Eine Familie zu gründen, ist für viele Paare der grösste Wunsch. Bleibt die Schwangerschaft aus, beginnt die Suche nach der Ursache der ungewollten Kinderlosigkeit. Bevor Paare zum Arzt gehen, versuchen sie es oft mit Änderungen im Lebensstil. Dazu gehört auch, den Stresslevel herunterzufahren. Doch was bringt das?
Möchten Paare ein Kind, ist es nicht ungewöhnlich, wenn es nicht auf Anhieb funktioniert. Paare brauchen oftmals etwas Geduld. Besonders wenn die Frau zuvor hormonell verhütet hat, kann es sein, dass es etwas länger dauert, bis ein Schwangerschaftstest Nachwuchs ankündigt – nicht selten bis zu einem halben Jahr. Der Körper braucht manchmal etwas Zeit, bis er sich hormonell wieder eingependelt hat.
Hat ein Paar ein Jahr lang regelmässig ohne Verhütung Geschlechtsverkehr und wird die Frau nicht schwanger, sprechen Mediziner von Unfruchtbarkeit. In Deutschland sind Millionen Paare von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen. Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zufolge ist im Alter zwischen 20 und 50 Jahren jede beziehungsweise jeder Zehnte ungewollt kinderlos. Zu den Ursachengehören unter anderem gesundheitliche Erkrankungen sowie eine eingeschränkte Fruchtbarkeit oder Unfruchtbarkeit.
«Das Alter ist grundsätzlich eine bedeutende Einflussgrösse. Je älter die Frau ist, desto schwieriger wird eine Schwangerschaft», weiss Dr. Judith Zimmermann, Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizin, Systemische Therapeutin und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung e. V. – Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD). «Bereits ab dem 25. Lebensjahr sinkt die Fruchtbarkeit langsam ab. Bei Frauen ab einem Alter von 35 ist das Schwangerwerden oft bereits deutlich erschwert.»
Paare unter 30 können laut der Expertin ein Jahr zuwarten, ob es mit der Schwangerschaft funktioniert. Sind Paare über 30 Jahre alt, sollten sie bereits nach einem halben Jahr einen Arzt kontaktieren und nach der Ursache schauen lassen. Auch, weil es mit zunehmendem Alter immer schwieriger wird, ein Kind zu bekommen.
Laut der Expertin sind die körperlichen Ursachen für eine ungewollte Kinderlosigkeit etwa zu gleichen Teilen bei Männern und Frauen zu finden. Häufige Ursachen für Unfruchtbarkeit bei der Frau sind hormonelle Störungen, Schädigungen der Eileiter oder der Eierstöcke, Myome oder eine Endometriose.
Bei Männern ist eine eingeschränkte Spermienqualität der häufigste Grund, etwa aufgrund genetischer Ursachen oder eines Hodenhochstands in der Kindheit. Manchmal bleibt die Ursache der Kinderlosigkeit unklar.
Stress wird als Ursache von Unfruchtbarkeit diskutiert. Doch welche Rolle spielt Stress tatsächlich, wenn das Paar ungewollt kinderlos bleibt? Es ist umstritten, ob Stress zu Kinderlosigkeit beiträgt. Untersuchungen hierzu kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. "Eine Theorie ist, dass in lebensbedrohlichen Stressphasen, etwa im Krieg oder in Hungerszeiten, der Körper in eine Art Notprogramm fährt.
Doch es gibt auch Untersuchungen, die zeigen, dass manche Frauen gerade unter starkem Stress besonders fruchtbar sind«, sagt Zimmermann. »Eine Studie zum Beispiel hat den Einfluss des Stresshormons Cortisol auf den Follikel, also das Eibläschen der Frau, angeschaut: Bei erhöhten Werten war auch die Schwangerschaftsrate erhöht. Andere Studien wiederum konnten keinen Einfluss auf die Schwangerschaftsrate zeigen."
Der Einfluss von Stress auf die Fruchtbarkeit ist wissenschaftlich nicht abschliessend geklärt. Eine direkte Auswirkung der Psyche auf die Fruchtbarkeit scheint nach derzeitigem Wissenstand eine eher geringe Rolle zu spielen. Unterschätzen sollte man Stress dennoch nicht.
Denn: Stress kann dann die Fruchtbarkeit herabsetzen, wenn unter Stress die Lebensführung ungesund wird. Schlafmangel, ungesundes Essen, Rauchen und vermehrter Alkoholkonsum können den Körper von Mann und Frau so beeinflussen, dass das Kinderkriegen erschwert ist.
Rauchen zum Beispiel hat einen immensen Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Wissenschaftliche Untersuchungen haben bewiesen, dass Rauchen die Fruchtbarkeit herabsetzt. "Bei Rauchern ist die Spermienqualität schlechter als bei Nichtrauchern.
Bei Raucherinnen sind die Eizellen biologisch zehn Jahre älter als die von Nichtrauchern", sagt Zimmermann. Und nicht nur das: Rauchen erhöht zudem das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und die Wahrscheinlichkeit für eine Früh- oder Totgeburt.
Alkohol kann nicht nur die Fruchtbarkeit ungünstig beeinflussen. Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zufolge kann Alkoholkonsum in der Schwangerschaft beim ungeborenen Kind das fetale Alkoholsyndrom (FAS) auslösen und das Kind lebenslang schädigen.
Unter den vielen möglichen Schädigungen seien vor allem Wachstumsretardierungen, Gesichtsveränderungen und Auffälligkeiten des zentralen Nervensystems zu beobachten. Bisher konnte kein toxischer Schwellenwert definiert werden, ab dem ein Kind nachweislich durch Alkohol geschädigt wird.
«Alkohol ist Gift für den Körper. Starker Alkoholkonsum erschwert nicht nur eine Schwangerschaft, sondern erhöht das Risiko für Fehlbildungen beim Kind. Paare, die Kinder bekommen möchten, sollten auf Alkohol verzichten», betont Zimmermann.
Übergewicht kann ebenfalls eine Schwangerschaft erschweren. Das innere Fettgewebe ist hormonaktiv und kann das Zusammenspiel der Hormone stören. Auch Schlafmangel sollte laut der Expertin nicht unterschätzt werden.
«Schlafmangel bringt bei Frauen häufig den Zyklus durcheinander. So haben Frauen, die in Schichtarbeit tätig sind, oft unregelmässige Zyklen. Zu kurzer Schlaf stört die Regeneration des Körpers – dazu gehört auch das Hormonsystem», so Zimmermann.
Die Expertin rät Paaren mit Kinderwunsch, auf einen gesunden Lebensstil zu achten und erst einmal Ruhe zu bewahren, wenn sich nicht zeitnah eine Schwangerschaft einstellt. Auch sollten Paare zwischen «terminiertem Sex zum Schwangerwerden» und «Sex aus Lust» unterscheiden.
Werde Sexualität zum alleinigen Werkzeug einer Schwangerschaft, gehe rasch Leidenschaft verloren. Klappe es mit dem Kinderkriegen dann nicht so schnell, gerieten Paare häufig in eine Spirale aus Druck, Ängstlichkeit und partnerschaftlicher Distanz.
«Infertilität kann sogar in eine Depression führen. Dreht sich in der Partnerschaft plötzlich alles nur noch um den unerfüllten Kinderwunsch, streiten Paare häufiger und sind sie emotional zunehmend überlastet, sollten sie sich psychologische und beratende Unterstützung holen, etwa bei einem BKiD-zertifizierten Berater», empfiehlt Zimmermann. «Liegt eine körperliche Ursache vor, kann eine künstliche Befruchtung möglicherweise eine Option sein.»
Was stimmt nun?