten Freundin da. Die setzt auf bauchfrei. Sie wollen gemeinsam einziehen.
«Wissen Sie», hauchen die halterlosen Schlümpfe in Richtung Mittfünfziger, «wir sind ein offenes Paar, wenn Sie wissen, was wir meinen.»
Ich weiss es nicht und will sehr gerne nachfragen.
Bevor ich aber irgendwie agieren kann, zieht mich Sandro ins Bad. «Du starrst», sagt er. Weiss ich, antworte ich.
Ob er hier wohnen will, frag ich. Nein, sagt er. Nein, sage ich. Ist zwar riesig und geil, hat aber null Rückzugsmöglichkeiten.
Bevor wir gehen, werfe ich noch einen Blick in die Küche. Der Mittfünfziger muss jetzt vier Damen jonglieren. Ich frag mich, ob wir hier an einer Wohnungsbesichtigung, einem Gangbang oder in einem Darkroom sind.
Ein paar Tage später schauen sich Sandro und ich eine andere potenzielle Wohnung an. Auch im eher oberen Preissegment. Dieses Mal habe ich löchrige Leggings, Boots und Hoodie gegen enge Jeans und Pumps getauscht. Meine Lippen sind dezent rot.
Sandro derweil verzichtet kurz auf die Zigi, die er sich sonst immer übers rechte Ohr steckt. Und auch er hat Jogginghose und Gymbag gegen Jeans und ein, ich muss immer noch lachen, Hemd getauscht.
Wir sind nicht die Ersten, die da sind. Mein Blick fällt aber auf ein durchsichtiges Säckli mit Cookies drin. Madame Fleur de Sel ist also auch da. Sie ist nicht das einzig bekannte Gesicht. Karen und ihr CEO/Chirurg/CFO sind ebenfalls anwesend!
Karen trägt 1:1 das gleiche Outfit. Dieses Mal bringt aber alles nichts.
Es ist eine Frau, die uns die Wohnung zeigt. Als sie Sandro sieht, druckst sie etwas rum. «Oh, hallo», sagt sie. «Salüüü ...», sagt er. Er hat keine Ahnung, wie sie heisst. Und auch sie scheint seinen Namen vergessen zu haben.
«Emma», sag ich und streck ihr meine Hand hin. «Sehr coole Wohnung», versuche ich die etwas angespannte Situation zu entspannen. «Ja, hihi …», sagt sie. Bevor ich was fragen kann, ist Karen da. «Super tolle Jeans, die Sie tragen», sagt sie zu der Wohnungszeigerin. «Sitzt perfekt. Aber gälled Sie, wänn mer so jung und knackig isch wie Sie, chan mer alles träge!?»
Ich finde Karen scheisse.
Wieder zieht mich Sandro weg. «Du hast die gevögelt, gell?», sag ich und lache laut. «Ja», sagt er. Irgendwo nach einer Homeparty mal.
Sei ganz schlechter Sex gewesen.
End of Story. Und End of Wohntraum.
Respekt!
Abgesehen davon: Ist Emma aufgefallen, dass diese Karen ihre Zukunft sein könnte?