«Better Man» ist ganz grosses Kino. Der Film des australischen Regisseurs Michael Gracey («Greatest Showman») über die ersten dreissig Lebensjahre des Robert Williams aus Stoke-on-Trent ist ein Biopic der besonderen Sorte. Denn der Williams-Darsteller ist ein computergenerierter Schimpanse, in dem der britische Schauspieler Jonno Davies steckt. Man erlebt den Affen, wie er als Frechdachs der Pop-Band Take That berühmt wird, wie er wegen Disziplinlosigkeiten und zunehmender Alkohol- und Drogenprobleme aus der Band fliegt und es alleine versucht – schliesslich mit Erfolg, der jedoch einen hohen Preis hat. Immerhin: Die Geschichte geht gut aus, heute ist Robbie Williams immer noch ein Superstar, aber ein glücklicher. Er ist mit der Schauspielerin Ayda Field verheiratet, das Paar hat vier Kinder zwischen vier und zwölf Jahren. Wir sprachen mit dem 50-jährigen Sänger über sein altes und sein neues Leben.
Robbie, «Better Man» zeigt Ihr Leben und Ihre Karriere auf eine sehr ungeschönte, oft geradezu schmerzhafte Weise. Wie ist es für Sie, diesen Film zu sehen?
Robbie Williams: Ich habe ihn jetzt ungefähr ein Dutzend Mal geguckt, und ich bin immer noch nicht gelangweilt von «Better Man». Der Film ist eine Wundertüte des Lebens, meines Lebens. Es gibt sehr viel zu bestaunen, und ich staune mit. Ich empfinde eine immense Freude, diesen Film zu sehen, und ich versuche, diese Freude Tropfen für Tropfen aufzusaugen.
War es hart, in die dunkelsten Momente Ihres Lebens zurückzukehren?
Das hat glücklicherweise der Schauspieler Jonno Davies für mich übernommen, und er macht einen fantastischen Job. Meine eigene Rolle beschränkte sich darauf, den Soundtrack aufzunehmen und mich vorher sehr, sehr intensiv und lange mit Michael Gracey über mein Leben auszutauschen. Wir haben bestimmt zwölf Stunden lang geredet. Ohne jeden Filter. Ich habe ihm alles erzählt und fand ein perverses Vergnügen dabei, wirklich unangenehme und unappetitliche Dinge zu offenbaren. Aber so war ich schon immer. Wenn ich früher auf einer Dinnerparty wegen meiner blöden Sprüche nicht wenigstens ein paar geschockte oder angewiderte Reaktionen auslöste, dann war das kein besonders guter Abend für mich (lacht).
Sie kämpfen praktisch den ganzen Film über mit Selbsthass. Sie haben dieses zerstörerische Gefühl in Selbstakzeptanz und sogar Selbstliebe umwandeln können. Ist «Better Man» auch so etwas wie die Heldenreise des Robbie Williams?
Ganz so einfach möchte ich es mir nicht machen. Das ist sicher ein Aspekt, aber es ist nicht so, dass ich den Selbsthass losgeworden wäre. Ich lasse ihn nur nicht mehr so oft und so nah an mich heran. Er sitzt noch in meinem Gehirn, aber weit hinten. Er spielt keine grosse Rolle mehr. Ich habe die permanente innere Stimme zum Schweigen gebracht, die mir ununterbrochen eingeredet hat, ein Scheissmensch zu sein (lacht).
Sie waren vielleicht manchmal anstrengend für Ihr Umfeld, aber ein Scheissmensch sicher nie.
Nein. Aber du kannst nichts dagegen tun, was sich innerhalb deines Gehirns abspielt.
Der Film zeigt Ihren Aufstieg zum Ruhm die meiste Zeit über auf nicht sehr glamouröse Weise. Waren Sie selbst damals verblüfft, wie wenig geil Berühmtsein eigentlich ist? Und wie wenig glücklich es Sie macht?
Oh Gott, ja (lacht). Das war ein Schock. Ungefähr so, als wenn du in den Supermarkt gehst und dir ein richtig grosses Stück Cremetorte kaufst, mit extradicker Füllung. Und dich tierisch darauf freust. Dann beisst du rein und merkst, igitt, da ist ja nur billigster, klebriger Abfall drin, der nach gar nichts schmeckt ausser nach Zucker. Ich fand es geradezu ärgerlich, dass der Ruhm nicht so lustig war wie gedacht. Die meiste Zeit war es nur ein trauriges Dasein.
Die Drogen wurden für Sie zunehmend zum Problem. Selten ist eine Kokainsucht im Film ungeschönter gezeigt worden als in «Better Man».
Ich habe seit 24 Jahren keinen Drink mehr angerührt! Aber ja, Drogen sind ein Werk des Teufels. Ich sage das ganz unironisch. Das Zeug, das du von irgendwem auf der Strasse bekommst, ist wirklich, wirklich übel. Ich bin froh, dass der Film eine realistische Vorstellung davon gibt, was Drogen verursachen.
Sie werden in «Better Man» von einem Affen dargestellt. Klingt erst mal komisch. Aber dann sieht man den Film, und nach wenigen Minuten ist der Affe selbstverständlich.
Ich bin unvorstellbar stolz auf das, was Michael Gracey kreiert hat. Er musste eine Menge von Widerständen überwinden, insbesondere auf der Seite der Geldgeber. Aber ohne den Affen hätte es diesen Film nicht gegeben.
Wie seid ihr denn überhaupt auf die Idee mit dem Affen gekommen?
Ich bin exzentrisch, Michael auch. Die Idee mit dem Affen ist verrückt. Aber ich fand sie auf Anhieb total grossartig. Wir wollten etwas Besonderes machen. In den letzten Jahren sind sehr viele Biopics auf den Markt gekommen, viele davon sind durchschnittlich und ein bisschen langweilig. Und geschönt sind sie auch. Uns war klar, dass wir einen besonderen kreativen Kniff brauchen. Ich liebe es, Dinge zu tun, die krass sind.
Ihr habt hochauflösende Scans von Ihren Augen angefertigt. Der Affe guckt uns den ganzen Film über mit den Augen von Robbie Williams an.
Es ist traurig, aber wahr: Wir Menschen haben mehr Empathie mit Tieren als mit anderen Menschen. Wenn wir ein Tier leiden sehen, fühlen wir mit ihm und können die Bilder nur schwer ertragen. Und es gibt eine ganze Reihe von Szenen in «Better Man», die kaum auszuhalten sind. Als Zuschauer gehst du zusammen mit diesem kleinen Schimpansen auf die Reise durch den Film. Und Jonno, meine Güte, er ist nicht nur magisch, er hat auch einen besseren Hintern, als ich ihn je hatte (lacht).
Was bedeutet Ihnen der Film ganz konkret?
«Better Man» ist ein gigantisches Projekt. Für mich und die Zukunft meiner Karriere ist der Film sehr wichtig. Ich bin ein professioneller Aufmerksamkeitssucher und ein Mensch, der auch mit fünfzig noch superehrgeizig ist.
Michael sagt, es sei angesichts Ihres Lebenswandels in den Neunzigern ein Wunder, dass es Sie heute immer noch gibt. Wie blicken Sie selbst auf Ihr Leben?
Verwundert trifft es gut. Staunend. Dankbar. Ich bin nicht mehr derselbe Robbie wie früher. Menschen können sich ändern, und ich habe mich geändert. Heute lebe ich an einem Ort der Sicherheit, der Geborgenheit und des Glücks. Aus diesem Ort ziehe ich Stärke und Freude.
Ein weiteres zentrales Thema sind Ihre Depressionen und Angstzustände.
Die meisten Menschen haben begriffen, wie wichtig das ist. Endlich. Als ich 20, 25 war, hiess es «Warum bist denn ausgerechnet du bitte schön traurig?» Wir durchleben eine globale Pandemie, was psychische Erkrankungen angeht. Eine Depression unterscheidet nicht, ob du berühmt bist oder nicht. Heute verstehen wir, dass ein Mensch nicht minderwertig ist, wenn er Probleme mit Alkohol oder mit Drogen hat, wenn er unter ADHS leidet oder wenn er nicht richtig lesen oder schreiben kann. Hier muss ich das Internet wirklich mal loben. Es hilft uns enorm, Worte für die Probleme zu finden, die uns Menschen plagen.
«Better Man» endet im Jahr 2005. Warum habt ihr die glücklichere Zeit Ihres Lebens, die danach begann, ausgespart?
Weil Konflikte und Traumata besser sind für die Zuschauerzahlen. Niemand will doch einen Film sehen, in dem nicht viel passiert, ausser, dass ein ausgeglichenes Wesen Dinge tut, die ein ausgeglichenes Wesen eben so tut. Mein heutiger Alltag als glücklich verheirateter Ehemann und Vater von vier Kindern ist einfach nicht mehr so spannend. Aber heute bin ich glücklich. Ich erfahre Freude, liebe und werde geliebt.
Haben Sie Sorge, dass Ihre mentalen Probleme zurückkommen könnten?
Ja, ich bin besorgt, dass mich so eine tiefgreifende Traurigkeit wie damals noch einmal heimsuchen könnte. Ich bin aber auch voller Zuversicht, denn heute würde sie auf jemanden treffen, der an sich gearbeitet hat, der sich besser kennt und der Menschen um sich hat, denen er vertraut.
Haben Ihre Ex-Verlobte Nicole Appleton und Ihr Take-That-Kollege Gary Barlow den Film schon gesehen?
Als Gary das Drehbuch gelesen hatte, rief er mich an und meinte «Rob, ich komme in der ersten Hälfte des Films mieser rüber als Darth Vader in ‹Star Wars›» (lacht). Ich war etwas erschrocken. Ich will Gary nicht verärgern, aber ich musste meine Geschichte erzählen. Er war die meiste Zeit über nicht toll zu mir, aber ich war auch nicht toll zu ihm. Nicole wiederum ist ein Engel, damals wie heute. Sie gab mir die Erlaubnis, diese Geschichte zu erzählen. Wir haben ein gutes Verhältnis. Wir haben den Film zusammen gesehen, sie hielt meine Hand, und ich hielt ihre.
Sie sind jetzt fünfzig. Werden Sie gerne älter?
Ja, absolut. Älter zu werden heisst für mich, glücklicher zu werden. Ich liebe mein Leben heute wirklich auf eine massive, nie für möglich gehaltene Weise.
Und mit achtzig singen Sie dann …?
«Old Before I Die». Obwohl, dieses Lied könnte ich auch jetzt schon anstimmen (lacht). (aargauerzeitung.ch)
Vor allem der Humor ist einfach prächtig und manchmal könnte man sich im Alltagsleben auch etwas davon rausnehmen (natürlich nicht seine Drogengeschichte, aber seine Humor und seine heutige Einstellung).
Ich wünsche ihm nur das Beste für seine Zukunft.