Die Gebrüder Grichka und Igor Bogdanoff sind tot. Verstorben, 72-jährig und ungeimpft, an den Folgen einer Covid-Infektion. Doch wer waren die beiden Zwillinge, die in den letzten Jahren vor allem durch ihre Erscheinung Aufsehen erregten?
Die beiden Brüder werden 1949 in Südfrankreich geboren – doch bereits bei der Familiengeschichte zeichnet sich ab, was sich wie ein roter Faden durch das Leben der Zwillinge zieht: eine unsichere Faktenlage. Ihr Grossvater soll der afro-amerikanische Tenor-Opernsänger Roland Hayes gewesen sein – ihre Mutter Maria Dolorès das Resultat einer Affäre von ebendiesem mit der Gräfin Bertha Von Kolowrat-Krakowska, welche die beiden im Schloss von Saint-Lary grosszog. Ihr Vater war ein nach Spanien geflüchteter russischer Maler.
Igor und Grichka besuchen verschiedene Privatschulen in Auch, Südfrankreich, und in Bayern, in denen sie nach eigenen Angaben mit herausragenden Noten brillierten. Bei ihnen sei mit elf Jahren ein IQ von über 190 getestet worden, sie würden damit zu den intelligentesten 0,01 Prozent der Menschheit gehören, erzählen sie.
Auch in der Fliegerei sollen sich die beiden schon früh hervorgetan, und im Alter von 15 Jahren Flugscheine erworben haben. Tatsache ist: Igor wurde 2014 zu einer Strafe von 10'000 Euro verurteilt, weil er sein Helikopter-Flugbuch gefälscht hatte. Darin aufgeführt waren diverse Flüge mit Polizei- und Rettungs-Helikoptern, die so von ihm nicht durchgeführt worden sein konnten.
Nach einem Studium für angewandte Mathematik in Paris starteten die beiden gutaussehenden Männer eine Karriere beim Fernsehen. Sie erhielten Gastauftritte bei der Antenne-2-Sendung «Un sur Cinq», danach bei TF1 eine eigene Show: «Temp X». Der Mix aus Science-Fiction und Populärwissenschaft läuft von 1979 bis 1987 und macht die beiden in Frankreich zu Stars.
1991 schreiben die Bogdanoffs erneut Schlagzeilen. Ihr Buch «Dieu et la Science» – «Gott und die Wissenschaft» – wird in Frankreich zum Bestseller. Doch da meldet sich auch schon ein Astronom von der Universität Virginia mit Plagiatsvorwürfen. Der Streit wird ein paar Jahre später aussergerichtlich geschlichtet.
Die Bogdanoffs zieht es derweil wieder an die Universität, wo sie zehn Jahre später mit der schlechtesten Beurteilung Doktorwürden erhalten. Dr. Sternheimer, ein Mathematiker, der die beiden am französischen Zentrum für wissenschaftliche Forschung C.N.R.S. betreut, nennt sie in der «New York Times» «sture Wunderkinder» mit hohem IQ, denen es schwerfällt zu glauben, dass sie nicht die Einstein-Zwillinge sind.
Die bekannteste und zugleich umstrittenste Frucht ihrer «wissenschaftlichen» Arbeit wird eine Theorie über den Zustand vor dem Urknall. Ein paar wenige Sachverständige anerkennen durchaus interessante, wenn auch unverständliche Aspekte. Namhafte Experten, zum Beispiel Peter Woit von der Columbia University, tun die Theorie aber als «wissenschaftlich kompletten Nonsense» und als Geschwurbel ab. Als das C.N.R.S. die Arbeiten der Gebrüder Bogdanoff als unwissenschaftlich zurückweist, drehen sie den Spiess um. Sie verklagen die Institution sowie mehrere kritische Wissenschaftler.
Doch nicht nur ihr Kampf um wissenschaftliche Anerkennung gibt zu reden. Mit zunehmendem Alter rückt ihr Erscheinungsbild immer mehr in den Fokus. Mit ihrem Aussehen erhalten sie nun auch ausserhalb Frankreichs Beachtung: auf reddit.com und vor allem auf dem berüchtigten Knalltütenportal «4Chan». Dort kommt es zu einem regelrechten Wettkampf um das beste Meme mit den Bogdanoffs.
Nach einem YouTube-Video mit mehreren Millionen Klicks werden die beiden endgültig zu Sinnbildern für unerklärliche Vorgänge – vor allem für Kurseinbrüche von Kryptowährungen. Sie werden als eine Art James-Bond-Bösewichte dargestellt, als Abgesandte einer höheren Macht.
Die Zwillinge finden Gefallen an ihrer neuen Fangemeinde. In einem TV-Interview erklären sie freimütig, sie hätten selber zum Bitcoin-Code beigetragen, eine Behauptung, die weder bewiesen noch widerlegt werden kann. Aber um Glaubwürdigkeit scheren sich die beiden zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr. Sie hätten sich nie Operationen unterzogen, kommentieren die Bogdanoffs ihre offensichtliche Veränderung. Es handle sich dabei um Veränderungen aufgrund von Experimenten.
Igor Bogdanoff hinterlässt sechs Kinder und diverse Ex-Frauen, Grichka blieb ein Leben lang single. Sie seien keine Impfgegner, hatten die Zwillinge noch kurz vor ihrer Einlieferung ins Spital erklärt. Aber sie würden auf ihre gute Gesundheit vertrauen. Sie besässen schliesslich kein Gramm Fett.