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Interview: Harald Schmidt kritisiert Cancel Culture

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«Sonst heisst es wieder, ich habe die Schauspielerin als Prostituierte bezeichnet»

Harald Schmidt fürchtet die Sprachpolizei und ist überzeugt, dass vieles, was er einst sagte, heute zum Aus seiner Talk-Sendung führen würde. Lieber redet er über Oper, obwohl er Angst hat, dass auf den Bühnen Putin bald die Nazis ersetzt.
24.04.2022, 20:5525.04.2022, 09:00
Christian Berzins / ch media
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Zynisch und respektlos war er in seiner Talkshow und erschuf sich den Titel «Dirty Harry» gleich selbst. Satire ging bei Harald Schmidt nahe an die persönliche Beleidigung, seine einzige Währung aber war der Lacher – und beim Wort «Unterhaltungsbusiness» wusste er den Bindestrich zu machen: Unterhaltung war für ihn Business.

«Das ist Verherrlichung von Prostitution!»: Harald Schmidt.
«Das ist Verherrlichung von Prostitution!»: Harald Schmidt.Bild: keystone

Jetzt aber steht er auch mal auf der Opernbühne und wird im Opernhaus Zürich einen Talkabend zum Thema «Richard Wagner» machen. Nichts wie hin also zu einem Interview! Für die zwei Minuten Verspätung entschuldigt sich Schmidt sogleich höflich, sagt, dass er auf der anderen Seite der Lobby pünktlich gewartet habe.

Wissen Sie, was ich heute Ihnen zu Ehren zu Mittag gegessen habe?
Maultaschen.

Fast.
Frittatensuppe?

Genau, zu Ehren ihres Buches «In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe». Allerdings heisst sie bei uns in der Schweiz Flädlisuppe – selbst in der «Kronenhalle».
Ist sie gut da?

Zur Person:
Showtalent Harald Schmidt Harald Franz Schmidt wurde 1957 in Neu-Ulm geboren und wurde dank seiner Late-Night-Show einer der berühmtesten Deutschen. Er darf sich rühmen, Schauspieler, Kabarettist, Kolumnist, Entertainer, Schriftsteller und Fernsehmoderator zu sein. Schmidt stand auch auf Theater- und Opernbühnen. Schmidt lebt mit seiner Lebensgefährtin Ellen Hantsch in Köln-Marienburg und hat fünf Kinder. Eben erschienen ist sein Buch (Herausgeber) «In der Frittatensuppe feiert die Provinz ihre Triumphe. Thomas Bernhard. Eine kulinarische Spurensuche».
(bez)

Die Bouillon ist gut, die Flädli sind sehr weich und der Form nach eher sehr kurze Spaghetti. Sie aber sind ja der Experte, sollten die Suppe dort morgen probieren.
Die Frittatensuppe erhalte ich in Stuttgart in einer hohen Perfektion, hier esse ich dann lieber etwas, was ich mir einbilde, das typisch schweizerisch ist: in der «Kronenhalle» immer die klassische Bratwurst mit Röschti.

Ich glaube das jetzt mal, wobei ich auch an die Ankündigung Ihrer Gesprächsreihe am Opernhaus denke: Da stand, dass der «Mensch und die Kunstfigur» zu erleben sein werden.
Ich werde mich bemühen, die Vorgabe zu erfüllen.

Schmidt über die Islamkonferenz, Mozarts Oper «Idomeneo» und Adolf Hitler, den Maler.Video: YouTube/Die Harald Schmidt Show

Mit wem rede ich jetzt: Mit der Kunstfigur oder dem Menschen Schmidt?
Das weiss ich oft selber nicht: Der Ausspruch führt auf den Schauspieler Gert Voss zurück, er sagte einst: «Du hast verschiedene Figuren entwickelt, die Du überall hinschicken kannst.» Der Schauspieler hat das durchschaut. Es gibt Schmidt den Elternabend-Referenten oder den Supermarkt-Einkauf-Geher-Referenten – und dann auch Schmidt den Interview-Referenten. Dadurch ist vieles für mich unkompliziert. Das grösste Schimpfwort für mich heisst «authentisch». Der Theatermacher René Pollesch sprach von der «authentischen Kuh». Ich verschwende keine Sekunde, authentisch zu sein, sondern ich gehe als jeweiliger Referent zu den Veranstaltungen.

Es wurde nicht gesagt, wer ihre Gäste sind: Egal, weil sowieso Sie die meiste Zeit reden?
Nein, ich habe fantastische Gäste – und nachdem ich in 623 Kleinkunstbühnen aus den Gurkenfässern gekrochen bin, stehe ich in Zürich hier auf der grossen Bühne. Ich habe gesagt: «Kinder, auch wenn nur zehn Leute kommen, wir machen es richtig.» Es gab Uraufführungen berühmter Stücke vor 30 Leuten, Marcel Proust hat seine «Recherche» im Eigenverlag herausgegeben.

Ist dieser Talk im Opernhaus Zürich Ihre Eintrittskarte, um hier dann bald den Bassa Selim, die Sprechrolle in Mozarts «Entführung aus dem Serail» zu spielen?
Nein, ganz sicher nicht. Der Talk genügt, das Opernhaus Zürich fehlte mir noch in meinem Portfolio.

Die Staatsoper Stuttgart gehört schon dazu, da haben Sie den Haushofmeister in Richard Strauss «Ariadne Auf Naxos» gespielt.
Ja, das war toll – eine Wiederaufnahme: André Jung war in der Premierenserie der Haushofmeister.

Keine schlechte Konkurrenz, in Zürich spielte allerdings mal Klaus Maria Brandauer den Bassa.
Ja, aber ich mache das nicht. Ich mache hier in Zürich, was ich kann, beginne den Abend mit Stand-up-Comedy und zeige meine vollkommene Ahnungslosigkeit gegenüber Wagner, habe ich doch erst jetzt angefangen, als Vorbereitung mich mit ihm zu beschäftigen.

Das glaube ich nicht.
Doch, das stimmt. Aber klar, ich war vorher schon von der Musik fasziniert.

Die aktuelle Inszenierung der «Entführung aus dem Serail» wäre die grösste Bühnenherausforderung, die Sie je hatten, der Bassa hat hier nämlich eine Stummrolle …
(lächelt) … vielleicht kommt das noch auf mich zu. Aber ich habe den Ehrgeiz nicht. Ehrlich.

Sie können in der Oper ja auch höher hinaus als die Sprechrolle, schliesslich haben sie auch schon Operette co-inszeniert. Wann folgt die erste Opernregie in Zürich?
In Düsseldorf gab’s damals einen Totalverriss der Presse. Vernichtend. Und doch waren wir immer ausverkauft, selbst die Nachmittagsvorstellungen.

«Der Komiker als Konservativer» titelte die «Welt».
Genau. Die Prügel in der Presse nahm ich auf mich, habe ich weggesteckt. Es war eine interessante Erfahrung, aber danach wusste ich: Finger weg von der Opernregie. Ich kann im Unterschied zu vielen Künstler sagen: «Das kann ich nicht.» Aber heute sagt man natürlich viel eher: «Ich möchte mich noch von der anderen Seite zeigen.» Leute, die im Vorabendfernsehen Erfolge in der Familienshow feierten, möchten plötzlich eine heroinsüchtige Prostituierte spielen. Das ist eine deutsche Mentalität.

Die Leute würden in Scharen ins Opernhaus kommen, egal, ob Sie das Opernhandwerk beherrschen oder nicht.
Da sprechen Sie einen interessanten Punkt an. Als Katharina Wagner (Urenkelin von Richard Wagner und Festspielchefin in Bayreuth) bei mir in der Sendung zu Gast war, sagte sie, dass ein Drittel der Regisseure gar keine Noten lesen können.

Sie können es. Und im Operngeschäft gibt es viele Schauspielregisseure, die nie zuvor eine Oper gesehen oder gehört haben.
Unter Schauspielregisseuren heisst die Devise: «Opernregie: Doppelte Gage, halbe Arbeit.» Aber: Ich bin nicht gefährdet.

Schade, dann werden Sie sich nie überlegen, ob sich Otello nach wie vor schwarz schminken soll.
Da bin ich jetzt sehr gespannt auf die nächsten «Otello»-Abende: Beim Hauptdarsteller handelt es sich bestimmt um eine Frau, die gar nicht singt. Ich bin auch gespannt auf die nächsten Aufführungen von Léhars «Lustiger Witwe», zum Beispiel auf den «Weibermarsch» oder auf «Ja das Studium der Weiber ist schwer» oder «Heute gehe ich ins Maxim». Das ist Verherrlichung von Prostitution!

Wir sind bei Mozarts «Zauberflöte» angelangt: «Ein Weib tut wenig, plaudert viel.»
Wenn Sie diese Texte genau durchgehen … mein lieber Schwan. Ich bin gespannt, wann die Sprachpolizei den Vorhang runterlässt. Ich bin in Wien mit dem Kabarettisten Michael Niavarani aufgetreten, am Abend sang Jonas Kaufmann «Wiener Lieder» und wir machten uns den Spass, diese Kompositionen zu analysieren: Es ging um Nötigung und Vergewaltigung, da gab es Texte wie «Stell Dich nicht so an, Mädel». Wenn ich das alles durchforste, bin ich gespannt, wie die Spielpläne aussehen.

Gibt es eine Lösung?
Ich bin froh, dass ich das nicht entscheiden muss. Aber es kann nur eine Lösung sein, die gender- und diversitätsmässig alle Bedingungen erfüllt. Übererfüllt.

Gehen Sie denn noch ins Theater?
Selten.

Aber in die Oper schon?
Ja, die Oper habe ich jetzt entdeckt, da gibt es für mich ein Repertoire abzuarbeiten, das ich noch nie gesehen habe: Noch nie den «Ring des Nibelungen» gesehen! Noch nie «Lohengrin»! Jetzt mache ich Senioren-Wagnertourismus, fliege die besten Bühnen ab. Auf Operabase kann man gucken, wo so läuft. Da geht’s dann auch an so schöne Häuser wie jenes in Kopenhagen. Ich habe Leute getroffen, die sind wegen einer Wagner-Aufführung bis Buenos Aires geflogen.

Warum reden Sie in Zürich nur einmal über Wagner?
Das ist im Sinn des Meisters: Einmal – und dann wird abgerissen. Niemand nimmt Wagner ernster als ich.

Um was geht es denn im «Ring des Nibelungen», über den Sie sprechen?
Ich habe mich erst mit dem «Rheingold» intensiv beschäftigt, System Angela Merkel: Scheibchenweise, nur das nehmen, was auf dem Tisch liegt.

Der Komiker Loriot sagte, es gehe um nette Leute, die aber mehr besitzen wollen, als sie sich leisten könnten. Und im blinden, lieblosen Gewinnstreben vernichten sie sich selbst und ihre Welt.
Das ist sicher richtig, aber das Tolle ist, dass es auch noch 521 andere Interpretationen gibt. Das «Rheingold» ist für mich eine Familiengeschichte – nach dem Beginn am Rhein geht es beim Götter-Ehepaar Fricka und Wotan gleich los mit Vorwürfen. Er: «Schatz, hier ist das Schloss.» Sie: «Hast Du doch nur gebaut, um abhauen zu können». Dann kommen die Riesen, diese soliden Handwerker, und sagen: «Du hast gepennt, wir haben die Bude gebaut. Geld hast Du nicht, nehmen wir halt Deine Schwägerin.» Und dann taucht meine Lieblingsfigur auf: Loge – der Deal-Maker.

In der «Ring»-Rezeptionsgeschichte tauchten in der Vergangenheit oft Männer mit Stiefeln und Ledermäntel auf: Nazis.
Das war ein Bonmot von mir: Wenn ich in den «Meistersingern» sitze und nach zehn Minuten kein Hakenkreuz zu sehen ist, dann rufe ich im Kulturdezernat an: «Was ist denn da los?!». Die Naziparallelen und Wagners Antisemitismus muss ich nicht mehr auf der Bühne sehen. Das ist durchdekliniert bis zum Gehtnichtmehr.

Werden wir bald Putin statt Hitler auf der Bühne sehen?
Ich fürchte, dass es da überhastete Parallelen geben wird, das ist aber genauso wie mit den Covid-Romanen: Das will keiner lesen, man hat es täglich. Es ist ein grosser Unterschied, ob ein Thema künstlerisch überhaupt bearbeitet werden kann oder ob ich bloss etwas oberflächliche Aktualität in etwas hineinbringe. Es wird überhastete Aktualitäten geben, die zum einen in der Grausamkeit gar nicht an die Wirklichkeit herankommen, und zum zweiten kann ich mich an so ein Thema nur durch eine Überhöhung herantasten, wohl nur mit Hilfe der alten Griechen.

Es hätte bei Ihnen früher ein Talk-Thema sein müssen.
Gott sei dank habe ich keine Sendung mehr. Ich habe keine Kompetenz, mich zum Ukraine-Krieg militärisch oder inhaltlich zu äussern. Ich hätte also die üblichen Verdächtigen einladen müssen, wo ich dann staune, wer jetzt plötzlich Militärexperte ist. Ich sehe das gerne, wenn sich Leute über ihre geistigen Fähigkeiten hinaus äussern. Da sage ich dann: «Hätte ich nicht vermutet, dass Du über das Thema Flugverbotszone Bescheid weisst, ich dachte, du bist Virologe?» Die einzigen, die ich zurzeit zulasse, sind die ehemaligen Nato-Generäle: Sie wissen, wovon sie reden.

Die hätten Sie in die Sendung eingeladen?
Hätte ich müssen. Aber so ein Gespräch geht 12 Minuten, was mache ich in den anderen 34? Gott sei dank ist die Sendung Geschichte. Es wird immer grauenhafter und die Hysterie immer grösser: Sie sagen einen Satz, er wird im Internet vier Mal falsch zitiert und sie haben einen Riesenärger, der sinnlos ist. Da habe ich kein Bedarf.

Vieles, dass Sie damals in der Sendung machten und sagten, würde heute einen Riesenwirbel verursachen.
Vieles würde zur sofortigen Einstellung der Sendung führen! Was soll’s? Wir reden über alte Zeiten: Ich mache seit acht Jahren keine Sendung mehr, ihr Höhepunkt liegt 18 Jahre zurück. Da hiess der Bundeskanzler Schröder.

Der hätte dann sicher auch eine Rolle im Putin-«Ring».
Ich befürchte wirklich, dass bald banale Bezüge gezogen werden, bei denen es den Zuschauer graust. Ich will es mir nicht vorstellen. Ein alter Gag von mir war ja auch der: «Wenn ich in der Opernkantine sitze und da vier Japaner in SS-Uniformen reinkommen, weiss ich: Oben wird ‹Freischütz› gespielt.»

Sie bleiben mit ihren alten Gags eben doch aktuell. Ihr Sender lud vor einer Woche eine Hitlerparodie von Ihnen hoch und einer kommentierte: «Macht das einer privat, wird er sofort angezeigt oder eingesperrt.»
Das ist eine meiner Lieblingsnummern: «Hitler warnt vor Neonazis»! Am Schluss sagt Hitler: «Ich weiss, wovon ich rede». (lächelt) Ich bin in keinem sozialen Netzwerk, verfolge da gar nichts. Diese Daueraufgeregtheit – schrecklich. In Düsseldorf gab es Aufregung, da der Regisseur zum einen Schauspieler mit afrikanischen Wurzeln sagte: «Der Sklave soll mal etwas auf die Seite gehen.» Zur Figur! Er fühlte sich persönlich angegriffen. Dabei weiss doch jeder: Schauspieler werden im Laufe der Proben mit dem Namen ihrer Rollen angesprochen: «Romeo, bitte näher zu Julia!». «Hamlet, du musst mal in die Gänge kommen.» Wenn ich im Kleistschen Sinne sage «Ei, da kommt die feine Dirne», kriege ich heute den Vorwurf, ich habe die Schauspielerin als Prostituierte bezeichnet. Dafür habe ich die Nerven nicht, da fahre ich lieber nach Zürich und schaue auf den See.

«hinterm Vorhang» heisst ihr Zürcher Abend: Ich als Opernfan mochte eines nie, hinter den Vorhang schauen. War die Tosca etwas unsportlich und konnte nicht so gut von der Engelsburg springen, schaute ich im entscheidenden Moment immer weg, damit ich nicht sah, wie sie, statt zu springen, die Treppe runterstieg.
Desillusionierung! Aber ein Opernhaus muss heute marketingmässig denken, da ist so eine im weitesten Sinne backstage-Sache eine zeitgemässe Einrichtung. Da sind die Engländer und Amerikaner einiges aggressiver: Die Stars treten im Frühstücksfernsehen auf und singen auf der Fifth Avenue. Meine kleine Show finde ich legitim, denn ich desillusioniere ja nicht während der Aufführung. Man könnte sagen, es ist eine Matinee am Abend.

Jetzt sagen mir aber gewisse Leute dieser Tage, sie können nicht in die Oper gehen. Und zwar nicht, weil dort keine Maskenpflicht mehr gelte, sondern weil Krieg sei. Können Sie noch in die Oper gehen?
Selbstverständlich, denn es ist permanent irgendwo Krieg – ich entschuldige mich für diese Binsenwahrheit. Jemen, Syrien, Irak, Afghanistan – zwei Tage bevor der Überfall auf die Ukraine stattfand, war in den Tagesthemen die Titelgeschichte: «Afghanistan steht am Abgrund». Und jetzt? Findet in den Medien nicht mehr statt. Kurz vor Weihnachten gab’s rund um den FC Bayern München einen Riesentrubel: «Können wir uns noch von Qatar Airways sponsern lassen?» Jetzt sagt unser deutscher Wirtschaftsminister: «Katar ist unser Energiepartner.» Bald kommt die WM in Katar und wir kennen die Diskussionen: Dürfen wir da hingehen, respektieren die dort wirklich die Menschenrechte?

Wir diskutierten auch, ob wir im Sommer an die Salzburger Festspiele gehen können, da Gazprom dort Hauptsponsor sein sollte.
(lächelt, dann lacht er) Gut, muss ich das nicht entscheiden. Ich bin Steuerzahler, Zeitungsleser und Fernsehzuschauer und kein Berater des US-Präsidenten, auch kein Nato-Spezialist. Im Gegenteil, ich habe den Wehrdienst verweigert, war Zivildienstleister und habe Dienst auf dem katholischen Pfarramt gemacht. Ich war schon immer für den Frieden – ja? Wir hatten mit der Kabarettistin Lore Lorentz im Kommödchen den Slogan: «Friede ist Krieg, der woanders ist.»

Aber der Ukraine-Krieg wirft Schatten auf den Opernbetrieb: Anna Netrebko hätte vor kurzem hier in Zürich singen sollen, in gegenseitigem Einvernehmen sagte man ab. Gut?
In München warf man ja Gergiev raus … Ich stelle schon fest, dass man da sehr rasch reagiert. Darf man noch russischen Salat essen?

Sie hätten Gergiev weiterdirigieren lassen?
Ich kenne ihn nur als Dirigenten, habe nicht verfolgt, wie nahe er Putin stand. Die Frage ist: Wo ziehen wir die Grenzen? Was ist mit all jenen, die im Weissen Haus aufgetreten sind, als George Bush in den Irak-Krieg zog mit einem Foto, über das man hinterher sagte: «Sorry, war ein falsches Bild.» Das ist ein neuer Trend: Man bittet dauernd um Entschuldigung – auch im Frühstücksfernsehen. Sie glauben es nicht, aber der deutsche Bundespräsident war im Frühstücksfernsehen. Da hat die Schweiz ein Glück, dass sie immer neutral war.

Ein heikles Thema, darüber reden wir das nächste Mal.
Gut. Sie brauchen mir übrigens nichts zum Gegenlesen vorzulegen: Seit ich Interviews nicht mehr gegenlese, werden sie immer besser. Die meisten Zeitungsinterviews sind so stinklangweilig, weil alles Heikle oder Spannende rausgestrichen wird.

Da haben Sie recht. Vor kurzem nahm die Pressefrau einer TV-Chefin ein Interview sogar selbst auf und erwähnte beim Vorlegen des gegengelesenen Interviews ein Detail, das ihre Chefin angeblich anders gesagt hätte ...
Da bin ich zu sehr Presse-Fan, ein zu passionierter Zeitungsleser, um so etwas zu machen. Der Modemacher Joop sagt dem «Spiegel»: «Früher wurden auf den Modemessen alten reichen Männern die Zimmerschlüssel der Models gegeben.» Es folgt eine Riesenaufregung, da sagt er nachher: «Tut mir leid, habe ich nicht so gemeint.» Hat er es nun gesagt oder nicht? War es so oder war es nicht so? Lagerfeld war da für mich der beste: Er äusserte sich ohne Rücksicht auf Verluste. Viele davon gibt’s nichts, zwei drei: Ich bin einer davon (lacht).

Harald Schmid live in Zürich: «Hinterm Vorhang mit Harald Schmidt»: Opernhaus Zürich, 2. Mai, 19.30 Uhr (Eintritt 10 Franken).

(aargauerzeitung.ch)

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19 Kommentare
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Dmnk
24.04.2022 22:32registriert Oktober 2016
Den Zeitgeist gut auf den Punkt gebracht. Wir leben wirklich in hysterischen Zeiten. Gutes Interview.
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wurzeli
24.04.2022 21:40registriert April 2020
Herrliches Interview - danke!

"Hätte ich nicht vermutet, dass Du über das Thema Flugverbotszone Bescheid weisst, ich dachte, du bist Virologe?" - den muss man sich bei der Inflation der Experten merken.
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Ohniznachtisbett
24.04.2022 22:08registriert August 2016
Wow, eines der besten Interviews seit langem.
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