Abgesehen von ein paar Stellungen, bei der Sandros OP-Narbe quasi «ohne mich» schreit, geht's dem Besten wieder gut.
Darüber bin ich maximal froh, zumal ich ja neulich auf dem Notfall Panik hatte, dass er stirbt. Emotional war das hochdramatisch. Rational war es keine grosse Sache. Sandros Blinddarm musste raus.
Ende gut, Blinddarm weg, alles gut.
Wobei nein, eventuell ist alles noch etwas besser als gut. Wie wir da zusammen im Notfall rumhingen, er vor Bauchschmerzen gekrümmt, wurde mir einmal mehr bewusst: Dieser Kerl hier, der mir sehr regelmässig den letzten Nerv raubt, ist absolut mein Mann.
Kurzfristig bin ich sogar eins davor, Ja zu Kartoffeln zu sagen. Weil es einfach so zauberhaft ist, wie er, ziemlich high von seiner Vollnarkose, unser Familienleben zeichnete.
Grosses Haus. Garten. Tomaten, Gurken, Zucchetti. Sandkasten. Schaukeln. Hängematte. Bäume. Grill. Viele bunte Lichter. Leben. Kinderlachen. Ständig volles Haus. Pure Liebe.
Sandro will noch mehr.
Es fallen Worte wie Mehrgenerationenhaus. Oder ein Haus voller Freunde und Kinder und Katzenbabys und Igel, die wir mit dem Fläschchen aufziehen. Ein riesiger, aufblasbarer Pool soll auch draussen stehen. Und wenn wir Lust auf Sex mit anderen haben, dürfen die am nächsten Morgen am riesigen Tisch mitzmörgelen.
Sandro, der sich sicher ist, dass er dem Tod ins Auge gesehen hat, will Leben to the max. Liebe, Sex, Kartoffeln, Bier, Zigaretten, Bratwürste und Zuckerwatte.
Ich hingegen bin sehr glücklich mit unseren getrennten Wohnungen und getrennten Hobbys und (zumindest noch ein wenig) getrennten Freundeskreisen.
Und ich bin glücklich mit dem Fakt, dass wir nicht mit anderen vögeln. Oder dass er nicht andere Frauen bumst. Ich hingegen würde gerne mal wieder ein erstes Mal mit einem neuen Kerl erleben. Und Sandro mit einer neuen Kandidatin. Daraus machen wir ja keine Geheimnisse.
Ich glaube nämlich, dass das alle wollen, die länger als ein paar Jahre in einer Beziehung sind. Was total okay ist. Rational. Emotional ist's ein Fuck, ein Mindfuck.
Ich bin jedenfalls nicht bereit, unsere Beziehung hochoffiziell zu öffnen. Ich mein, ich stand in Gedanken erst gerade an Sandros Grab und jetzt soll ihm bereits eine andere so richtig an die Wäsche? Nope.
Sandro ist okay damit. Also einigermassen. Wir verhandeln. Mal im Suff fremdknutschen, go oder no-go, fragt er. Go, sage ich. Fummeln? Wenn's sein muss, finde ich. All in, no way? No way. Oder noch nicht. Okay, findet er.
Noch mehr no way ist der Tausch von Handynummern. Chatten. Sexting. Flirting. Schiess-mich-ins-Aus-ing!
Sandro lacht.
Es habe die letzten 15 Jahre keine Frau gegeben, die ihn mehr geflasht hat als ich. Obwohl er da offiziell durfte. Und auch wollte, sagt er. Natürlich habe er sich immer wieder kurzfristig verliebt. Kurzfristig. «Ems, kurzfristig!»
Wir einigen uns drauf, dass wir es mal bei unserem Freestyle-Konzept belassen. Enorm gute Vorspeisen sind okay, Hauptgang gibt's daheim.
Mal schauen, wie lange es geht, bis Sandro eine andere küsst?
5 Minuten?
5 Tage?
5 Wochen?
Und was ist eigentlich in 5 Jahren? Ein Mehrgenerationenhaus, zwei Kartoffeln und Urban Gardening? Zwei Wohnungen und null Schritte weiter? Oder Polyamorie auf dem Land, wo wir an Wochenenden auf Ayahuasca unser aller Paarnamen tanzen?
Auf welche Option wettet ihr 5 Stutz, liebe User:innen?
Zwei Wohnungen, keine Beziehung, Sandro ein Schritt weiter, Emma kein Schritt weiter.
No front. Mein Leben ist auch so.