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Starkes Schwitzen und das richtige Deo: Fragen an den Dermatologen

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Ihr hattet viele Fragen zum Schwitzen – wir haben sie einem Dermatologen gestellt

Warum deodorieren wir eigentlich nur unsere Achseln? Was tun gegen übermässiges Schwitzen? Und wie wird man lästige Deo-Flecken los? Der Dermatologe kennt die Antworten.
05.05.2023, 12:4605.05.2023, 14:45
Lara Knuchel
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Gestern erschien bei watson ein Artikel zu Deodorants: Die Sendung «Kassensturz» hatte sich gemeinsam mit «Saldo» der Frage angenommen, was eigentlich so alles in unseren Deos drin ist ...

Die Resultate haben in der watson-Kommentarspalte Diskussionen rund ums Schwitzen und dessen Bekämpfung ausgelöst und Fragen aufgeworfen. Wir haben diese gleich aufgenommen und sie einem Experten gestellt, dem Dermatologen Dominik Mestel.

Zu Beginn: Was ist der Unterschied zwischen Deos und Antitranspirants?
DOMINIK MESTEL:
Deodorants enthalten nur Duftstoffe. Antitranspirants sind solche, die Aluminium enthalten. Diese Aluminiumsalze verhindern auch das Schwitzen aktiv: Treffen sie auf die Proteine in unserem Schweiss, entstehen dadurch Ablagerungen und diese verschliessen unsere Schweissporen.

Apropos Aluminium: Ein Toxikologe im Kassensturz meinte, dass das Leichtmetall in den Antitranspirants entgegen verbreiteter Befürchtungen doch nicht gefährlich sei.
Ich teile diese Meinung. Es gab einmal eine Studie, die einen Zusammenhang von Aluminium in Deos und Brustkrebs festgestellt hat. Diese Befunde haben sich aber nicht erhärtet.

Weshalb hält sich denn diese Befürchtung immer noch so hartnäckig?
Weil Aluminium als solches wirklich krebserregend sein kann. Es gibt auch Hinweise darauf, dass es Demenz fördert.

Aber ...?
Es kommt auf die vom Körper aufgenommene Menge an, das beschreibt der watson-Artikel eigentlich sehr gut. Nimmt man Aluminium oral oder über die Atmung ein, kann das möglicherweise problematisch sein. Mittlerweile ist man sich aber einig: Die Haut kann gar nicht so viel Aluminium aufnehmen, in diesem Fall ist es unbedenklich.

Zur Person
Dr. med. Dominik Mestel arbeitet im Dermatologischen Zentrum in Zürich und ist seit 17 Jahren in der Dermatologie tätig. Seine Spezialbereiche sind Hautkrebs sowie die ästhetische Dermatologie: Anti-Aging, die Arbeit mit Hyaluronsäurefiller, Fadenlifting, Laser und alles um vermehrtes Schwitzen.
Dominik Mestel, Dermatologe am Dermatologischen Zentrum Zürich
Bild: zvg

Welches Deo empfehlen Sie Ihren Patientinnen und Patienten?
Das kommt darauf an, welche Vorlieben jemand hat, wie stark man schwitzt und ob man Allergikerin respektive Allergiker ist. Grundsätzlich empfehle ich eher Deos, die direkt aufgetragen werden.

Warum?
Weil bei den Sprühdeos tatsächlich die Möglichkeit besteht, dass man die Inhaltsstoffe, wie eben das Aluminium, einatmet. Das ist ein grösserer Effekt als die Einnahme über die Haut und deshalb etwas problematischer. Ich selbst brauche auch ein Deo zum Auftragen.

Und was ist mit den Allergien?
Hier haben wir nicht das Problem des Aluminiums, sondern der Duftstoffe. Einige Menschen können allergisch auf gewisse Bestandteile reagieren oder mit der Zeit sogar eine Allergie entwickeln. Hier empfehlen sich also Deos ohne Duftstoffe – oder ein genaues Lesen des Kleingedruckten.

Was empfehlen Sie Menschen, bei denen auch das beste Aluminium-Deo nichts nützt?
Im Umgang mit krankhaftem Schwitzen, auch Hyperhidrose genannt, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann sich zum Beispiel in den Apotheken spezielle Deos anmischen lassen, die eine erhöhte Konzentration von Aluminium beinhalten. Das ist dann quasi eine Sonderanfertigung für die Patientinnen und Patienten. Hier muss man aber schauen, wie gut man es verträgt, weil diese können die Haut stärker reizen.

Und angenommen, das nützt auch nichts ...?
Dann gibt es diverse chirurgische Eingriffe, die Sie vornehmen lassen können. Eine Option ist das Spritzen von Botox. Damit unterbricht man die Funktion eines Nervs an der Schweissdrüse, sodass diese aufhört, Schweiss zu produzieren. Das funktioniert, allerdings lässt die Wirkung nach etwa sechs Monaten wieder nach.

Gibt es noch andere, langfristige Optionen?
Es gibt noch den sogenannten fokussierten Ultraschall. Ähnlich wie beim Lasern von Körperhaaren werden dabei Schweissdrüsen zerstört. Der Nachteil davon ist, dass die Behandlung recht schmerzhaft sein kann und dass oftmals auch die Haare nicht mehr nachwachsen. Das kann natürlich für einige Menschen von Vorteil sein, andere wollen aber vielleicht nicht, dass sie ihre Achselhaare für immer verlieren. Ausserdem entstehen eher unregelmässige Löcher als eine komplett haarlose Haut.

Ist es denn nicht problematisch, wenn man dort dann gar nicht mehr schwitzen kann?
Nein, da muss man sich keine Gedanken machen. Der Körper schwitzt ja, um sich abzukühlen. Es ist möglich, dass andere Schweissdrüsen punktuell etwas mehr Schweiss produzieren werden, aber grundsätzlich kann sich die Haut nach wie vor genügend kühlen.

Zurück zu den verschiedenen Deos: Es ist gerade im Trend, sich seine eigenen Anti-Schweiss-Pasten zu kreieren. Was halten Sie davon?
Das kann man durchaus probieren, zum Beispiel mit Natron oder Babypuder. Das funktioniert einigermassen, weil man dann quasi ins Puder hinein schwitzt. Frischer Schweiss stinkt ja nicht, das tut er erst, wenn ihn die Bakterien besiedeln. Natron oder anderes Puder verlangsamen diesen Prozess. In der Homöopathie werden auch Salbeicremes empfohlen. Beim Benutzen von Puder oder Natron muss man sich einfach bewusst sein, dass das Textilien versauen kann.

Damit wären wir schon bei der nächsten Frage: Wie kriegt man solche Deo-Flecken wieder weg?
Es gibt einige Deos, die gelbe Flecken hinterlassen, und das geht wirklich schwer raus mit Waschen. Folgendes kann helfen: Backpulver in Wasser auflösen und das Shirt darin baden lassen. Dasselbe gilt übrigens auch für Sonnencreme. Das funktioniert aber vor allem dann, wenn die Flecken noch wenig ausgeprägt sind. Nach zehn-, zwanzigmal waschen wird wohl auch das nur noch wenig helfen.

Ein Problem, das viele haben: Das Auftragen von Deo nach dem Rasieren kann ziemlich schmerzhaft sein. Ist das eigentlich schädlich?
Es gibt verschiedene Gründe, warum man das nicht machen sollte: Es ist schmerzhaft, ja. Das ist vor allem der Alkohol, der in vielen Deos enthalten ist. Vor allem sollte man aber bedenken: Die Rasur kreiert fast immer ganz kleine Wunden. Trägt man sofort Deo auf, dann ist die Aufnahme von Aluminium sehr wahrscheinlich erhöht. Hinzu kommt, dass auch die Duftstoffe so besser in unsere Haut dringen können. Dadurch ist das Risiko höher, dass man eine allergische Reaktion entwickelt.

Achselhöhle, Frau, Schweiss, Rasieren
Eine rasierte Achselhöhle kann angenehm sein – das darauffolgende Deo-Auftragen ist es oft nicht. Aus guten Gründen. Bild: Shutterstock

Also sollte man das lieber sein lassen?
Ja. Ich empfehle, die Rasur am Abend vorzunehmen und die Haut unter den Achseln zur Ruhe kommen zu lassen. Wenn Sie dann am nächsten Morgen Deo auftragen, sind die kleinen Wunden bereits wieder verheilt.

Warum benutzen wir Deo eigentlich nur unter den Achseln?
Das liegt an den Duftdrüsen. Diese sind eine besondere Form von Schweissdrüsen, sie entstehen erst ab der Pubertät, wenn auch dort die Behaarung beginnt. Ausser unter den Achseln gibt es sie noch im Intimbereich und am After. Wie der Name es sagt, können Duftdrüsen Düfte absondern.

Haben diese Drüsen eine bestimmte Aufgabe?
Ja, ursprünglich dienten sie der Partnerwahl – genau so, wie es heute noch beispielsweise bei den Hunden und den Katzen
funktioniert. Heute empfinden wir die abgesonderten Gerüche allerdings eher als Müffeln, wir bedecken den Geruch mit Duftstoffen und sie haben in dem Sinne für uns Menschen keine Funktion mehr.

Wenn wir diese Drüsen also auch im Intimbereich haben – könnte man sich theoretisch auch dort Deo auftragen?
Ja, einige Menschen tun das. Wenn sie sich zum Beispiel unsicher fühlen während des Geschlechtsverkehrs oder ihnen der Geruch einfach unangenehm ist. Abgesehen davon, dass dort die Haut noch eine Spur empfindlicher ist und auf die Applikation reagieren könnte, ist dagegen – aus medizinischer Sicht – nichts einzuwenden.

Was beeinflusst eigentlich, wie stark wir schwitzen?
In erster Linie natürlich die gefühlte Temperatur. Und sonst geht es, vor allem beim krankhaften Schwitzen, um Gene. Also die Veranlagung des vegetativen Nervensystems. Aber auch Hormone spielen eine Rolle, die Schilddrüse und die Sexualhormone. Ist dort etwas ausser Balance, kann das Auswirkungen haben auf unsere Schweissproduktion. Wichtig ist: Es können auch chronische Erkrankungen eine Rolle spielen, also Infekte oder auch gewisse Krebserkrankungen. Hier sollte man besonders auf den Nachtschweiss achten.

Was heisst das?
Wenn Sie regelmässig in der Nacht sehr stark schwitzen und davon erwachen, sollten Sie das abklären lassen. Zuletzt kann auch die Ernährung einen Einfluss haben: Lebensmittel, die den Körper wärmen, also vor allem Scharfes wie Chili, können uns natürlich auch zum Schwitzen bringen.

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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Holzkopf
04.05.2023 22:03registriert November 2017
Von wegen Duftdrüsen hätten keine Funktion mehr:

Wir haben im Studium gelernt, dass Menschen, die sich vom natürlichen Körpergeruch her attraktiv finden, genetisch gut matchen bzgl. HLA Heterogenität, welche wiederum mit besseren immunologischen Voraussetzungen bei gemeinsamen Kindern einhergeht.

Eine Studie im Rahmen einer Doktorarbeit kommt sogar zum Schluss, dass auch der Kinderwunsch bei Frauen gehäuft mit einem genetisch vorteilhafteren HLA-Typ des Partners korreliert. (Quelle: einfach „HLA Partnerwahl“ in eine Suchmaschine eingeben)
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Noob
04.05.2023 21:15registriert Januar 2015
Danke Watson für das Nachhacken und abklären! Top! 👍️
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Neo (1)
04.05.2023 20:21registriert Juni 2022
Bin ich der einzige, der hier von Hyperhidrose betroffen ist? Nimmt mich wunder.
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