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So beeinflusst die Beziehung zu unserer Mutter unsere Partnerschaft

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Der Tag zu Ehren der Muttter hat sich seit 1914 in der westlichen Welt etabliert. Seither wird in vielen Ländern am zweiten Sonntag im Mai Muttertag gefeiert.bild: shutterstock

Eine Paartherapeutin sagt, was deine Mutter mit deiner Partnerschaft zu tun hat

Am Sonntag werden unsere Mütter gefeiert. Wie unsere Erzeugerinnen unsere Beziehungen beeinflussen und was wir daraus lernen können, erklärt Paartherapeutin Birgit Kollmeyer im Interview.
08.05.2022, 05:5709.05.2022, 05:43
Helene Obrist
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Frau Kollmeyer, bevor ich Sie frage, wegen welcher Probleme Paare am häufigsten zu Ihnen kommen, erlaube ich mir eine persönliche Frage vorweg.
Bitte.

Sie sind Mutter von zwei Söhnen. Was halten Sie vom Muttertag?
Es ist ein sehr konstruierter Tag. Trotzdem freue ich mich, wenn ich Wertschätzung spüre. Wenn meine Söhne zum Beispiel fragen, ob wir am Muttertag gemeinsam etwas unternehmen wollen. Als sie früher in der Schule noch Geschenke gebastelt haben, hat mich das auch immer gefreut.

Birgit Kollmeyer ist promovierte Psychologin und seit 2012 selbständige Paar- und Sexualtherapeutin. Sie arbeitet in der Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich. Gemeinsam mit ihrem Partner hat si ...
Birgit Kollmeyer ist promovierte Psychologin und seit 2012 selbständige Paar- und Sexualtherapeutin. Sie arbeitet in der Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich. Gemeinsam mit ihrem Partner hat sie zwei Söhne. bild: zvg

Es wäre doch schöner, wenn Sie auch unter dem Jahr Geschenke erhalten.
Natürlich. Aber der Muttertag fühlt sich auch etwas wie ein Geburtstag an. Den feiert man ja auch und geniesst es, wenn man Aufmerksamkeit und Zuwendung erfährt.

Bleiben wir beim Thema Mutter. Beeinflusst die Beziehung zu unserer Mutter eine Partnerschaft?
Die kurze Antwort ist Ja. Mehr als man vielleicht denkt.

Und die lange?
Wie wir aufwachsen und die Art, wie wir Zuwendung in den ersten Lebensjahren erfahren, hat einen Einfluss darauf, wie wir eine Partnerschaft führen.

Das klingt, als wären wir dazu verdammt, wie unsere Mütter zu werden.
Nein, so meine ich das nicht. Ein gelerntes Verhalten muss nicht endgültig sein. Man kann immer dazu lernen und Verhaltensmuster überdenken oder ändern.

«Wenn ich als Kind erfahren habe, dass ich mich auf meine Mutter nicht verlassen kann, dann lerne ich, dass Beziehungen nicht verlässlich sind.»

Wie ist das denn bei Ihnen? Beeinflusst die Beziehung zu Ihrer Mutter die Partnerschaft mit Ihrem Mann?
Das passiert sicherlich. Aber gute Frage, ich weiss gar nicht, ob ich mich schon genügend damit beschäftigt habe (schmunzelt). Es gibt sicherlich immer wieder Momente, während denen mir auffällt, dass ich mich sehr ähnlich wie meine Mutter verhalte. Es gibt aber auch Situationen, in denen ich anders reagiere, als sie es tun würde.

Können Sie etwas konkreter werden? Was sind Verhaltensmuster, die man durch seine Mutter in der Kindheit gelernt hat und dann in eine Beziehung trägt?
Wenn ich als Kind erfahren haben, dass ich mich auf meine Mutter nicht verlassen kann, dann lerne ich, dass Beziehungen nicht verlässlich sind. Dann mache ich die Erfahrung, dass ich nur mir selbst und sonst niemandem vertrauen kann. Das kann sich auf eine Partnerschaft auswirken.

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Unsere Beziehung zu unserer Mutter beeinflusst auch unsere Partnerschaft, sagt die Paartherapeutin. bild: shutterstock

Wie legt man diese Verhaltensmuster denn wieder ab?
Alles, was gelernt ist, kann man auch wieder verlernen. Wichtig ist, dass man neue Erfahrungen macht, bei denen man Vertrauen erfährt und lernt, dass es Beziehungen gibt, die verlässlich sind. Für wichtig halte ich zu erkennen, dass man Mühe hat, anderen Menschen zu vertrauen. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man beginnen, an sich und an der Beziehung zu arbeiten.

Wir haben jetzt nur über die Beziehung zur Mutter gesprochen. Wie sieht es mit der Beziehung zum Vater aus?
Da würde ich keinen Unterschied machen. Man lernt genauso aus der Beziehung zum Vater. Wenn sich der Vater direkt einbringt, vielleicht sogar schon während der Schwangerschaft, mit dem Kind Kontakt aufnimmt, kann er genau die gleich wichtige Rolle für das Kind haben, wie die Mutter.

Fassen wir zusammen: Wie unsere Eltern uns grossgezogen haben, beeinflusst, wie wir Beziehungen führen.
Nicht nur, aber auch. Wenn ich da nochmals ein konkretes Beispiel nennen darf?

Bitte.
Wenn ich zum Beispiel als Kind erfahren habe, dass ich Liebe nicht einfach so erhalte, sondern etwas dafür tun muss – zum Beispiel extra angepasst sein oder gute Leistungen erbringen muss, dann werde ich zu einem eher ängstlichen Bindungstypen.

Dieses erlernte Verhaltensmuster trage ich dann auch in eine Partnerschaft?
Möglicherweise, ja. Dann habe ich vielleicht den Eindruck, mein Partner oder meine Partnerin zieht sich zurück, weil ich nicht gut genug bin. Vielleicht bemühe ich mich dann umso stärker um Anerkennung. Das kann besonders schwierig werden, wenn ich auf jemanden treffe, der ein vermeidender Beziehungstyp ist. Also jemand, der sich schnell eingeschränkt fühlt und sich bei wachsender Nähe um seine Unabhängigkeit sorgt.

«Viele Paare kommen erst dann zu mir, wenn es schon fast zu spät ist.»

Das hängt wirklich alles mit den frühkindlichen Erlebnissen zusammen?
Ja, die verschiedenen Bindungstypen entwickeln sich in der Kindheit und werden dann später durch die weitere Beziehungsgeschichte beeinflusst. Etwas möchte ich in diesem Zusammenhang aber unbedingt noch erwähnt haben.

Ja?
Es ist falsch zu glauben, dass die eigenen Eltern an allem schuld seien. Jede Mutter, jeder Vater tut ihr oder sein bestmögliches. Aber Eltern machen Fehler. Es nützt nichts nur damit zu hadern. Es hilft, wenn man sich auch einmal überlegt, wofür man seinen Eltern dankbar ist. Was schätzt man an seiner Mutter? Was hat einem der Vater mit auf den Weg gegeben?

Sie sind seit mehr als zehn Jahren Paartherapeutin. Kommen manchmal auch Paare zu Ihnen, bei denen Sie kaum noch Hoffnung sehen?
Das kommt immer wieder vor. Die Paartherapie ist leider noch nicht so fest etabliert. Viele Paare kommen erst dann zu mir, wenn es schon fast zu spät ist. Da habe ich tatsächlich öfter den Eindruck, dass es sehr anspruchsvoll wird, die Konflikte zu lösen.

Sagen Sie das dem Paar dann auch?
Nein, das tue ich nicht. Nicht weil ich ihnen etwas vorenthalten will, sondern weil ich weiss, dass ich auch daneben liegen kann. Manchmal weiss ich nicht, ob es bei einem Paar noch möglich ist, die Kurve zu kriegen. Und dann entwickelt es sich plötzlich sehr positiv. Es gibt aber auch Paare, wo Probleme kompakt und begrenzt scheinen. Dann tauchen aber plötzlich viel mehr Konflikte auf und der Prozess wird zäh. Ich überlasse es am Schluss also immer dem Paar. Egal, wo es steht oder ob ich die Konflikte als sehr schwerwiegend empfinde; Wenn beide an der Beziehung arbeiten wollen, versuche ich sie dabei zu unterstützen.

Wie alt war das jüngste Paar, das sie je beraten haben?
Unter 18.

Hat sie das erstaunt?
Wenn man in so jungen Jahren schon ein Bewusstsein dafür hat, dass eine Beziehung auch Arbeit bedeutet und dass es sich lohnt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, erstaunt mich das schon. Aber ich bin positiv erstaunt, das ist eine sehr gute Entwicklung!

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Es sind nicht nur die Mütter, die unsere Beziehungen beeinflussen. Auch Väter können prägen, wie wir leben und lieben, sagt Paartherapeutin Birgit Kollmeyer. bild: shutterstock

Apropos positiv. Freut es Sie, wenn Sie Partnerschaften retten können?
Ich rette sie ja nicht, das tut das Paar selbst. Aber natürlich, freut mich das. Es ist immer schön zu sehen, wenn Paare wieder besser miteinander reden können und da plötzlich wieder mehr Freude und Leichtigkeit in der Beziehung spürbar sind. Es kann aber auch ein positives Ergebnis sein, wenn beiden klar wird, dass es gemeinsam nicht mehr geht und sich das Paar wagt, getrennte Wege zu gehen. Es ist nicht immer das oberste Ziel einer Paarberatung, eine Beziehung am Leben zu erhalten.

Wenn Sie drei grosse Konfliktfelder festmachen müssten, die Ihnen immer wieder begegnen. Welche wären das?
Chronische Konflikte und fehlender persönlicher Austausch sind sicher die grossen Themen. Die Aussage, «mein Partner oder meine Partnerin versteht mich nicht» höre ich sehr häufig. Dann habe ich auch immer wieder Paare, bei denen jemand fremdgegangen ist oder eine Affäre oder Nebenbeziehung hat oder hatte. Das ist eine Situation, bei der viele Paare an ihre Grenzen kommen und sich dann Hilfe holen, um nicht alleine damit umgehen zu müssen. Das Thema Kindererziehung spielt bei Eltern eine grosse Rolle. Bei einem kinderlosen Paar geht es oft darum, wie man verschiedene Lebensbereiche unter einen Hut bringt. Da tauchen Fragen auf wie: Wie wichtig dürfen eigene Interessen sein? Wie wichtig ist Zeit mit dem Partner oder der Partnerin?

Gibt es die perfekte Beziehung?
Phu, ich habe noch keine gesehen (lacht). Gegenfrage: Muss es denn eine perfekte Beziehung geben?

Klingt irgendwie auch anstrengend.
Ich glaube, es ist wichtig, dass man auch nicht nach einer perfekten Beziehung sucht. Denn dann hat man unrealistische Erwartungen, die eigentlich nicht erfüllt werden können. Eine Partnerschaft ist immer begleitet von Problemen, Konflikten und Krisen. Das ist absolut normal. Die wichtige Frage ist eher: Schafft man es in der Beziehung, mit Problemen und Konflikten umzugehen? Und kann man gemeinsam Belastungen meistern? Kriegt man das hin, würde ich von einer sehr gesunden Beziehung sprechen.

Das heisst, eine gute Beziehung benötigt Streit.
Ja. Eine Beziehung braucht Reibung und Auseinandersetzungen. Es ist auch nicht gut, wenn sich ein Paar immer einig ist und beinahe symbiotisch durchs Leben geht. Eine gesunde Distanz ist notwendig, um überhaupt Anziehung und Leidenschaft zu spüren. Wenn man ständig aneinanderklebt, wonach soll man sich dann noch sehnen?

«Eine Beziehung braucht Reibung und Auseinandersetzungen.»

Sie sagen also, ein bisschen Zwist macht es spannend.
Davon bin ich überzeugt. Ein Streit sollte aber auf jeden Fall konstruktiv sein. Es sollte niemand verletzt werden. Das ist etwas, das ich versuche, in Beratungen zu vermitteln.

Würden Sie sagen, Beziehungen sind komplizierter geworden, als sie es noch vor 50 Jahren waren?
Schwierige Frage. Ich denke, dass man heute besser weiss, wie wichtig persönlicher Austausch ist. Dass in Beziehungen immer zwei unterschiedliche Menschen aufeinander treffen, die sich aufeinander einlassen und abstimmen müssen. Beziehungen bedeuten Engagement. Das weiss man heute sicher besser, als noch vor 50 Jahren.

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51 Kommentare
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EinsZweiDrei
08.05.2022 08:22registriert Juli 2014
"Jede Mutter, jeder Vater tut ihr oder sein bestmögliches."
Das stimmt einfach nicht! Und ich habe Mühe mit solchen Aussagen, da die Kinder sowieso schon oft sich selber die Schuld geben am Leid dass sie erfahren und wenn man so etwas liest, kann man direkt wieder denken: "Na siehst du. Mama und Papa waren gar nicht so schlechte Eltern, auch wenn sie mich verprügelt, ignoriert, nur angeschrien (darf man einsetzten was man möchte), haben. Sie wollten ja nur das Beste. Haben es aus Liebe hetan. Eventuell war ich einfach ein schlechtes Kind und habe es nicht anders verdient."
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Green Eyes
08.05.2022 08:35registriert September 2019
Gutes Interview, danke dafür.
Seit ich in psychologischer Behandlung bin, merke ich, wie wichtig auch das Verhältnis zu sich selbst ist. Die Eltern bringen viel bei, das ist so. Und wenn der Wille da ist, sich selbst zu hinterfragen und Verständnis für das Gegenüber auf zubringen, ändert sich jede Beziehung, nicht nur partnerschaftliche Beziehungen.

Ein harter und schwerer Weg, sich damit zu befassen, aber er lohnt sich.
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Cleora
08.05.2022 11:25registriert Juni 2020
Eine Beziehung soll nicht gut sein, wenn man nicht streitet?! Da kann ich nicht zustimmen. Diskussionen brauchts natürlich, aber weshalb müssen es gleich Streit oder Auseinandersetzungen/Reibereien sein?
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