Für einige mag, was nun kommt, an Blasphemie grenzen, aber ich kann nicht anders: Was für andere «der schönste Tag im Leben» ist, ist für mich die absolute Hölle. Ich hasse Hochzeiten. Ich hasse alles daran. Das ist nicht so schlimm, weil man ja nicht ständig an Hochzeiten ist. Ist ja nicht so, wie wenn man Zähneputzen hassen würde. Bin ja nicht mehrmals am Tag damit beschäftigt.
Hochzeiten zu hassen, ist auch nicht salonfähig. Sofort wird man als emotionsloses A*** abgestempelt. Als ein Miesepeter, der sich nicht für andere freuen kann. Das stimmt aber gar nicht. Ich freue mich, dass da zwei sind, die glauben, dass sie zusammenbleiben, obwohl wirklich jede Statistik gegen sie spricht. Ich finde das gut. Diesen Optimismus. Diese Naivität. Was ich hasse, ist das ganze Drumherum. Dass man so tut, als würde man nicht im 21. Jahrhundert leben. Dass alles, wofür viele der Heiratsleute sonst stehen, Emanzipation, Feminismus, Wissenschaft, dass das plötzlich weg ist und man altmodische Bräuche zelebriert, sogar in die Kirche rennt und so tut, als wäre man immer gläubig gewesen, das hasse ich.
Ich sage niemandem, dass ich Hochzeiten verabscheue. Was zur Folge hat, dass ich ständig eingeladen werde. Letztes Jahr war ich an 9 (NEUN) Hochzeiten.
Das hat aber, so bin ich überzeugt, wenig mit mir zu tun, sondern eher damit, dass ich Single bin, respektive war, anderes Thema, egal, aber alle wissen, dass Hochzeiten erst gut werden, wenn genug Singles da sind, die sich betrinken und bei denen man am nächsten Morgen ein munteres Wer-hat-mit-wem-Ratespiel machen kann.
Abgesehen von Hanna weiss niemand von meiner Abneigung. Bin ja nicht blöd. Will mich ja nicht unbeliebt machen. Aber hier? Hier ist es ja egal. Hier ist meine Beliebtheit sekundär und hier weiss ja niemand, wer ich bin.
Ich war ja eben an einer Hochzeit. Mit Lara. So weit, so gut. Sie hat mir übrigens letztes Mal nichts «Schlimmes» erzählen müssen. Sie hatte einen erfolgreichen Tag bei der Arbeit und war stolz darauf. Ich war erleichtert.
Mit Lara sind ja auch die schlimmen Dinge okay, manchmal sogar gut. Die Hochzeit war: «Okay». Sie war besser als andere. Sagen wir: aushaltbar. Es half, dass ich niemanden kannte. Lara auch nicht wirklich. Wir waren mehrheitlich für uns. Was wir für das Vergnügen bezahlen mussten, das hingegen war nicht «okay».
Die Hochzeit war in den Schweizer Bergen. Allein das Hotel, das schon reserviert war, man konnte gar nichts anderes buchen, allein das kostete 600 Franken für uns beide für zwei Nächte. SECHSHUNDERT FRANKEN! Sei ein Spezialpreis! WTF!
Dann musste man ja noch ein Zugticket kaufen und der Brunch am Sonntagmorgen war nicht inklusive, den musste man selbst bezahlen. All in all kommen wir auf ein gutes Mill. TAUSEND FRANKEN!
Aber eben. Es war nicht die schlimmste Hochzeit, die ich je erlebte.
An einer Hochzeit waren die Getränke exklusiv. Heisst: Alle, die Wein tranken, mussten danach ihren Anteil bezahlen, die Drinks musste man ohnehin selbst bezahlen. Ich war noch Student und danach pleite.
Einmal dauerte die Rede des Brautvaters eine Stunde. EINE STUNDE. (Capslock ist on fire heute.) Ich habe auf die Uhr geschaut, es war wirklich und nicht nur gefühlt eine Stunde.
Bis auf zwei Ausnahmen habe ich nur schlechte Reden gehört. Bei der Menge an Hochzeiten, die ich besucht habe, sind das sehr viele schlechte Reden.
Noch schlimmer als Reden sind Dia-Shows mit peinlichen Fotos des Brautpaares, als sie noch klein waren. Warum muss man sie so entblössen? An ihrem schönsten Tag des ..., ach whatever. Traditionen halt.
Schlimmer als Reden und Diashows sind Spiele. Nie, wirklich nie sind die lustig.
Apropos Traditionen:
Was soll das mit dem gemeinsamen Torte anschneiden? Ist das Messer zu schwer für eine Person allein?
Der Hochzeitstanz? Unangenehm zuzuschauen. Vor allem, wenn das Paar eine Choreo gelernt hat.
Den Brautstrauss werfen? Einmal hat sich eine Frau den Knöchel gestaucht, als sie den Brautstrauss fangen wollte. Sie humpelte den Rest des Abends durch die Gegend. Gefangen hat sie ihn nicht.
Ich hasse Hochzeiten. Lara? Nicht. Sie war ganz beseelt danach. Ob ich auch mal heiraten wolle, fragte sie, als wir im Bett des sauteuren Hotelzimmers lagen. (Ohne davor Sex zu haben, weil viel zu viel gefressen, zu müde, zu langer Tag, Hochzeitsfluch.)
Ich brummte ein Nein. «Ist altmodisch, hast recht», sagte sie, «aber trotzdem, mal so ein Fest wäre schon schön.»
Ich tat so, als hätte ich schon geschlafen.
So long,
Ben