Leben
Review

«Deep Dating»: So ist die neue SRF-Kuppelshow

Deep Dating
Paartherapeutin Ramona Zenger und Moderatorin Gülsha Adilji
2023

Copyright: SRF/Gian Vaitl
Die neuen Kupplerinnen der Nation: Paartherapeutin Ramona Zenger (links) und Moderatorin Gülsha Adilji.Bild: SRF/Gian Vaitl
Review

Kuscheltiere beim Seelenstriptease: Das ist die neue SRF-Datingshow

«Deep Dating» verkuppelt in Rekordzeit junge Singles, die sich prima mit Therapie-Vokabular auskennen.
19.09.2023, 20:0420.09.2023, 16:24
Mehr «Leben»

Wieso genau sucht Tarik, 29, einen Mann? Tarik findet nämlich Alleinsein etwas vom Schönsten und alles, was zu kuschlig ist, verdächtig. Zum Beispiel die Familienverhältnisse von Nici, 23. Nici trifft sich jeden Donnerstag mit seiner Schwester, weil die beiden vor Jahren mal damit angefangen haben, donnerstags «Germany's Next Topmodel» zu schauen, und das war dann so schön, dass die geschwisterlichen Donnerstagsdates beibehalten wurden.

Im Laufe von nur 23 Minuten kommen Moderatorin Gülsha Adilji, Paartherapeutin Ramona Zenger und Tarik dann dahinter, dass Tarik bloss seinen neoprenanzugdicken Schutzpanzer ablegen muss, um etwas weniger gerne allein zu sein. Einfach auch mal Mut zur Verletzlichkeit haben! Danach steht dem Glück von Idyllemuffel Tarik und Donnerstagsbruder Nici eigentlich nichts mehr im Weg.

«Deep Dating»
Tarik (links) und Nici finden sich vor laufender Kamera. Nicht zum ersten Mal.Bild: Screenshot SRF

Praktischerweise haben sich die beiden in einem Leben vor «Deep Dating», was nur minimal nach «Deep Fake» klingt, womit die Echtheit der Liebe, die allenthalben so am TV gemacht wird, am besten beschrieben ist, schon mal gedatet. Weil die queere Szene einfach so klein sei, sagt Gülsha. Und Nici sagt, dass Tarik sogar das verdächtig kuschlige Plüschkissen kenne, das er als wichtigen persönlichen Gegenstand (von seiner Schwester geschenkt!) ins Studio mitgebracht hat.

Tarik hat jedoch nicht nur Nici zur Auswahl, sondern auch noch Nick und Martin, und Martin hat schon mal eine Selbstwertverbesserungstherapie gemacht und findet sich jetzt besser, was Tarik voll anerkennt. Nick trägt einen Pulli, auf dem «Forget the rules» steht, was möglicherweise im Gegensatz zu seinem Job als Feuerwehrmann steht. Tarik findet: «Hey, Fürwehr, megaheiss», logisch. Wer nicht.

«Deep Dating»
Tarik vor Nici, Nick und Martin, die er erst nach getroffener Wahl zu sehen kriegt.Bild: Screenshot SRF

«Deep Dating» dürfte die kostengünstigste Datingshow aller bisherigen Zeiten sein. Es gibt nichts in «Deep Dating»: keine Insel, kein gemeinsames Essen, keine Hochzeit, vor der man sich noch nie begegnet ist, keinen Pool, keine Villa, keinen Ausflug ins Elefantengehege im Zoo, keine sichtbaren Tattoos, nicht einmal Rosen.

Es gibt nur Gülsha, Ramona, einen Menschen, der nicht mehr allein sein will, und drei, die ihn davon erlösen sollen. Sähe so TV-Unterhaltung nach einer angenommenen Halbierungsinitiative aus? Oder ist es bloss supereffizientes Liebemachen? Wie auch immer – es ist erfrischend befreit. Und: Alle sind superlieb miteinander. Man kann gar nicht anders, als hier seine Schutzanzüge abwerfen zu wollen. Die Sendung schreit nach Seelenstriptease, es ist das reinste Kuscheltiergehege.

«Deep Dating»
Gülsha beobachtet das Werben.Bild: Screenshot SRF

Gülsha und Ramona wollen keine «Oh my god, wie boring!!!»-Fragen stellen, sondern vorwärtsmachen, in der knappen Zeit schnell reinstechen in die gepanzerte Herzgegend und die Leute auf eine Art knacken, dass sie voneinander mehr zu sehen kriegen als beim 0815-Tinderdate. Das klappt bestens. Obwohl die Fragen jetzt nicht sooo exotisch sind. Im Stil von: Wenn eine gerne Theater spielt, mag sie dann auch Rollenspiele beim Sex?

«Deep Dating»
Naomi, Kristina und Kira (von links) bringen auch so ihre emotionalen Rucksäcke mit.Bild: Screenshot SRF

Dazwischen macht Gülsha Faxen. Isst Chips, wenn sie sich langweilt, ist erschüttert, wie überreflektiert die jungen Liebesmäuse vor ihr sind, sie selbst habe ja in diesem Alter nur gesoffen. Nennt eine Kandidatin «Knuffelplanet».

Der Knuffelplanet heisst Naomi, ist 22, und bewirbt sich zusammen mit Kristina, 23, und Kira, 21, um die Gunst von Tim, 23. Tim sucht eine Frau, mit der sich eine gute Zeit verbringen lässt, was sonst, Äusserlichkeiten sind egal, er findet alle hübschen Frauen gut, haha.

«Deep Dating»
Wen wird Tim im weissen Gurugewand wählen?Bild: Screenshot SRF

Kira hat als persönlichen Gegenstand die Strickweste ihrer rumänischen Grossmutter mitgebracht, weil diese für sie ihre eigene «Identitätskrise» symbolisiere. Kristina ein Band, weil es ihr immer so sauschwer falle, das Band einer Beziehung zu trennen und Konflikte zu bewältigen, was ein suboptimaler Einstieg ins Dating-Gewerbe ist. Denn Tim braucht «öpper, wo gheilt isch, nid öper, wo am Heile isch». Therapie-Speak bestimmt den Single-Alltag. Und dann besitzt Kristina auch noch eine Moncler-Jacke, wobei das vor allem für Gülsha eine Red Flag ist.

«Deep Dating»
Phasenplan-Präsentation von Ramona.Bild: Screenshot SRF

Tim wählt den Knuffelplaneten. «Si hät en megacoole, reflektierte Idruck gmacht.» Allerdings hat er sich Naomi blond vorgestellt. Äusserlichkeiten spielen eben doch eine Rolle. Was sie genau an ihm gut finden soll, wird nicht so klar, wahrscheinlich, dass er so «vollgheilet» ist, denn Unsicherheit mag sie gar nicht.

Ramona erläutert derweil die sechs Phasen einer Beziehung – Verliebtheit, Ernüchterung, Kampf, Akzeptanz, überraschende Einsichten, Liebe & Genuss –, sie klingen nach unangenehm viel Stress. Und Tim und Naomi müssen sich jetzt noch einig werden, ob sie «casual», «exklusiv» oder gar «official» daten wollen. Oder auch gar nicht. Vielleicht haben sie jetzt auch Blut geleckt und bewerben sich beim «Bachelor» oder «First Dates» oder «Reality Shore» und verwandeln sich in ganz normale Reality-Zombies, wer weiss das schon.

«Deep Dating» wird sonntags auf dem YouTube-Kanal SRF Mood und montags um 23 Uhr auf SRFzwei ausgestrahlt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die 21 vermutlich lustigsten (und schrägsten) Tinder-Profile
1 / 23
Die 21 vermutlich lustigsten (und schrägsten) Tinder-Profile
bild via imgur
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Sex beim ersten Date? Die Bachelorette hat es uns verraten
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
50 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Denkenderprolet
19.09.2023 20:25registriert August 2021
Das hat nichts mit Service Public zu tun und gehört eingestampft. Trash-TV bedient lediglich den Voyeurismus durch Zurschau- und Blosstellung der Kandidaten. Speed-Dating mit Therapeutin ist immer noch Speed-Dating, aber man kann grosse Wörter herumwerfen und Seriosität vorgaukeln.
11833
Melden
Zum Kommentar
avatar
fireboltfrog
19.09.2023 22:02registriert Januar 2018
Jedes Mal wenn man denk das SRF macht ja schon nicht nur schlechtes mit dem ganzen Geld, liefert es wieder einen Grund für die Halbierungsinitative.
7415
Melden
Zum Kommentar
avatar
Alter Mann
19.09.2023 21:59registriert September 2020
Es ist die Frage erlaubt ist der Service Public denn eigentlich zuständig dafür den Voyeurismus zu unterstützen oder wäre er eher für Information und Bildung des Publikums zuständig. Nach meiner Meinung gehören alle diese Formate ins Privatfernsehen. Wer das sehen will soll dafür einzeln bezahlen. Das öffentlich finanzierte Fernsehen sollte von solchen Programmen Abstand nehmen müssen oder die Zwangsfinanzierung sollte abgeschafft werden. Dann kann nämlich jeder der sich für das Schweizer Fernsehen interessiert zahlen, die anderen aber bleiben verschont.
479
Melden
Zum Kommentar
50
    «Stars machen es nur für Geld» – Amanda Seyfried äussert sich zur Sequel-Plage

    «Gladiator II», «Beetlejuice Beetlejuice», «Kung Fu Panda 4», «Freaky Friday 2» oder «Alien: Romulus»: Wie viele Kinobesucher ist auch Schauspielerin Amanda Seyfried ein wenig müde von den ständigen Sequels. Die Hauptkritik an den Filmstudios, die im Raum steht, ist, dass sie sich nichts Neues mehr einfallen lassen und immer nur alte Ideen recyceln.

    Zur Story