Eine der beiden grossen deutschen Privatsender-Ketten liegt mit ziemlicher Sicherheit bald in Händen der Berlusconi-Familie. Der einst von dem Rechtspopulisten Silvio Berlusconi (1936-2023) gegründete Konzern Media for Europe (MFE) steht vor der Übernahme der absoluten Mehrheit beim TV- und Streaming-Anbieter ProSiebenSat.1.
Möglich macht das der tschechische Finanzinvestor PPF, der sich mit MFE erst eine Bieterschlacht geliefert hat und den Italienern nun alle seine Anteile verkaufen will. Die Berlusconis hatten bis Mitte August 43,6 Prozent am deutschen TV-Konzern zusammengekauft. Mit den 15,7 Prozent aus tschechischer Hand hat MFE eine Mehrheit zusammen und kann damit die Geschicke des Sendersystems bestimmen.
«Mediaset erobert ProSiebenSat.1», titelte die italienische Zeitung «La Repubblica» nach der Ankündigung von PPF. Der «Corriere della Sera» sprach vom «Sieg» der Mailänder Unternehmerfamilie. Mediaset heisst die italienische Senderkette von MFE, die vor allem für ein unpolitisches Entertainment bekannt ist.
Pier Silvio Berlusconi hat in einer Erklärung ein Bekenntnis zur redaktionellen Unabhängigkeit abgelegt: «In den Ländern – Italien und Spanien -, in denen MFE bereits tätig ist, hat das Unternehmen stets die Wahrung grundlegender Werte garantiert: unternehmerische Ethik, Pluralismus, Informationsfreiheit und Beschäftigungssicherung. Und das wird auch weiterhin der Fall sein – immer und überall.» Man wolle eine europäische Sendergruppe aufbauen.
MFE beabsichtigt zudem, Synergien «vorrangig» durch die Hebung von Wachstumspotenzialen und langfristige Wertschöpfung «und nicht durch Standortschliessungen oder den Abbau von Arbeitsplätzen zu erreichen», wie die ProSiebenSat.1-Spitze schreibt. Der deutsche Fernsehkonzern, der mit einem schwachen TV-Werbemarkt zu kämpfen hat, hat seit 2023 bereits Hunderte Stellen abgebaut. MFE hat in jüngster Zeit viele Stellen geschaffen.
Kartellrechtlich gibt es keine Hürden für das Geschäft. Die Übernahme wurde bereits 2023 der Europäischen Kommission sowie 2024 der Bundeswettbewerbsbehörde zur Prüfung vorgelegt. Damals hatten die Berlusconis die Grenze von 25 Prozent überschritten.
ProSiebenSat.1 ist neben der RTL-Familie der zweite grosse private Fernsehkonzern in Deutschland. Neben klassischen Sendern wie ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins gehört unter anderem auch der Streaminganbieter Joyn zu der Firmengruppe. Bekannte Formate sind zum Beispiel die Shows «Germany's Next Topmodel» oder «The Voice of Germany». (sda/awp/dpa)