Letzte Woche musste ich auf meine kleine Schwester warten. Nichts Aussergewöhnliches. Ich muss immer auf sie warten. Das Mühsame an ihrem Zuspätkommen ist, dass sie bis zu ihrem Eintreffen eine Art Live-Ticker sendet. «Ich bin fast da!» – «Also, jetzt gehe ich aus dem Haus!» – «Bist du schon da? Sorry, ich weiss, ich hätte früher heim sollen.» – «Jetzt steige ich aufs Velo!» – «Nein, shit, erst jetzt. Jetzt wirklich!» – «Okay, zehn Minuten! Oder bist du schon weg?»
Meine Schwester findet es wichtig, dass sie die wartende Person nicht im Ungewissen lässt. Ich finde, sie liegt falsch – und glaube, dass sie das ganze Tickern nur macht, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Warten an sich stört mich auch nicht. Ich kann mich gut alleine beschäftigen. Wofür sonst wurden Smartphones erfunden, wenn nicht für genau solche Momente? Wenn das Ding hingegen alle paar Sekunden aufleuchtet und unwichtige Infos ausspuckt, die manchmal sogar eine Antwort erfordern, dann ist das Warten ein Fluch. Ausser man hat Leute am Nebentisch, die so laut reden, dass man jedes Wort versteht.
Die zwei Frauen am Tisch links von mir waren beide überdurchschnittlich attraktiv. Sie sprachen über Datingapps. Die eine schwor auf Bumble. Da sei immerhin noch ein bisschen Auswahl. Auf Hinge hätte sie immer sehr schnell «fertig gespielt». Tinder sei vorbei. Die andere nickte und hörte aufmerksam zu. Sie war wohl frisch Single und ready to bumble (okay, sorry, cheap, I know, aber hat sich aufgedrängt).
Ob das Foto zu freizügig sei, fragte sie. Ihr Gegenüber schüttelte den Kopf. «Männer lieben nackte Haut!» – «Und dieses Insta-Bild? Geht der Filter?» – «Männer checken Filter nicht!» – «Was schreibe ich hier?» – «Etwas Witziges!»
Ich konnte nicht weiter zuhören, weil meine Schwester angerannt kam und in einer Lautstärke erzählte, was sie mir schon per WhatsApp tickerte. Als sie fertig war, waren die Frauen weg.
Seither habe ich ziemlich viel Zeit auf Bumble verbracht. Ich wollte wissen, wie das Profil der Frau nun aussieht. Das Resultat meiner «Recherche»: 14 Matches, 7 Konversationen, 2 davon vielversprechend. Und dazwischen: unzählige Fotos und Beschreibungen, die ich nie verstehen werde.
Es folgt nun meine Liste der Dinge, die Frauen unterlassen sollten, wenn sie auf Tinder und Bumble rechts gewischt werden wollen. Also. Von mir. Oder Typen wie mir.
Bevor ihr aufschreit: Ich weiss, dass Männerprofile noch viel schlimmer sind. Hanna schickt mir manchmal Screenshots. Und wow! Ich verstehe jede Frau, die genervt das Handy in die Limmat wirft. Aber weil ich vor allem Frauenprofile gesehen habe, kann ich nur darüber wirklich ein Urteil fällen. Für No-Gos bei Typen müsste ich Hanna fragen. Oder meine Schwester. (Soll ich?)
1. Männer sind nicht komplett Filter-blind! Wir sehen, wenn ein Foto überstrahlt und geglättet und getunt wurde. Kein Typ glaubt ernsthaft, ihr würdet so aussehen, auch kein kurzsichtiger. Im Gegenteil, wir glauben, es ist ein Fake-Profil.
2. Was sollen Hundeohren-Bilder? Typen beeindrucken, die Hunde mögen? Ich mag Hunde, aber nicht als Filter. Und auch nicht als «Vorkoster». Dein Labrador leckt dir über den Mund, wenn du die Zunge rausstreckst? Bitte nicht!
3. Gruppenfotos … Man will zeigen, dass man sozial ist und Freunde hat. Kann man machen. Aber wer nur Gruppenfotos hat, hat das Konzept nicht verstanden. Tinder ist kein «Such-Walter-Buch»!
4. Spiegel-Selfies in versifften WCs???
5. «Zwei Wahrheiten und eine Lüge» – in 99,9 % der Fälle unlustig. Und überflüssig, siehe Punkt 3. Spass und Spiel gerne IRL.
6. Fünfmal Duckface und sonst nichts – schwierig.
7. «Catch me if you can» als Lebensmotto – ich liege hier gemütlich auf der Couch, was erwartest du von mir?
8. «Looking for a daddy for my plants!» auf die Frage, was du suchst – sorry, what?
Die Frau vom Nebentisch habe ich bis zum Abgabetermin dieses Textes nicht gesehen auf Bumble. Die Frage ist: Jetzt, wo ich weiss, wie gut sie in Wahrheit aussieht, swipe ich auch rechts, wenn ihr Profil mit Hundeohren, pseudo-deepen Sprüchen und überfilterten Duckface-Selfies gespickt ist?
So long,
Ben
Hab ich da was verpasst?
Für mich strahlt das ein deutliches „Ich seh so gut aus dass meine Persönlichkeit gar keine Rolle spielt, fühl dich geehrt wenn dich ein Supermodel wie ich mit einem Match adelt!“ aus.
PS: Der alleinige Satz „Finde es heraus!“ wirkt exakt gleich