Man braucht keinen Intelligenzquotienten von Einstein'schen Dimensionen zu besitzen, um zu verstehen, wie die Schweiz auf den Zollhammer von Donald Trump reagieren muss: neue Handelspartner suchen, sich mit der EU einigen und keinen Hurra-Krieg mit den USA eingehen. Realistisch gesehen gibt es dazu keine Alternative, das sehen die Ökonomen von Economiesuisse genauso wie die NZZ und die Sozialdemokraten.
Realistisch gesehen ist auch klar, dass die Schweizer Wirtschaft vor einer schweren Herausforderung steht, wahrscheinlich der schwersten seit Jahrzehnten. Deshalb ist Einigkeit das Gebot der Stunde. Das Zollhammer-Debakel ist weder die Schuld der Bundespräsidentin noch des Gesamtbundesrates. Gegen einen amerikanischen Präsidenten, dessen Geisteszustand immer öfter angezweifelt wird und dessen Narzissmus und Willkür keine Grenzen kennen, sind auch die besten Diplomaten machtlos – und die Schweiz kann sich diesbezüglich über keinen Mangel beklagen.
Das heisst keineswegs, dass Kritik nicht erlaubt wäre. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer haben wohl mit Erstaunen feststellen müssen, dass Goldexporte einen gewichtigen Anteil unserer Exporte ausmachen, und fragen sich nun, ob dies wirklich sinnvoll sei. Ebenso kann man an der Übermacht der Pharma-Exporte Zweifel anbringen. Diese Diskussionen sollten jedoch im Interesse aller in einem gesitteten Rahmen über die Bühne gehen.
Leider stehen die Zeichen dafür schlecht. Statt Einigkeit und vernünftige Debatten drohen uns Zwist und Verschwörungstheorien, wie wir sie von den Amerikanern kennen. Die SVP kann sich nicht damit abfinden, dass sie mit Trump auf das falsche Pferd gesetzt hat. Stattdessen stellt sie die Verhältnisse auf den Kopf. So kommt etwa der Banker und SVP-Nationalrat Thomas Matter zum erstaunlichen Schluss, dass nicht etwa der US-Präsident der Vater des Zollhammers sei, sondern die EU.
Matters irre Logik liest sich wie folgt: «Denn die USA werfen unserem Land jetzt schon vor, dass wir mit der Übernahme von EU-Regulierungen indirekte Handelshemmnisse aufgebaut haben (namentlich im Bereich Umwelt und Lebensmittel). Darum wird die Schweiz mit reziproken Zöllen bestraft.»
Dabei muss Matter noch zu den Gemässigten gezählt werden, vergleicht man ihn mit Markus Somm. Der Chefredaktor des «Nebelspalters» – eine Publikation, die weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet – versteigt sich neuerdings in Verschwörungstheorien von QAnon’schen Ausmassen. Das ist insofern erstaunlich, als Somm – einst ein vielversprechender Bundeshaus-Journalist des «Tages-Anzeigers», der betont linke Positionen vertrat – dann seinen langen Marsch nach rechts antrat und deswegen einst gar als möglicher NZZ-Chef gehandelt wurde.
Heute ist er definitiv in der Schwurblerecke gelandet, wie sein jüngster Kommentar zeigt. Der Bundesrat und Karin Keller-Sutter seien eigentlich auf bestem Weg gewesen, einen für die Schweiz sehr vorteilhaften Deal auszuhandeln, stellt Somm fest. Das habe jedoch den beiden Bundesräten Beat Jans und Ignazio Cassis nicht gepasst. Die beiden hätten daher diesen Deal mit sogenannten Mitberichten hintertrieben.
Konkret wirft Somm Justizminister Jans und seinen Mitarbeitern Folgendes vor: «Diese setzen zurzeit ganz auf die Trump-Phobie im Land, um ihre missratenen Verträge dem Volk anzudrehen: Man müsse sich angesichts des geopolitischen Irrsinns in Amerika um jeden Preis an die EU anlehnen. Deshalb sabotierte Jans den Deal mit den USA – das würde er nie so bestätigen, aber so war das Resultat.»
Der Aussenminister befindet sich derweil in den Klauen eines Deep States. Somm schreibt: «Cassis ist kein Euroturbo, aber er steht dem EDA vor, einem Departement, das bei seinem Personal die höchste Euroturbo-Dichte in Europa aufweist, wenn nicht weltweit. Hier arbeiten Leute, insbesondere Diplomaten, die ihren Traum vom EU-Beitritt nie aufgegeben haben, selbst wenn rund 70 Prozent ihrer Chefs, das Schweizer Volk, davon nichts wissen wollen. Es hat sich hier eine Art Nebenregierung der Euroturbos etabliert. Eine Minderheit, die der Mehrheit ihre Wünsche diktiert.»
Jans und den Euroturbos sei es mithilfe von fiesen Tricks gelungen, einen Deal mit den USA zu verhindern. Daher spricht Somm von einem «Skandal der Giftklasse 1».
Die Schweiz ist wegen ihrer Vielsprachigkeit und ihres Wesens als direkte Demokratie auf Kompromiss gebürstet. Bisher schien sie daher gegen eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, wie sie die USA erleben, gefeit zu sein. Selbst die SVP galt bisher zwar als stramm konservativ und EU-feindlich, doch sie schien noch weit entfernt vom MAGA-Irrsinn zu sein.
Wir müssen umdenken. Weder Matter noch Somm sind dumpfe Rechtsradikale mit Glatze, Bomberjacke, Stiefeln und einem IQ, der kleiner ist als ihre Schuhnummer. Der eine ist ein erfolgreicher Banker, der andere gilt, oder galt zumindest, als einer der führenden Polit-Journalisten in diesem Land. Beide wissen, was sie tun. Sie können sich jedoch nicht eingestehen, sich bei Trump geirrt zu haben. Stattdessen kopieren sie die Methode des US-Präsidenten und versuchen, ihren Irrtum mit immer absurderen Verschwörungstheorien zu übertünchen.
Das ist ein sehr schlechtes Omen für unser Land. Anstatt mit vernünftigen Strategien und Methoden gegen den Zollhammer anzukämpfen, müssen wir damit rechnen, dass wir auf Trump’sche Verhältnisse zusteuern, dass den Rechten keine Verschwörungstheorie zu irr sein wird, um sie nicht gegen die EU und die Euroturbos zu verwenden und die Land- gegen die Stadtbevölkerung aufzuhetzen.
Das sollte uns noch viel mehr Angst machen als der amerikanische Zollhammer.
Ich wette, die SVP hätte schon vor Jahrzehnten allen Bilateralen Verträgen auf immer und ewig zugestimmt. Und auch wegen der lächerlichen Kohäsionsbeiträge keinen Mucks gemacht, die die Schweiz pro Jahr so viel kosten wie ein Schulhausumbau.
Die SVP scheint wirklich nur auf offen brutale, dominante und aggressive Ansagen zu reagieren. Dann aber mit sofortiger und totaler Unterwerfungsbereitschaft.
Hilft beo Narzissmus 😉