Wieso genau sucht Tarik, 29, einen Mann? Tarik findet nämlich Alleinsein etwas vom Schönsten und alles, was zu kuschlig ist, verdächtig. Zum Beispiel die Familienverhältnisse von Nici, 23. Nici trifft sich jeden Donnerstag mit seiner Schwester, weil die beiden vor Jahren mal damit angefangen haben, donnerstags «Germany's Next Topmodel» zu schauen, und das war dann so schön, dass die geschwisterlichen Donnerstagsdates beibehalten wurden.
Im Laufe von nur 23 Minuten kommen Moderatorin Gülsha Adilji, Paartherapeutin Ramona Zenger und Tarik dann dahinter, dass Tarik bloss seinen neoprenanzugdicken Schutzpanzer ablegen muss, um etwas weniger gerne allein zu sein. Einfach auch mal Mut zur Verletzlichkeit haben! Danach steht dem Glück von Idyllemuffel Tarik und Donnerstagsbruder Nici eigentlich nichts mehr im Weg.
Praktischerweise haben sich die beiden in einem Leben vor «Deep Dating», was nur minimal nach «Deep Fake» klingt, womit die Echtheit der Liebe, die allenthalben so am TV gemacht wird, am besten beschrieben ist, schon mal gedatet. Weil die queere Szene einfach so klein sei, sagt Gülsha. Und Nici sagt, dass Tarik sogar das verdächtig kuschlige Plüschkissen kenne, das er als wichtigen persönlichen Gegenstand (von seiner Schwester geschenkt!) ins Studio mitgebracht hat.
Tarik hat jedoch nicht nur Nici zur Auswahl, sondern auch noch Nick und Martin, und Martin hat schon mal eine Selbstwertverbesserungstherapie gemacht und findet sich jetzt besser, was Tarik voll anerkennt. Nick trägt einen Pulli, auf dem «Forget the rules» steht, was möglicherweise im Gegensatz zu seinem Job als Feuerwehrmann steht. Tarik findet: «Hey, Fürwehr, megaheiss», logisch. Wer nicht.
«Deep Dating» dürfte die kostengünstigste Datingshow aller bisherigen Zeiten sein. Es gibt nichts in «Deep Dating»: keine Insel, kein gemeinsames Essen, keine Hochzeit, vor der man sich noch nie begegnet ist, keinen Pool, keine Villa, keinen Ausflug ins Elefantengehege im Zoo, keine sichtbaren Tattoos, nicht einmal Rosen.
Es gibt nur Gülsha, Ramona, einen Menschen, der nicht mehr allein sein will, und drei, die ihn davon erlösen sollen. Sähe so TV-Unterhaltung nach einer angenommenen Halbierungsinitiative aus? Oder ist es bloss supereffizientes Liebemachen? Wie auch immer – es ist erfrischend befreit. Und: Alle sind superlieb miteinander. Man kann gar nicht anders, als hier seine Schutzanzüge abwerfen zu wollen. Die Sendung schreit nach Seelenstriptease, es ist das reinste Kuscheltiergehege.
Gülsha und Ramona wollen keine «Oh my god, wie boring!!!»-Fragen stellen, sondern vorwärtsmachen, in der knappen Zeit schnell reinstechen in die gepanzerte Herzgegend und die Leute auf eine Art knacken, dass sie voneinander mehr zu sehen kriegen als beim 0815-Tinderdate. Das klappt bestens. Obwohl die Fragen jetzt nicht sooo exotisch sind. Im Stil von: Wenn eine gerne Theater spielt, mag sie dann auch Rollenspiele beim Sex?
Dazwischen macht Gülsha Faxen. Isst Chips, wenn sie sich langweilt, ist erschüttert, wie überreflektiert die jungen Liebesmäuse vor ihr sind, sie selbst habe ja in diesem Alter nur gesoffen. Nennt eine Kandidatin «Knuffelplanet».
Der Knuffelplanet heisst Naomi, ist 22, und bewirbt sich zusammen mit Kristina, 23, und Kira, 21, um die Gunst von Tim, 23. Tim sucht eine Frau, mit der sich eine gute Zeit verbringen lässt, was sonst, Äusserlichkeiten sind egal, er findet alle hübschen Frauen gut, haha.
Kira hat als persönlichen Gegenstand die Strickweste ihrer rumänischen Grossmutter mitgebracht, weil diese für sie ihre eigene «Identitätskrise» symbolisiere. Kristina ein Band, weil es ihr immer so sauschwer falle, das Band einer Beziehung zu trennen und Konflikte zu bewältigen, was ein suboptimaler Einstieg ins Dating-Gewerbe ist. Denn Tim braucht «öpper, wo gheilt isch, nid öper, wo am Heile isch». Therapie-Speak bestimmt den Single-Alltag. Und dann besitzt Kristina auch noch eine Moncler-Jacke, wobei das vor allem für Gülsha eine Red Flag ist.
Tim wählt den Knuffelplaneten. «Si hät en megacoole, reflektierte Idruck gmacht.» Allerdings hat er sich Naomi blond vorgestellt. Äusserlichkeiten spielen eben doch eine Rolle. Was sie genau an ihm gut finden soll, wird nicht so klar, wahrscheinlich, dass er so «vollgheilet» ist, denn Unsicherheit mag sie gar nicht.
Ramona erläutert derweil die sechs Phasen einer Beziehung – Verliebtheit, Ernüchterung, Kampf, Akzeptanz, überraschende Einsichten, Liebe & Genuss –, sie klingen nach unangenehm viel Stress. Und Tim und Naomi müssen sich jetzt noch einig werden, ob sie «casual», «exklusiv» oder gar «official» daten wollen. Oder auch gar nicht. Vielleicht haben sie jetzt auch Blut geleckt und bewerben sich beim «Bachelor» oder «First Dates» oder «Reality Shore» und verwandeln sich in ganz normale Reality-Zombies, wer weiss das schon.
«Deep Dating» wird sonntags auf dem YouTube-Kanal SRF Mood und montags um 23 Uhr auf SRFzwei ausgestrahlt.