One-Night-Stand als Hummer
Für meine Mutter gab es nichts Schlimmeres, als wenn wir Kinder einen Sonnenbrand hatten. Sie wurde nicht wütend, wenn wir schlechte Noten hatten oder zuhause fluchten. Andere Kinder dürfen ja nicht mal «Scheisse» sagen, meiner Mutter war das egal. Auch wenn ich zu spät nach Hause kam oder zum siebenhundertsten Mal meine verschwitzten Sachen mit dem Apfel und Sandwich im Turnsack verrotten liess – diesen Gestank vergisst man nie wieder –, egal, was wir taten, meine Mutter blieb entspannt. Ausser ich oder eine meiner Schwestern kam mit einer verbrannten Nase vom Skifahren zurück. Oder noch schlimmer: Der ganze Oberkörper war tiefrot, weil wir den ganzen Tag im Freibad verbrachten und vielleicht am Morgen einmal etwas Sonnencreme auf die Stirn rieben. Ist mir an meinem 10. Geburtstag passiert. Statt einem Happy Birthday gab's einen deftigen Zusammenschiss.
Sonnenbrand war für meine Mutter das Schlimmste. Ein Glück also, weiss sie nicht, dass ich hier schreibe, sonst wäre ich sofort enterbt. (Was nicht weiter tragisch wäre, weil es nichts zu erben gibt.)
Eine Gruppe Freundesfreunde und ich fuhren fürs Wochenende ins Tessin, Verzascatal, ich bin kein Fan von Camping, aber eine Nacht im Zelt kriege ich hin. Wir waren vier Paare und vier Singles, macht sechs Zelte. Zwei Frauen teilten sich eins. Der andere Typ und ich hatten weniger Bock auf Kuscheln, wir kauften beide ein schäbiges Einzelzelt für dreissig Stutz. Null Platz, null Komfort, aber immerhin Privatsphäre.
Maria war die Freundin einer Freundin, ursprünglich aus Italien, lebte aber seit ein paar Jahren in Hamburg, gerade auf Besuch bei der gemeinsamen Freundin. Maria war frisch getrennt, sehr ruhig oder sehr schüchtern, oder aber sie verstand Deutsch nicht, obwohl sie mehrfach beteuerte, dass sie es schon verstehen würde, sie rede einfach lieber Englisch.
Es war bewölkt, aber warm und wir lagen den ganzen Nachmittag im kühlen Fluss, Bier in der Hand, «suure Schlangen» kauend bis der Gaumen weh tat. Ich fing an, den Camping-Hype zu verstehen.
Stille Wasser sind tief ...
Das heisst es ja bekanntlich, doch bisher fand ich das Sprichwort immer falsch. Aber bei Maria traf es zu. Irgendwann legte sie sich neben mich ins Wasser, zuerst redete sie kaum, es war ein anstrengendes Frage-Antwort-Spiel, aber dann wurde sie plötzlich munter. Vielleicht hat auch das Bier für den nötigen Promillewert gesorgt.
Beim Grillieren sass sie wieder neben mir. Ich begann, sie toll zu finden. Sie mich auch. Machte sie kein Geheimnis daraus. Vielleicht war ich ihr Rebound-F*ck, who knows.
Als wir ums Feuer sassen, begann mein Körper schon etwas zu ziehen. Die Haut spannte leicht, war etwas heiss, aber ich dachte, es sei wegen des Feuers. Ich setzte mich etwas weiter weg, Maria tat es mir gleich, das Spannen ging nicht wirklich weg. Hab ich mich wohl verbrannt, dachte ich. Nicht gut, wissen wir alle, aber ich bin ja kein Kind mehr, der Zusammenschiss meiner Mutter bleibt mir also erspart.
Maria und ich blieben sitzen, bis alle gegangen sind, wollen ja keine Sprüche hören, und krochen dann in mein winziges, unstabiles Einer-Zelt.
Wir f*ckten so leise wie nur möglich
Wir versuchten so leise wie möglich Sex zu haben, das nächste Zelt war schliesslich kaum fünf Meter entfernt, was mir vor allem deshalb schwerfiel, weil ich bei jeder Berührung aufschreien wollte. Meine Haut war Lava! Aber ich sagte natürlich nichts, wollte ja nicht rumjammern und den Sex vermiesen.
Irgendwann waren wir fertig – der Sex war okay, aber ich war ehrlich gesagt wirklich gar nicht bei der Sache – und wir lagen da, Bein an Bein, Arm and Arm. Mein Camping-Hass wurde wieder grösser.
Ich konnte natürlich nicht einschlafen, ich glühte nur munter vor mich hin. Das Zelt war eine Sauna, auch als ich es öffnete. Dass neben mir noch ein zweiter Körper lag – Maria hat, so wirkte es jedenfalls, tief geschlafen –, half temperatur-technisch wirklich gar nichts.
Am nächsten Morgen kroch ich kurz vor 6 Uhr raus und lege mich in den Fluss.
Kurz später kroch Maria aus dem Zelt, um zurück in ihr Zelt zu gehen, bevor die anderen erwachten. Als sie mich sah, lachte sie laut. Ich sehe aus «like a fucking lobster!»
So long,
Ben
