Falls ihr in den letzten paar Wochen in den Sommerferien und zu faul wart, meine letzten zwei Texte zu lesen, hier eine kleine Zusammenfassung: Ich habe in Tel Aviv fremdgeknutscht. Sandro hat's supersportlich genommen.
Dann haben wir uns eingestanden, dass unser Sex top ist, wir uns aber hie und da nach ersten Küssen, Berührungen und mehr mit anderen sehnen.
Aktuell befinden wir uns in der Überlegungsphase zur Frage: Wie weiter?
Neulich sind wir uns nach einem Fest auf einem Zürcher Platz, auf dem wir zu viel Bier getrunken haben, einig, dass wir so was von genug cool sind, unsere Beziehung zu öffnen. Mehr noch: Wir schauen uns nach einer netten Dame um, die mit uns nach Hause will.
Sommer, Threesome, Freiheit, here we come.
Dann muss ich aber kotzen. Das Bier, die Sommernacht, die Freiheit. Alles etwas viel. Sandro bringt mich nach Hause. Er legt mir ein kühles Tuch auf die Stirn und stellt einen Kotzeimer neben das Bett. Den ich in dieser Nacht noch zweimal brauche.
Tschüss, Sexyness.
Ein paar Tage später sitzen wir nach dem Afterwork-Schwumm am Wasser, als Sandro sagt, dass er Bauchweh hat. Es tue sehr weh, meint er. Ich nehme es gelassen. Sandro ist einer dieser Männer, die bei jeder Männergrippe 80-mal sterben. Pro Stunde.
Sandro wird aber immer etwas bleicher. Nun liegt der Gute so gekrümmt da, dass selbst mir langsam mulmig wird. Es tue so dermassen weh wie noch nie was in seinem Leben, sagt er.
Aufstehen kann er nicht. Essen oder was trinken noch weniger. Die Szenerie wird schnell dramatisch. Eine Frau fragt, ob sie helfen kann. Sandro jammert, ich erkläre. Sie sagt, sie sei Ärztin und empfehle uns, in den Notfall zu gehen.
Sandro wimmert. Ich bestell ein Taxi. Es ist kurz nach 21 Uhr.
Wir fahren zum Unispital. Die Fahrt verbringt Sandro damit, mir seine allergrösste Liebe zu erklären. Für den Fall, dass er stirbt, sagt er. Dummkopf, sage ich.
Falls er doch überlebe, dann «ach, Ems, dann lass uns kleine Emmas und Sandros machen». Wie er da so auf meinem Schoss liegt und herzig und dennoch leicht nervig ist, bin ich sehr gerührt.
Kartoffeln oder freie Liebe, frage ich. «All in», sagt er. «Ich mein, schau mal, wie kurz das Leben ist?»
Ach, Sandro.
Bei der Anmeldung kriegt der Gute kein Wort raus. Er liegt gekrümmt auf 3 Stühlen. Dann wird's kurz «Grey's Anatomy»-dramatisch. Drei Menschen in Weiss hieven Sandro auf eine Liege und fahren ihn schnell davon. Ohne mich.
Jetzt krieg es auch ich mit der Angst zu tun.
Was, wenn's wirklich was enorm Schlimmes ist?
Uns der Tod auseinanderreisst?
Ich Witwe ohne Trauschein werde?
Kinderlos. Ehelos. Null famos.
Jetzt muss ich sehr weinen. In Gedanken sitze ich schon in der ersten Reihe von Sandros Beerdigung. Ich trag so einen kleinen schwarzen Hut, wie die Royals haben. Seitlich irgendwie festgesteckt. Vor dem Gesicht ein Netz.
Ich habe keine Ahnung, wie lange es dauert, eventuell eine Stunde, eventuell eine Ewigkeit, bis mich Sandro anruft.
Der Blinddarm! Er muss raus! Voll geil, findet er. Vollnarkose. Lustige Medis. Juhui.
Ich hasse ihn und ich liebe ihn.
Ich will tausend Kartoffeln von ihm und ich will null Kartoffeln von ihm.
Ich will ihn nie, nie, nie mit einer anderen Frau teilen, ich will ihn mit allen Frauen teilen, weil das Leben, hurensiech namal, halt wirklich einfach gelebt werden soll, solange es ist.
Während ich diese Zeilen schreibe, liegt Sandro neben mir auf meinem Balkon. Die Narbe tut ihm weh. Alles tut ihm weh. Nur Gras hilft, sagt er. Und Blowjobs. Und das Essen vom Inder um die Ecke. Das er aber nicht holen mag. Ich aber schon ein krasser Schatz bin, betont er.
Es ist wie immer. Ich liebe ihn und er nervt mich. Vielleicht liebe ich ihn, nachdem wir dem Tod ganz schnell und von Weitem ins Auge blickten, etwas mehr. Und vielleicht nervt er etwas weniger.
Und jetzt muss ich los. Der Patient hat Huuuuuunger! Und Duuuuuurst. Und ist spiiiiiitz.
Papes braucht er auch. Genauso wie Zahnpasta, Haushaltspapier und WC-Ente.
Aber ich will mich ja nicht beklagen.
Wirklich nicht.
Nöö nöö.
Pas du tout!
Da höre ich immer wieder wie die Schmerzen von Frauen beim Arzt nicht ernst genommen werden und sowohl Arbeitgeber als auch Partner kein Verständnis für Regelbeschwerden zeigen und aus genau den gleichen Mäulern wird dann gelästert wenn ein Mann mal nicht den harten Hund raushängen lässt wenns ihm nicht gut geht.
Danke
Den Rest würde ich erst wieder thematisieren, wenn die Emotionen und Stresshormone etwas besänftigt sind;)