Dies ist ein Stück Fanpost, denn manchmal will man einfach Danke sagen. Weil man sich so beschenkt fühlt. Ich gebe zu, ich habe «House of the Dragon», der inzwischen auch schon zehn Wochen alten Nachgeburt von «Game of Thrones», die als Prequel natürlich eine Vorgeburt ist, zu Beginn gar nicht so viel zugetraut.
War das nicht einfach ein geldgieriges Auspressen von «Game of Thrones»? Waren da nicht plötzlich zu viele Drachen, waren die früher in geringerer Anzahl nicht reizvoller gewesen? Gab es nicht zu viele Leute mit zu ähnlichen Namen? Wie sollte man Rhaenyra, Rhaenys, Rhaena auseinanderhalten? Daemon, Aemond, Aegon? Waren die Zeitensprünge zwischen den Folgen nicht zu gross? Wieso mussten die Frauen von Westeros plötzlich immer schwanger sein?
Bald war ich bekehrt. Bei der zweitletzten Folge dachte ich, besser kann man das nicht mehr machen. Bei der letzten weinte ich, weil sie noch besser war. Was also war da wirklich los? Okay, nichts ist schwieriger, als zu erklären, wieso man etwas liebt. Nichts ist einfacher als ein Verriss.
Der Grund, weshalb wir uns rückhaltlos in eine Serie verlieben, sind die Menschen, die ihr die einzig richtigen Gesichter geben. In «House of the Dragon» ist dies das ganze Ensemble. Unter der Führung von Milly Alcock, Emma d'Arcy, Matt Smith und Paddy Considine. Was für erhabene, ja galaktische Performances waren das!
Considine, der harmoniesüchtige König Visaerys Targaryen wider Willen, ist auf dem Thron zu ewigem Siechtum verurteilt, weil die Schwerter der Besiegten, aus denen der eiserne Thron geschmiedet ist, ihm Schnitte zufügen, die nie mehr heilen. Eine geniale Idee. Wie sich Considine in der zweitletzten Folge todkrank noch ein letztes Mal auf den verfluchten Thron schleppt, um den Zwist um seine Nachfolge beizulegen, ist eine preiswürdige Abschiedsvorstellung.
Matt Smith schafft es als Visaerys Bruder Prinz Daemon, mit minimalistischer Mimik zwischen Zynismus, Dämonie und Liebe zu changieren. Er ist der klassische Heisssporn, der kühnste Ritter.
Emma d'Arcy als Rhaenyra Targaryen, die Prinzessin, die trotz des falschen Geschlechts zur Königin wird, besitzt diese zerbrechlich-rohe Kraft, wie eine zarte Hand, die sich allmählich zur eisenharten Faust ballt. Ihr Gesicht in den letzten Sekunden des Staffelfinals ist ein Schlachtfeld der jähsten Emotionen, auf dem man nicht ausgesetzt werden möchte. Und Milly Alcock macht die junge Rhaenyra zu einem scharfsichtigen, kühlen Stern, ist ein Mädchen, das in Zukunft keines mehr sein möchte, lieber Ritter als Mutter.
Als Ehemann ist Daemon eine Katastrophe, mit ihm verheiratet zu sein, heisst sterben zu müssen. Bis er sich mit seiner Nichte Rhaenyra vermählt. Glücklichen Inzest hatten wir ja schon in «Game of Thrones» bei den Lannisters. Jetzt ist er noch glücklicher. Daemon ist sowas wie Rhaenyras Superdrache, ultragefährlich, mit unglaublichen Köpfungskünsten ausgestattet, ein Mann, der zu absoluter Machtgier und zum Wahnsinn neigt und nur als Ehemann in Schach gehalten werden kann.
Rhaenyra dagegen ist ganz Vatertochter und will zwar die Krone, strebt aber nach friedlicheren Formen der Machtausübung. Was ihr nicht gestattet wird. Denn Macht tötet immer. Entweder ihre Inhaber – wie Visaerys – oder die anderen.
Höhepunkte gab es in den ersten zehn Folgen viele: Die Geburtsszene in Folge eins, in der die Mutter geopfert wird, weil ein männliches Baby und damit ein möglicher Thronfolger gerettet werden muss. Der Gegenschnitt von Geburt und Turnier, den beiden lebensbedrohlichen Schlachtfeldern der Frauen und der Männer. Rhaenyras Totgeburt in der letzten Folge, als sie sich selbst das Kind aus dem Leib reisst, gegengeschnitten mit dem Gefauche eines alten Drachens. Schliesslich die traurige Krönung von Rhaenyra, die im Finale Vater, Baby und Kind verliert.
Schon «Game of Thrones» begeisterte mit grossartigen, komplexen, beschädigten, besessenen Frauenfiguren. «House of the Dragon» geht da noch einen Riesenschritt weiter. Die Omnipräsenz des ganzen Nachfolgezirkus, der sich nur über die Körper von Königinnen und Prinzessinnen manifestieren kann – «wir haben königliche Schösse, so dienen wir dem König», sagt Rhaenyras Mutter vor ihrem Tod im Kindbett –, öffnet einen neuen brutalen Abgrund im Genre Königsdrama.
Mal wird ein apokalyptisches Panorama aufgerissen, wie die Schlacht mit dem Krabbenspeiser, der die Besiegten von Krabben fressen lässt. Bilder, angesichts derer man friert vor lauter Aussichtslosigkeit. Mal ist eine Folge ein radikales Kammerspiel im Thronsaal und macht einen ganz fiebrig, weil das Zwischenmenschliche hier so dicht gewoben ist. Und darüber der Soundtrack von Ramin Djawadi, diesem sanfteren, melancholischeren Hans Zimmer unter den Filmkomponisten.
Wie intelligent alles gemacht ist, merkt man, wenn man nach Folge 10 wieder von vorn beginnt. Alles, was kommt, ist da bereits angelegt. In Blicken, Gesten oder einem Collier aus valyrischem Stahl. Nichts wird verschwendet. Alles ist aufgehoben in einem epischen, eskapistischen Albtraum aus Blut und Feuer. Shakespeare hätte seine reine Freude daran gehabt. Jetzt heisst es warten. Oder wie Shakespeare sagen würde: Ein Königreich für eine nächste Staffel!
Die ganze Staffel gibt es auf Sky und bis zum 6. November unter diesem Link auf RTS.ch – in einer französisch synchronisierten und einer englischen Fassung.
Die Schauspieler um Paddy Considine, Matt Smith, und Emma D'arcy legen eine unglaubliche Perfomance hin.
House of the Dragon ist eine kleine Widergutmachung für GoT staffel 8.
House of the dragon ist um ein vielfaches besser als Ring of Power.
Das Storytelling, CGI, die Musik und die Schauspieler sind einfach phänomenal.
Unterhaltsam wars dennoch allemal.