Es gibt kein Glück in Gotham City. Bereits nach dem ersten Blick auf die Stadt und ihre Bewohner fühlt man sich depressiver als nach einem Nirvana-Album. Und kaum hat man dies gedacht, läuft auch schon Nirvana. «Something in the Way». Immer ist etwas im Weg. Korruption. Kriminalität. Vergeltung. Dunkelheit. Regen. Nur einmal sehen wir die Sonne der Hoffnung über der traurigen Stadt aufgehen. Batman und Catwoman stehen dabei wieder einmal zuoberst auf irgendeinem Gebäude, und mit der Sonne blühen auch ihre Gefühle füreinander auf.
Die Handlung ist wie immer, Batman, im zivilen Leben der früh verwaiste Milliardärssohn Bruce Wayne, rächt Verbrechen, weil er einfach nicht anders kann, lebt mit seinem Diener Alfred (Andy Serkis) in einem nicht gerade heimeligen gotischen Schloss und hält sich Fledermäuse als Haustiere. Gespielt wird er von Robert Pattinson, einem Mann mit intensiven Augen, melancholischem Mund und der allgemeinen Ausstrahlung eines von allerlei Ängsten gequälten, in die Jahre gekommenen Emo-Buben.
Man konnte sich schon denken, dass das passt, denn dieser Batman muss so richtig leiden. Wenn er nicht in Öhrchenkappe als Superheld, sondern als bleicher Bruce Wayne auftritt, sieht man ihm den ganzen Kummer an, den ihm das nächtliche Problemelösen bereitet. Er gleicht dann Kurt Cobain im Anzug. Catwoman (Zoe Kravitz) steht ihm an innerer Versehrtheit nicht nach, doch im Gegensatz zu ihm ist sie frei, das Geschick von Gotham ist nicht ihr Schicksal. In der bleifarbigen Hölle der weissen Männer ist sie nichts als eine weiter eilende Passantin.
Natürlich braucht der emotional immer etwas überkontrollierte Batman seinen irren Gegenspieler. Das ist entweder der Joker oder wie jetzt der Riddler. Paul Dano macht das fantastisch. Sein Irrsinn liegt nicht wie bei Heath Ledgers legendärem Joker in der totalen Verausgabung, sondern in sparsam eingesetzten, mimischen Verzerrungen, einem Blick, einem Grinsen – und schon hat man Hühnerhaut. Lange sieht man von ihm allerdings nur die Augen hinter einer dicken Brille und hört sein Atmen hinter einer Maske. Schlimm genug.
Der Riddler rächt sich brutal an der korrupten Elite von Gotham, quasi an den Metaverbrechern, die Batman im allnächtlichen Strassenkampf gar nicht im Visier hatte. Die beiden nähern sich dem Kern von Gothams Elend im Grunde von unterschiedlichen Seiten. Vor allem aber aus unterschiedlichen Klassen. Schuld und Vorteil der Waynes sind evident, auch wenn Bruce Wayne dies lange nicht wahrhaben will. Aber natürlich ist das Ziel des Riddlers keineswegs Gerechtigkeit oder gesellschaftliche Umverteilung, sondern pure Macht.
Die Stimmung, die Regisseur Matt Reeves gewählt hat, ist die eines nostalgischen Thrillers, viel unheilschwangeres Noir, das an einen frühen David Fincher erinnert, an «Se7en» etwa, die digitalen Spielereien sind auf ein Minimum begrenzt, «No Time to Die» ist dagegen Science Fiction. Der Grunge liegt nicht nur im Ohr, sondern auch in etlichen Einrichtungen, lässig im Fall von Catwoman, obsessiv beim Riddler. Pattinson, Kravitz, Dano, Serkis, Jeffrey Wright als bester aller Polizisten und Colin Farrell als Mobster «The Penguin» bilden ein Ensemble, das geschmeidig ineinandergreift und sich in allen Teilen ebenbürtig begegnet.
«The Batman» ist ein guter «Batman». Ästhetisch herausragend – Kameramann Greig Fraser ist gerade mit «Dune» für einen Oscar nominiert –, und mit fein gezeichneten Figuren, die man schnell sehr gern hat. Natürlich ist er auch pathetisch wie jeder ernste Superheldenfilm. Und eventuell nicht in jedem seiner Handlungspfade ganz sauber nachvollziehbar. Und mit drei Stunden möglicherweise nicht vor Durchhängern gefeit.
Doch etwas stellt sich diesem sehr gelungenen Film in den Weg. Es ist die Realität. Man schaut zu, wie Menschen sich verprügeln, foltern, Pistolen aufeinander richten, verfolgen, Dinge zum Explodieren bringen. Man weiss genau, dass diese filmische Gewalt eine künstliche ist, trickreich und schmerzfrei für die Beteiligten und kathartisch im Konsum. Fiktion eben. Aber sie sieht trotzdem aus wie jene andere, bei der gerade ein Land kaputt geht und Leute sterben.
Es gibt gewiss Menschen, die das ausblenden können und «The Batman» als Comicverfilmung geniessen. Ich habe noch nie ein Kino so niedergeschlagen verlassen. Aber vielleicht ist genau das gut. Dass einen die Fiktion gelegentlich zugänglicher macht für die entsetzliche Wahrheit der Wirklichkeit.
«The Batman» läuft ab dem 3. März im Kino.