Die Anklage läuft. In einem Beweisaufnahmeverfahren haben die Schauspielerin Blake Lively und ihre Anwälte Tausende von Nachrichten und E-Mails gesammelt, die in ihrer Gesamtheit den erschreckenden und erschreckend effizienten Mikrokosmos einer Schmierenkampagne gegen Lively offenlegen. Durchgeführt von den gleichen Leuten, die bereits von Johnny Depp engagiert worden waren, um den Ruf von Amber Heard zu zerstören. An die Öffentlichkeit gelangte das Ganze am 21. Dezember, dem Samstag vor Weihnachten, in der «New York Times», federführend war erneut die Investigativ-Journalistin Megan Twohey, die bereits 2017 den MeToo-Skandal gegen Weinstein mit ausgelöst hatte.
Aber was ist passiert?
Als Blake Lively im Sommer mit ihrem Regisseur und Co-Star Justin Baldoni auf PR-Tour für den gemeinsamen Film «It Ends with Us» unterwegs war, war allen klar, dass zwischen den beiden etwas nicht stimmte. Dass sie sich sträubten, gemeinsam auf roten Teppichen zu erscheinen. Dass sie zwei unterschiedliche Filme zu bewerben schienen, Baldoni einen deepen Film über Gewalt innerhalb einer Beziehung, Lively einen scheinbar seichten Unterhaltungsfilm.
Letzteres war gewiss eine ungeschickte Marketing-Strategie von Lively, aber es war ein Versuch, sich von Baldoni zu distanzieren, einem Mann, der sich gerne als Feminist und Anwalt gegen toxische Männlichkeit inszenierte und bereits mehrere sensible Bücher zum Thema veröffentlicht hatte, etwa «Man Enough: Undefining My Masculinity».
In Wirklichkeit war er ein anderer. Und seine wichtigsten Handlanger waren dabei nicht Männer, es waren Frauen. Wie die Assistentinnen von Harvey Weinstein, die ihm gutgläubige junge Schauspielerinnen aufs Hotelzimmer gebracht hatten. Wie Ghislaine Maxwell, die junge Frauen für Jeffrey Epstein rekrutiert hatte. Frauen kennen die Schwachstellen von Frauen besser.
Hier heissen sie Melissa Nathan, die sogenannte PR-Krisen-Expertin, die bereits Johnny Depp, Drake und Travis Scott geholfen hatte, und Jennifer Abel, eine PR-Verantwortliche von Wayfarer, dem Studio, das hinter «It Ends with Us» steht.
Noch im Januar 2024 hatte sich Wayfarer deutlich zu Blake Lively bekannt. Sie hatte sich beschwert, dass Baldoni und der Hauptproduzent Jamey Heath, auch er ein lautstarker MeToo-Befürworter, sie regelmässig in ihrem Trailer aufsuchten, wenn sie sich beim Stillen oder oben ohne beim Umziehen oder Abschminken befand, dass Baldoni mit ihr seine Pornosucht diskutieren wollte und beim Dreh versuchte, sie ohne Absprache zu küssen.
Dass Heath von ihr verlangte, eine Geburtsszene nackt zu filmen, was nicht im Drehbuch stand, und während des betreffenden Drehs das Set für alle zugänglich liess. Dass Heath ihr Nacktaufnahmen von seiner Frau zeigte. Wayfarer anerkannte ihre Beschwerde, ein Intimacy Coordinator wurde eingestellt und Lively gab bald zu, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessert hätten.
Doch Baldoni und Lively misstrauten einander bis zum Schluss der Dreharbeiten, und er war sich sicher, dass Lively, die einen zunehmenden kreativen Einfluss auf den Film nahm und ebenfalls zur Produzentin aufstieg, mit ihren Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen würde.
Im Mai entdeckte er, dass Livelys Ehemann Ryan Reynolds ihn auf Instagram geblockt hatte, und er wurde paranoid. Am 2. August legte ihm die zu Hilfe geholte Melissa Nathan eine Öffentlichkeitsstrategie vor. Ihr Plan war Beldoni viel zu zahm. Jennifer Abel, die PR-Frau von Wayfarer, schrieb an Melissa Nathan: «Ich denke, ihr müsst hart sein und zeigen, wie stark ihr in solchen Situationen sein könnt. Er will das Gefühl haben, dass sie begraben werden kann.» Nathan antwortete: «Wir können nicht schreiben, dass wir sie zerstören werden. Stellen Sie sich vor, ein Dokument, in dem all die Dinge stehen, die er will, gerät in die falschen Hände.» Und: «Sie wissen, dass wir jeden begraben können.»
Die drei heckten gemeinsam mit Jed Wallace, einem Mann für undurchsichtiges Krisenmanagement, der selbst kaum digitale Spuren hinterlässt, einen Plan aus: Der ritterliche, Frauen immerzu unterstützende Baldoni war zum Opfer des Bulldozers Lively geworden, einer Frau, die – wie ihre gute Freundin Taylor Swift – Feminismus nur zum Vorwärtskommen benutzt. Ergo wäre alles, was sie gegen ihn vorbringen könnte, gelogen. Ziel war, Blake Lively, die um ein Vielfaches prominenter ist als Justin Baldoni, in der amerikanischen Filmindustrie unbeliebt zu machen.
Nathan, Abel und Wallace fütterten den sozialen Medien ihre nicht wirklich schwerwiegenden, aber daher umso schwerer erkennbaren Verleumdungen derart effizient, dass Baldoni selbst bald den Verdacht hegte, sie könnten Bots benutzen. Und aus den sozialen Medien tröpfelte das Gift in die etablierten Medien. Lively war die Zicke, die übellaunige Interview-Partnerin, die Egomanin, die kein Gespür für die ernsthaften Anliegen ihres Films hatte. Kurz: die Unwillkommene.
Zweimal drohte die Stimmung zugunsten von Blake Lively zu kippen und Abel fragte: «Haben wir überlebt?» «Wir haben überlebt», schrieb Nathan zurück, «so viel Presse – es ist überwältigend. Wir haben die Leute verwirrt. Es ist wirklich lustig, wenn man darüber nachdenkt.» Und: «Er weiss gar nicht, wie glücklich er sich gerade schätzen kann.» Und: «Die sozialen Netzwerke laufen auf Hochtouren. Zu seinen Gunsten, sie muss wütend sein. Es ist eigentlich traurig, denn es zeigt, dass es Leute gibt, die Frauen wirklich hassen wollen.»
Rund um den Globus stimmten die gleichen Influencerinnen, die schon Amber Heard mit Inbrunst gehasst hatten, in den Chor der Lively-Hasserinnen ein. Nach dem Erscheinen der Reportage in der «New York Times» distanzierten sich einige von ihnen umgehend davon.
Immer wieder äussern Nathan und Abel ihr Bedauern mit Lively – aber noch öfter ihren Triumph über sie. Am 16. August titelte die «Daily Mail» hoffnungsfroh: «Wird Blake Lively gecancelt?», und zählte scheinbar gute Gründe dafür auf. «Wow», schrieb Abel an Nathan, «damit hast du dich wirklich selbst übertroffen!» «Deshalb hast du mich angestellt», antwortete Nathan, «ich bin die Beste.»
Die Frau, die in der «Daily Mail» nicht nur die Kampagne gegen Blake Lively, sondern auch Intrigen gegen Angelina Jolie, Florence Pugh und Olivia Wilde eingefädelt hatte, ist übrigens Sara Nathan, die Schwester von Melissa Nathan.
Selbstverständlich weisen Wayfarer und Justin Baldoni alle Vorwürfe von sich, sie seien allesamt erfunden. Die Beweislast dürfte allerdings erdrückend sein. Lively selbst sagt: «Ich hoffe, dass meine Klage dazu beiträgt, den Vorhang vor diesen finsteren Vergeltungstaktiken zu lüften, mit denen Menschen geschädigt werden sollen, die über Fehlverhalten sprechen. Und andere zu schützen, die zur Zielscheibe werden könnten.»
Was Blake Lively im vergangenen Jahr widerfahren ist, zeigt, dass Hollywood nichts aus MeToo gelernt hat. Oder doch: Die Methoden der Zerstörung sind jetzt raffinierter geworden. Sie bedienen sich nicht mehr wie bei Weinstein der simplen Einschüchterung durch Drohungen und Bedrohungen, heute werden den Stars keine ehemaligen Mossad-Agenten auf den Hals geschickt wie von Weinstein. Heute wird auf die Manipulierbarkeit der Social-Media-Blase gesetzt. Und nichts lässt sich so einfach beeinflussen wie die Bewusstseins-Molluske einer Masse, die auf zu Schlagzeilen verkürzte News, Fake-News und Gerüchte reagiert. Und die Frauen immer noch lieber hasst als Männer.
Da können Sie noch so viele Kommentare dagegen verfassen Frau Meier. Nur weil man etwas oft genug wiederholt wird es nicht plötzlich wahr. 😑
lol... das hat die Gute sehr gut alleine hingekriegt. Aber ja, im Fall Depp/Heard wissen wir ja - trotz klarem juristischem Entscheid pro Depp - wo Frau Meier steht. Das passiert wenn Ideologie überhand nimmt und die Realität dadurch komplett benebelt.
All den wahren Opfern wünsche ich, dass sie ihre Fälle gewinnen und die Täter ihren Preis bezahlen.