Heute ist ja niemand mehr Vanilla – und wer Vanilla ist, der sagt das nicht. Alle rühmen sich mit irgendwelchen Kinks, ob sie die haben oder haben möchten, sei dahingestellt, aber man will schliesslich als weltoffen und experimentierfreudig gelten. Vanilla ist langweilig. Frigide und gehemmt. Wer Vanilla ist, dem ist Sex nicht so wichtig, der will halt nicht so viel und oft und ausgefallen, so die Meinung vieler.
(Ich hatte mal eine Affäre mit einer Frau, die hatte eine Libido, da können all die Neo- und Pseudo-Masochistinnen, mit denen ich schon was hatte, einpacken, und die wollte mehrheitlich in der Missionarsstellung Sex. Aber so oft, dass ich manchmal fast zusammenbrach. Von wegen «will nicht so viel».)
Item.
Kommen wir zum Thema. Es beginnt mit F und hört mit Etisch auf.
Hanna hat mir letzte Woche von einer Freundin erzählt, sie sagte mir nicht, um wen es sich handelt, aber ich habe so eine Vermutung, aber es ist auch egal, vor allem für euch, ihr kennt sie ja eh nicht, für mich wäre es interessant, aber nun gut. Besagte Freundin ging mit einem Typen, den sie an einem Festival kennenlernte, nach Hause.
So weit, so gut.
Die beiden liegen schon nackt auf dem Bett. Okay, das habe nun ich dazu gedichtet. Vielleicht waren sie auch nicht nackt. (Bin hier wieder mal am Stimmung-Schaffen für euch!) Sie will aufs WC, er hält sie zurück. Wie, weiss ich nicht, also ob er aufsteht oder ihr zuruft, in meiner Vorstellung zieht er sie energisch an den Armen zurück, jedenfalls fragt er sie, ohne Vorwarnung, ohne, dass sich das hätte abzeichnen können, ohne Hinweise, er fragt sie, ob er mitkommen könne und ihren, entschuldigt, ich weiss, das ist nichts für schwache Nerven, ob er ihren Urin trinken könne. Im Fachjargon: Natursekt. Für die Vulgären unter euch: Pisse. Die anderen: Pipi. You name it. Sie sagte nein. Er bettelte. Sie sagte abermals nein, er nannte sie prüde. Hannas Freundin flüchtete panisch aus der Wohnung.
Hanna war beinahe genauso aufgebracht, als sie mir davon erzählte, obwohl das alles ja nicht ihr passiert ist. Aber sie fühlte mit. Sie fühlte sich mitbetroffen. Sie fühlte sich als Frau attackiert und sie sagte etwas, das wir Männer alle sehr ungern hören, einen Satz, der mit «ihr Männer» beginnt.
Sie sagte: «Ihr Männer checkt nicht, wie bedrohlich so etwas auf uns wirkt. Ihr versteht nicht, wie gefährlich sich das anfühlt und wie lange wir haben, bis wir so was verdaut haben!»
Jetzt kann man ihr natürlich vorwerfen, dass das Blödsinn ist. Nicht «wir» Männer sind so taktlos, sondern nur ganz wenige von uns. Aber man kann auch diesen «ganz wenigen» Männern vorwerfen, dass sie es für uns versauen, weil deshalb leider nicht nur «ganz wenige», sondern ziemlich viele Frauen verständlicherweise irritiert und eingeschüchtert sind.
Eine Urin-Story habe ich zum ersten Mal gehört. Aber wenn ich den Geschichten meiner Schwestern und Hannas und anderer Frauen zuhöre, denke ich schon oft, dass einige Männer wirklich null Fingerspitzengefühl haben. Ich will hier kein Fetisch-Shaming machen. Wenn jemand gewickelt oder verhaut werden will, oder auch wenn er, sagen wir mal, interessante Getränke-Vorlieben hat, alles kein Problem, aber knallt das eurem Gegenüber doch nicht einfach so beim ersten Mal vor die Füsse! Wartet doch ein kleines bisschen ab! Egal, was euer Fetisch ist, die Regel ist: Nicht mit der Tür ins Haus, sondern Anklopfen! Sonst versaut ihr es für uns alle.
Ich weiss nicht, ob und falls ja, warum das umgekehrt so viel seltener vorkommt. Kein Kumpel hat mir je eine ähnliche Story erzählt. Warum ist das so? Haben Frauen weniger Fetische oder einfach mehr Taktgefühl und warten ab, bis die «Beziehung» etwas weiter ist?
Ich weiss es nicht. Vielleicht ja ihr.
So long,
Ben
An alle Menschen, die das tun:
Nein ist ein vollständiger Satz und keine Verhandlungsgrundlage!!! IMMER!!! Die einzig richtige Reaktion darauf ist ein „ok, akzeptiere ich“ PUNKT!
Aber was danach kam: "Er bettelte. Sie sagte abermals nein, er nannte sie prüde"
Nein heißt nein, da hilft kein betteln, und nach dem Betteln der Stimmungswechsel in eine Beleidigung, DAS wirkt bedrohlich.