Zu den Dingen, die ich gut kann, gehört Reden. Ob mir die Easy-Smalltalk-Gabe in die Wiege gelegt wurde oder ob ich mir die Skills hinter dem Bartresen antrainiert habe, weiss ich nicht.
Aber ich weiss, dass ich es schaffe, selbst bei Themen, von denen ich keine Ahnung habe, mich so zu geben, als wäre ich total à jour.
Und doch gibt es so ein paar Situationen, in denen es mir die Stimme verschlägt, ich meine Schlagfertigkeit und meinen Humor, ja, vielleicht sogar ein bisschen mein Hirn verliere.
Zuletzt ist mir das vergangenen Samstag passiert. Siggi, der beste Freund des Zyklopen, feierte Geburtstag. Er hat eigens eine ganze Bar für die ganze Clique und sich gemietet. Siggi und der Zyklop kennen sich seit der Primarschule. Und genau so lange besteht auch schon der harte Kern ihrer Männer-Clique.
Die meisten sind verheiratet oder liiert. Und natürlich verstehen sich auch die Freundinnen alle sehr gut. Man verreist sogar manchmal auch zusammen in die Ferien.
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Nun sollte also auch ich in den erlauchten Kreis der Eingeschworenen aufgenommen werden. Um dann wahrscheinlich schon im Frühling in einer riesigen Finca auf Ibiza so happy Cliquen-Bilder im Stil von Beverly Hills 90 210 zu machen.
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Jetzt ist es ja nach wie vor so, dass ich so unfassbar hardcore in den Zyklopen verliebt bin, dass ich gerne in möglichst jeder Situation brillieren will. Also gebe ich mich auch wahnsinnig cool und begeistert, als er mich fragt, ob ich ihn an Siggis Sause begleiten will.
«Sie werden dich alle lieben.»
Der Zyklop weiss ja (noch) nicht, zu was für einem Pflock ich mutieren kann, wenns ernst gilt.
Dann ist auch schon besagter Samstag. Ich trage eine schwarze Röhrenjeans, ein unaufdringliches Bandshirt, hohe Schuhe und roten Lippenstift. Bizli Statement. Nicht too much. Aber auch nicht zu wenig.
Neue Freundin sein ist sehr anstrengend.
Da ich schon um 16 Uhr sehr nervös und hibbelig bin, trinke ich zwei Gläser Sekt. Und kurz vor Aufbruch noch ein Schlückli Schnäpsli. Ein Geschenk von meinem Vater. Für Ausnahmesituationen. Das hier ist eine.
Als ich ankomme, sind alle Augen auf mich gerichtet. Stimmt eventuell nicht. Könnte meine mit Unsicherheit gepaarte Paranoia sein. Ich erblicke den Zyklopen nicht, erkenne aber Geburi-Siggi.
«Happy Birthday, ich bin Emma.»
«Emma, woow, ich habe verdammt viel gehört. Lustig, du bist viel kleiner, als ich dachte.»
Schon weiss ich nicht, was ich sagen soll. Also frage ich, ob er weiss, wo der Zyklop ist.
«Keine Ahnung. Aber komm, ich stell dich den anderen vor.»
Vorher drückt mir Siggi ein Glas Irgendwas in die Hand, das ich fast exe. Was sich rächt.
Mir ist wahnsinnig schwindlig. Und heiss. Und meine Zunge wiegt sechs Tonnen. Mein Gesicht ist heiss.
WO IST DER ZYKLOP?
(Und wo das WC?)
Ich schüttle zehn Menschen die Hände. Ich kann mir keinen einzigen Namen merken. Noch viel weniger kann ich lustig-lässige Antworten auf mir gestellte Fragen geben.
Mich macht das Szenario nervös. Und ich bin, leider Gottes, etwas gar beschwipst.
Die einen wollen wissen, wie ich den Zyklopen gezähmt habe!? Eine will mit mir über meinen Serien- und Musikgeschmack reden. Ein Typ will in Erfahrung bringen, was Fussball mit mir macht. Ein weiterer redet irgendwas von Medien und Lügenpresse.
Meine Augenlider sind sehr schwer.
Endlich umarmt mich jemand von hinten. Und drückt etwas zu fest. Es ist der Zyklop. Ich reiss mich los.
Muss JETZT aufs WC.
Es dauert gut eine Stunde bis ich etwas lockerer werde. Und gesprächiger. Und mutiger. Als der DJ 50 Cent spielt, lege ich los. Zuerst zaghaft, dann ambitionierter, dann flippe ich aus. Ab Songmitte stehe ich auf einer Boxe und tanze mir die Unsicherheit aus dem Leib.
Der Zyklop strahlt mich an. Geburi-Siggi gesellt sich zu mir. Und all die wichtigen Freundinnen und Frauen hier machen auch mit. Sie steigen auf die Bar, holen mich zu sich, der DJ spielt irgendwas aus «Coyote Ugly», was uns sehr inspiriert.
Wir leeren uns gegenseitig Drinks in den Mund und haben echt fett Fun. Ich bin angekommen. Auch wenn ich mich an keinen einzigen Namen erinnere.
Keine zwei Stunden später kommt es, wie es kommen muss: Ich muss mich übergeben.
Es waren noch einmal etwas zu viele Drinks. Das letzte Mal übergebe ich mich, als mich der Zyklop ins Uber steckt. Und nicht zu mir, sondern zu sich nach Hause fahren lässt.
Er liebt mich, obwohl ich kotze.
Du bist eine sehr geile Type, liebes Universum!
High five,
Nur so zur Präzisierung:
"Gut reden" und "viel reden" ist nicht zwangsläufig gleich bedeutend. Es schliesst sich zwar nicht gegenseitig aus, trotzdem wird dies häufig verwechselt. Vor allem, wenn man (bzw. in deinem Fall frau) zu tief ins Glas geschaut hat.
Übrigens: Wenn ihr kotzen müsst und wir euch trotzdem mit nach hause nehmen, hat dies wenig damit zu tun, dass wir euch in diesem Moment wahnsinnig fest lieben. Viel mehr fühlen wir uns für das hilflose Wesen verantwortlich, das ihr zu diesem Zeitpunkt seid. So sind wir nämlich, wir Männer!