Das Codewort lautet: «Tschitti Tschitti Bäng Bäng». Wer an diese Wortfolge denkt, startet die Gedankenlesemaschine. Was nach Science-Fiction klingt, ist das Ergebnis eines Experiments von Forschenden in San Francisco. Vier Menschen, die wegen einer Krankheit oder eines Schlaganfalls nicht mehr sprechen konnten, lernten, sich allein über ihre Gedanken mitzuteilen.
Möglich machten das Elektroden, die ihnen ins Gehirn implantiert wurden, kombiniert mit einer künstlichen Intelligenz, die aus den elektrischen Signalen der Hirnnervenzellen Sprache rekonstruierte. Doch nur, wenn die Patienten dies auch wollten und deshalb an das Codewort dachten. Andernfalls blieb die Maschine stumm. Davon berichtet das Forschungsteam um die Neurochirurgin Erin Kunz im Fachblatt «Cell».
An sogenannten Hirn-Computer-Schnittstellen – einer direkten Verbindung zwischen Gehirn und Maschine – wird seit Jahrzehnten geforscht. Ziel ist es, Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfällen oder amyotropher Lateralsklerose (ALS) eine neue Form der Kommunikation zu ermöglichen.
Längst sind es nicht mehr nur Universitäten, die an der Schnittstelle zwischen Geist und Maschine tüfteln, auch Tech-Milliardäre mischen mit. Elon Musks Firma Neuralink – zuletzt mit neun Milliarden Dollar bewertet – hat bereits mehreren Tetraplegikern einen Chip ins Gehirn implantiert. Sie sollen damit künftig Computer, Prothesen oder Smartphones allein mit ihren Gedanken steuern. Aktuell rekrutiert das Unternehmen auch erste Teilnehmende für Studien in Europa.
Auch Sam Altman, CEO von OpenAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT, dringt in das Feld vor. Einem Bericht der «Financial Times» zufolge investiert er hohe Summen in die Firma Merge Labs. Deren Name ist Programm: «The Merge» – die Verschmelzung von Mensch und Maschine – gilt vielen im Silicon Valley als logische Konsequenz der technologischen Entwicklung.
Einige Wissenschafterinnen und Wissenschafter beobachten die Einmischung der Tech-Milliardäre in diesen sensiblen Bereich mit Sorge. Denn was passiert, wenn eine Maschine einen Gedanken ausführt, der nie ausgesprochen oder umgesetzt werden sollte? Und was, wenn Gedanken durch sogenannte Brainhacks manipulierbar werden?
Die Neurowissenschafterin Anne-Lise Giraud, Professorin am Institut in Paris und Mitglied eines nationalen Forschungsprojektes zu Sprache im Wandel, ist eine der Stimmen, die zur Vorsicht mahnen. «Ich bin sehr skeptisch gegenüber privaten Unternehmen, die keinen Hehl aus ihrem Wunsch machen, die Welt zu kontrollieren», sagt sie. Ihr Forschungsteam, das früher an der Universität Genf ansässig war, arbeitet seit Jahren an der Technologie, aber eine Zusammenarbeit mit Big Tech hat Giraud bislang ausgeschlossen.
Die aktuellen Ergebnisse aus Stanford derweil findet Anne-Lise Giraud absolut seriös und durchaus bemerkenswert. Vor allem das Prinzip des Passwortschutzes hält sie für einen sinnvollen und sicheren Weg, um die geheime Gedankenwelt zu schützen. In der Studie erkannte die Maschine das Codewort in 98,75 Prozent aller Fälle.
Wenn die Probanden ihre Gedanken offenlegen wollten, konnte das System bis zu 74 Prozent der gedachten Sätze korrekt und in Echtzeit entschlüsseln. Allerdings handelte es sich jeweils um Sätze, welche die Patienten aus einem vordefinierten Wortschatz zusammengesetzt hatten. Völlig frei formulierte Sätze mit zusätzlichen Wörtern zu decodieren, sei bislang nicht möglich, betonen die Studienautoren. Doch die Neurowissenschafterin Giraud ist überzeugt, dass auch das nur eine Frage der Zeit ist: «Das ist wie mit ChatGPT – die Entwicklung vollzieht sich rasant.»
Neben dem Passwortschutz hat die Stanford-Studie ebenfalls erstmals zwischen versuchter Sprache und innerer Sprache unterschieden. In früheren Versuchen sollten sich die Probandinnen und Probanden jeweils vorstellen, wie sie ein Wort oder einen Satz laut aussprechen würden – ein Vorgang, der auf Dauer ermüdet. Weniger anstrengend wäre es, so die Annahme, direkt auf die innere Sprache zuzugreifen: also auf innere Monologe im Kopf, ohne Artikulationsabsicht, ohne die Mühe, sprechen zu wollen.
Entsprechend erhielten die Teilnehmenden zwei Aufgaben: Entweder sie versuchten, bestimmte Wörter auszusprechen, oder sie dachten sie bloss. Die Analyse der Hirnsignale zeigte: In beiden Fällen feuerten Neuronen in derselben Hirnregion, im motorischen Kortex, und wiesen ähnliche Aktivitätsmuster auf.
Giraud überrascht das nicht. Allerdings betont sie, dass sich innere Sprache nicht auf die Hirnregion des motorischen Kortex beschränke. «Bei Patientinnen mit der Sprachstörung Aphasie sind ausgerechnet die prämotorischen Regionen im Gehirn beschädigt, sodass dieser nicht willentlich aktiviert werden kann und entsprechend keine Hirnsignale produziert. Zudem denken viele Menschen gar nicht in Worten, sondern in Bildern, wodurch eher der visuelle Kortex aktiviert wird.» Deshalb wollen sie und ihr Team künftig weitere Hirnareale mit Elektroden erfassen. Erste Implantationen bei Patientinnen und Patienten in Europa sind geplant.
Denn eines ist für Giraud klar: Sie will die Entwicklung der Technologie nicht kampflos den grossen Tech-Konzernen überlassen. Auch wenn sie weiss, dass Europa einen Sonderweg geht – langsamer, vorsichtiger, stärker reguliert. «Natürlich bremst das die Forschung gegenüber den USA und China aus», sagt sie. Aber genau darin sieht sie ihren Auftrag: einen Beitrag zu leisten, auf europäischem Boden, mit den entsprechend hohen ethischen Standards.
Freiwillig als erstes. Dann fangen die ersten Firmen an ihren Mitarbeitern den Gehirnchip vorzuschreiben, dient der Effizienzsteigerung.
Irgendwann ist es dann wie mit dem Smartphone so, dass man ohne Gehirnchip faktisch nicht mehr am Gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.
Dann können z.B Werbespots direkt ins Gehirn gestreamt werden. Natürlich nur bei den günstigsten Versionen.
Glaubt ihr nicht?
Wartet noch ein paar Jahrzehnte!