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Trotz Krise: Demokraten gewinnen seit Trump-Amtsantritt fast alle Wahlen

catelin drey iowa
Das neue Gesicht der Demokratischen Partei: Catelin Drey aus Sioux City (Iowa). Die 37 Jahre alte Mutter gewann am Dienstag eine Nachwahl inBild: imago
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Die Demokraten sind in der Krise – gewinnen seit Trumps Amtsantritt aber fast alle Wahlen

Seit dem Wahlsieg des Republikaners Donald Trump denkt die Oppositionspartei in aller Öffentlichkeit über ein Rebranding nach. Dabei machen lokale Demokraten bereits vor, wie eine zeitgemässe linke Grosspartei aussehen sollte.
28.08.2025, 06:3528.08.2025, 06:35
Renzo Ruf / ch media
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Die Meinungsumfragen zeigen ein klares Bild: Die Demokraten, gegründet vor fast 200 Jahren und damit die älteste noch aktive Partei der Welt, befinden sich in einer tiefen Krise. 33 Prozent der Wählerinnen und Wähler hätten derzeit eine positive Meinung der linken Grosspartei, berichtete kürzlich die Tageszeitung «Wall Street Journal». Eine Konkurrenz-Erhebung, gesponsert vom Wirtschaftssender CNBC, errechnete noch tiefere Zustimmungsraten. Demnach gaben nur gerade 24 Prozent der Wähler der Oppositionspartei gute Noten.

Beide Zahlen sind nicht gut. In den vergangenen dreissig Jahren, seit der Präsidentschaft von Bill Clinton, wurde die Arbeit der Demokraten angeblich noch nie so harsch bewertet.

Demokraten sollten wieder «ganz normal» sprechen

Also läuten derzeit, von Washington über New York bis nach Sacramento, dem Arbeitsort des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom, die Alarmglocken. Heftige Debatten über eine Neupositionierung der Partei halten die Aushängeschilder der Partei in Atem. Newsom positioniert sich als Anti-Donald Trump und zieht den (in der Tat aussergewöhnlichen) Kommunikationsstil des Präsidenten in den sozialen Medien ins Lächerliche. «ICH HABE JETZT DIE HÖCHSTEN UMFRAGEWERTE, DIE ICH JE HATTE, EINIGE LIEGEN IN DEN 60ERN ODER SOGAR IN DEN 70ERN», schrieb das Büro von Newsom kürzlich in Grossbuchstaben auf dem Internetdienst X.

California Gov. Gavin Newsom answers questions after signing legislation calling for a special election on a redrawn congressional map on Thursday, Aug. 21, 2025, in Sacramento, Calif. (AP Photo/Godof ...
Gavin Newsoms Kommunikationsteam hält Donald Trump und den Republikanern den Spiegel vor.Bild: keystone

Andere potenzielle Präsidentschaftskandidaten versuchen die Partei davon zu überzeugen, endlich wieder «wie ganz normale Menschen» zu sprechen und die zunehmende Akademisierung der Demokraten zu stoppen.

Das ist eine Debatte, die für einen Beobachter manchmal amüsant, und manchmal schlicht ärgerlich ist. Verhindern lässt sich eine Grundsatzdiskussion aber wohl nicht, denn eine Partei, die Wahlen verliert, die macht sich früher oder später überflüssig.

Allein: Das Rad neu erfinden müssen die Demokraten nicht. Denn die Partei gewinnt seit dem Amtsantritt von Trump ständig Wahlen. Und zwar sowohl in ihren eigenen Stammlanden als auch in Hochburgen der Republikaner. In den kompetitiven Urnengängen, die seit der Amtseinführung von Donald Trump im ganzen Land stattfanden, legten die Demokraten in 29 von 36 Fällen zu.

Zuletzt siegte am Dienstag eine linke Aktivistin in einer konservativen Ecke des Bundesstaates Iowa bei einer Nachwahl für das Staatsparlament. Catelin Drey, so heisst die 37 Jahre alte Mutter aus Sioux City, gewann mit einem Vorsprung von 10,5 Prozentpunkten auf ihren republikanischen Konkurrenten. Vor einem Jahr, bei der Präsidentenwahl, hatte Trump seine demokratische Konkurrentin Kamala Harris im gleichen Wahlbezirk noch mit einem Vorsprung von 11,5 Prozentpunkten besiegt. Die Differenz zwischen 2024 und 2025 beträgt also rund 22 Prozentpunkte.

Der Durchschnittswähler interessiert sich nicht für Politik

Wie ist ein solcher Erdrutsch möglich? Zwei Erklärungsversuche. Erstens: Die Demokraten profitieren davon, dass sie bei Nachwahlen landesweit die einzige valable Alternative zu den Republikanern darstellen. Wer in den USA der lokalen oder nationalen Regierungspartei eins auswischen will, der wählt die Opposition. Und weil viele Menschen mit Trump und den Republikanern unzufrieden sind, wählen sie nun in Nachwahlen die Demokraten.

Der zweite Erklärungsversuch: An der Basis, in Kleinstädten wie Sioux City, leben lokale Politikerinnen und Politiker bereits vor, wie eine neue, erfolgreiche Demokratische Partei aussehen könnte. Catelin Drey zum Beispiel ist die Gründerin der Organisation «Moms for Iowa», die sich Alltagsthemen verschrieben hat. So will die Gruppe die hohen Kosten für Kinderkrippen senken, die jungen Familien auf dem Magen liegen. Oder die Schussgewalt verringern, die das Sicherheitsgefühl vieler Amerikanerinnen und Amerikanern beeinträchtigt.

Das sind natürlich hochpolitische Fragen, und Drey hat im Wahlkampf kein Geheimnis darum gemacht, dass sie eine Demokratin ist. Aber das Beispiel Trump zeigt, dass der Durchschnittswähler ideologisch viel flexibler ist, als die beiden Grossparteien jahrelang der Meinung waren.

Viele Amerikanerinnen und Amerikaner interessieren sich nicht für Politik. Sie wollen vielmehr wissen, ob ein Politiker bereit ist, Alltagsprobleme zu lösen, nötigenfalls mit einem neuen Ansatz. Das hat Trump, der Entertainer, schon vor vielen Jahren begriffen. Die Demokraten sollten das endlich auch zur Kenntnis nehmen. (aargauerzeitung.ch)

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61 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PVJ
28.08.2025 07:36registriert Februar 2014
Erfreulich, dass die Wähler dem Trump-Wahnsinn zumindest auf lokaler Ebene etwas entgegensetzen. Solche Erfolge sollten aber nicht zu hoch gewichtet werden: Es handelt sich um eine Nachwahl in ein Parlament eines kleineren Staates im mittleren Westen.

Und zur Terminologie: Die Demokraten sind keine „linke“ Partei, wie im Artikel beschrieben. Sie decken ein breites Spektrum von Mitte-Links bis Mitte-Rechts ab. Wir sollten nicht den Extremismus der MAGA-Republikaner durch falsche Einordnungen der Gegenseite relativieren.
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Haarspalter
28.08.2025 07:09registriert Oktober 2020
„Der Durchschnittswähler interessiert sich nicht für Politik“

Damit ist alles gesagt.

Das Fundament für eine funktionierende Demokratie - der Herrschaft des Volkes - fehlt.

Und so kommen Leute an die Macht, welche die Basis eben nicht repräsentieren.
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_Momo_
28.08.2025 07:00registriert August 2025
‚Die Demokraten sind in der Krise – gewinnen seit Trumps Amtsantritt aber fast alle Wahlen‘

Klar, auch die Amerikaner merken doch, dass Herr Trump eine Gefahr für Amerika und die ganze Welt ist!

Bringt endlich einen anständigen wählbaren Kandidaten, damit das Kapitel ‚Trump’ bei der nächsten Wahl Geschichte ist.
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