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Wie dieser Arzt mit Biohacking jünger wurde

Aus «Höhle der Löwen» auf 3+ einer breiten Öffentlichkeit als Investor bekannt: Wahl-Aargauer und Dermatologe Felix Bertram.
Aus «Höhle der Löwen» auf 3+ einer breiten Öffentlichkeit als Investor bekannt: Wahl-Aargauer und Dermatologe Felix Bertram.Bild: Andrea Camen
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Widerspruch zu US-Longevity-Gurus: So machte sich ein Arzt 4 Jahre jünger

Als Klinikchef und Unternehmer hat Felix Bertram seine Gesundheit viele Jahre dem Beruf geopfert. Nun verrät er, wie er sich verjüngt hat ­– ohne täglich 111 Tabletten zu schlucken.
26.10.2025, 20:3227.10.2025, 04:08
Simon Maurer / ch media

Die Longevity-Forschung ist derzeit das vermutlich heisseste Forschungsfeld der Medizin. Seitdem amerikanische Tech-Bosse begonnen haben, Milliarden in die Forschung gegen den Alterungsprozess zu stecken, machen neue Wundermittel täglich Schlagzeilen. Rapamycin, Sirtuine, L-Theanin ­– die Liste der Substanzen, die 120 Jahre alt machen sollen, wächst schneller als die Zahl der Selbstoptimierer mit Fitnessarmband.

Dabei ist vieles davon gar nicht nötig, wenn man den Ausführungen des Wahl-Aargauer Arztes Felix Bertram glaubt. Der 49-jährige Dermatologe bekam vor einigen Jahren einen regelrechten Schock, als er einen Test zur Bestimmung seines biologischen Alters durchführen liess. Trotz seines altersentsprechenden Aussehens beträgt sein biologisches Zellalter 74 Jahre. Zu viele Überstunden, zu wenig Schlaf und der Stress des Alltags haben Bertrams Gesundheit geschadet, sodass seine Blutwerte jenen eines älteren Mannes entsprachen. Für den Arzt, der bis dahin von Zeit zu Zeit ein Bier trank und Schlafmittel zu sich nahm, war das ein Weckruf.

Kein Asketentum, keine Pillen-Mahlzeit nötig

Mediziner Felix Bertram entschied sich in der Folge, sein Leben radikal umzustellen. Anders als der amerikanische Tech-Milliardär Bryan Johnson oder Longevity-Papst David Sinclair wollte Bertram das aber auf eine Art tun, die gesellschaftsverträglicher ist als die militärischen Methoden der Amerikaner. Also nicht das tägliche Schlucken von 111 Tabletten oder exzessive Sportsessionen mehrmals pro Woche erfordert.

Nach einiger Introspektion und Gesprächen mit Longevity-Experten entwickelte Bertram ein eigenes Konzept für ein langes Leben. Es basiert auf den drei Säulen «Gesundheit», «persönliche Entwicklung» und «Beziehungen». Gemäss der Überzeugung des Dermatologen ist ein langes und vor allem erfülltes Leben möglich, wenn die drei Lebensbereiche miteinander im Einklang stehen und keine der Säulen vernachlässigt wird.

Damit stellt sich Bertram zumindest teilweise gegen die Thesen des Longevity-Mainstreams aus den USA, der den Schlüssel zum langen Leben vornehmlich in biotechnologischen Innovationen vermutet ­– und wenig Verständnis zeigt für die philosophische Gegenposition jener Hedonisten, die meinen, ein erfülltes Leben dürfe auch Genuss und gelegentlich Ausschweifungen einschliessen. «Man lebt nicht intensiver, nur weil man sich die eigene Endlichkeit bewusst macht», fasste etwa Longevity-Papst David Sinclair vor einigen Monaten in einem Interview mit dieser Zeitung seine Haltung zusammen.

Vor allem einen Aspekt vergessen Longevity-Gurus

In «Hacking Age» führt Bertram mit der Wissenschaftsjournalistin Nina Weber aus, wieso biomedizinische Optimierungsprogramme allein jedoch zu kurz greifen. Wer Langlebigkeit ausschliesslich als Produkt von Zellmarkern, Molekülen und Protokollen versteht, übersieht zentrale Treiber eines langen, guten Lebens: mentale Gesundheit, Sinn und stabile Beziehungen.

Die wissenschaftliche Evidenz für diese These liefert Bertram in Form zahlreicher Studien, die beispielsweise feststellen: «Menschen mit einem guten sozialen Netzwerk haben ein um 50 Prozent verringertes Sterberisiko». Diese in der Longevity-Forschung lange übersehenen Erkenntnisse sind für Bertram entscheidend, um Altern ganzheitlich zu verstehen. So lautet ein Fazit von «Hacking Age»: «Augen auf bei der Wahl des Longevity-Gurus!»

«Hacking Life» statt «Hacking Age», nennt Bertram seine Anleitung für lange, erfüllte Lebensjahre, und will damit Interessierten ein Konzept an die Hand geben, das über die Zusammenfassung von neuen Studienerkenntnissen aus der Biomedizin hinausreicht. Inhaltlich klappt das gut, weil Bertram die Methoden der Longevity-Gurus selbst ausprobiert, und sie nach der Prüfung auf ihre Evidenz mit seiner lebensbejahenden Philosophie kombiniert.

Dass ein Teil der präsentierten Erkenntnisse nicht brandneu ist, verzeiht man den Autoren ­– schliesslich ist die Welt in Zeiten von ChatGPT, Gesundheits-Influencern und Wissenschaftsskeptikern so unübersichtlich geworden, dass selbst unter Ärzten und Forscherinnen oft kein Konsens mehr besteht über die Frage, was denn überhaupt gesund ist. Da ist eine Rückbesinnung auf validierte Forschungsergebnisse womöglich nötig, auch wenn sie älter sind.

Es geht alles weniger schnell als gewünscht

In diesem Sinn ist die Mischung aus Zusammenfassung altbekannter Gesundheitstipps und neuer Studienerkenntnisse ein gelungener Ansatz, der manche Interessierte dazu bewegen dürfte, sich Gedanken über den eigenen Umgang mit Gesundheit zu machen. Auch dann, wenn man erst am Schluss erfährt, dass all die Lebensumstellungen des Autors ihm in eineinhalb Jahren «gesundem» Leben auf biologischer Ebene nur um vier Jahre verjüngt haben ­– und nicht um Jahrzehnte, wie sich das der Mensch in der effizienten Moderne wünscht.

Doch das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis aus «Hacking Age». Gesundheit ist kein Produkt, das man schnell in der Apotheke kaufen kann, sondern ein Prozess, der über die Jahre gepflegt werden muss – und der, richtig gelebt, durchaus auch glücklich machen kann.

Hacking Age. Felix Bertram und Nina Weber. Gräfe und Unzer Verlag. 224 Seiten. (bzbasel.ch)

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24 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Acai
26.10.2025 20:48registriert März 2017
“… auf biologischer Ebene nur um vier Jahre verjüngt…”

Ah, toll. Der 49 jährige, der biologische gesehen 74 Jahre alt war, ist jetzt biologisch gesehen nur noch 70. Rofl.
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Franz Ferdinand
26.10.2025 23:14registriert November 2020
Waaaas? Genug Schlaf, weniger Stress, ein unterstützendes und gesundes soziales Netzwerk und ein ausgewogenes Selbstverständnis fördern die Gesundheit? Unverschämt, so einfach und pragmatisch zu denken. Ich will gefälligst Geld ausgeben, damit ich das Gefühl habe, dass ich im Gegenzug etwas dafür kriege. Also, her damit mit den 111 Tabletten...
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Bruno Dünnpfiff
26.10.2025 21:26registriert Mai 2021
Sieht aber für 49 ziemlich alt aus..
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